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Postdigitale europäische Framework-Dokumente? Musikpädagogik zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit
Thade Buchborn, Philip Stade
Hochschule für Musik Freiburg, Deutschland
In Anbetracht des Ressourcen- und Energieverbrauchs sowie der Entstehung neuer Ungleichheiten und Diskriminierungen durch digitale Technologien (Selwyn 2023) wird deutlich, dass Digitalisierung und Nachhaltigkeit erhebliche Spannungen erzeugen, aber auch neue Perspektiven für die Musikpädagogik bieten (Buchborn et al. 2022; Buchborn & Treß 2023; Malmberg 2023; Freitag-Hild et al. im Druck). Innerhalb der European Education Area (Council of the European Union 2021) werden digitale Kompetenzen durch Framework-Dokumente wie DigComp 2.2, DigCompEdu und den Digital Education Action Plan 2021-2027 artikuliert, während die Nachhaltigkeit im GreenComp im Mittelpunkt steht. Ein zentrales Forschungsziel im TEAM-Projekt (Teacher Education Academy for Music) ist die Aufarbeitung dieser Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene.
Im Einklang mit einer "critical educational technology scholarship" (Selwyn et al. 2020, S. 2) analysieren wir mit Schlüsselwortsuchen DigCompEdu, DigComp 2.2 und GreenComp und gleichen die Framework-Dokumente gegeneinander ab. Gibt es systematische Verbindungen und Querbezüge zwischen Nachhaltigkeit und Digitalisierung? Welche Rolle spielt die Musik(pädagogik)? Obwohl die übergeordneten Strategiepapiere die “digital green transition” oder auch “twin transition” vorgeben, tauchen auf der Ebene der Kompetenzformulierungen zahlreiche Reibungspunkte auf, die nicht nur Musiklehrkräfte vor herausfordernde Entscheidungen stellen. So wird beispielsweise Nachhaltigkeit im DigComp 2.2 nur als Add-on hinzugefügt, aber nicht strukturell integriert. “Low-Tech” wird beispielsweise als nachhaltiger Ansatz genannt, spiegelt sich aber nicht in den übrigen digitalen Kompetenzen wider. Der GreenComp erwähnt zwar eingangs das schwierige Zusammenspiel von Digitalisierung und Nachhaltigkeit und betont reduce, reuse und recycle hinsichtlich des Ressourcenverbrauchs. Jedoch bleibt das Digitale in den Kompetenzen nahezu unerwähnt, worin sich möglicherweise die postdigitale “Selbstverständlichkeit des Digitalen” (Schmidt 2020, S. 57) zeigt. Insgesamt sind die Spannungen und Widersprüche zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit, die den Diskursen inhärent sind, also innerhalb der Framework-Dokumente erkennbar.
Wie können vor diesem Hintergrund nachhaltige Ansätze und Praktiken in einer postdigitalen Musikpädagogik aussehen? Das Diskussionspapier bietet Musiklehrkräften Zugänge, um (post-)digitale und nachhaltige Prinzipien für die musikpädagogische Praxis zu reflektieren – zwischen einer “purposeful reduction in use of digital technologies”, einer “continued expansion of digital tools, techniques, and approaches” oder einer “reduction of the hyper focus on digital technology” (Clements 2018, S. 74). Der Beitrag setzt sich also übergeordnet auch mit der Frage auseinander, inwiefern auf europäischer Ebene das Konzept der Postdigitalität aufgegriffen wird und wie die Kompetenzmodelle aus einer musikpädagogischen Perspektive weiterentwickelt werden können.