Zugängliche digitale Musikinstrumente im sonderpädagogischen Kontext - Ergebnisse eines partizipatives Entwicklungsprojekt an einer Schule mit dem Schwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung
Andreas Förster1,2,3
1Technische Universität Berlin; 2Hochschule Furtwangen; 3imui e.V.
Digitale Musikinstrumente (DMIs) können als Teil eines zeitgemäßen Musikunterrichts verstanden werden, da sie das Potenzial haben, einen Zugang zu einem breiten Spektrum an zeitgenössischen musikalischen Erfahrungen zu ermöglichen. Zudem können sie flexibel gestaltet werden und so Menschen, die beim Einsatz konventioneller Musikinstrumente unterschiedliche Zugangsbarrieren erleben ermöglichen, am aktiven Musizieren teilzuhaben. Die Ergebnisse einer quantitativen Vollerhebung an Schulen mit sonderpädagogischem Schwerpunkt zeigten, dass (zugängliche) DMIs aktuell kaum im sonderpädagogischen Kontext genutzt werden. Als Hauptgründe dafür wurden ein grundsätzlich fehlendes Wissen über solche Instrumente und die technische Komplexität kommerziell Verfügbarer Instrumente identifiziert.
Teilweise werden in der Praxis Musikapps eingesetzt, welche aber u.a. aufgrund der Abstraktion insbesondere für Schüler*innen mit komplexen Behinderungen auch als Barriere erlebt werden können. Darüber hinaus kann der Einsatz solcher „Universalgeräte“ zum Musikmachen auch zu einer Ablehnung durch die Schüler*innen und Lehrkräfte führen. So beschrieben befragte Musiklehrkräfte diese teilweise nicht als „richtige“ Musikinstrumente – eine Haltung, die auch zu einem defizitorientierten Einsatz und damit einhergehend einer defizitorientierten Perspektive auf das Phänomen der Behinderung einhergehen kann.
Bisher gibt es ein sehr eingeschränktes Angebot an Alternativen (bspw. Soundbeam oder MotionComposer), die jedoch aufgrund von (enorm) hohen Kosten, der hohen Komplexität und der grundsätzlich schlechten Verfügbarkeit in Deutschland als problematisch betrachtet werden können.
Im musikpädagogischen Diskurs wird dem Einsatz von Open-Source Hardware und Software ein großes Potential zugeschrieben, u.a. da hiermit Entwicklungen möglich sind, die individuell auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Schüler*innen angepasst werden können.
Aus diesem Grund wurden in einem einjährigen partizipativen Entwicklungsprojekt zahlreiche Instrumente entwickelt und im Rahmen einer wöchentlich stattfindenden Musik-AG gemeinsam mit 11 Schüler*innen, 7 Assistenzkräften und 2 Musiklehrern anhand von Beobachtungen und Interviews evaluiert.
Dem Forschungsvorhaben liegt die These zugrunde, dass solche partizipativen Entwicklungsprozesse ein bedeutsamer Faktor dafür sind, den möglichen Problemen einer Ablehnung und Defizitorientierung entgegenzuwirken, und dass die Entwicklungen auch Schüler*innen, die im regulären Musikunterricht häufig „nur passiv“ beteiligt werden, eine aktive Teilhabe am Musikunterricht ermöglichen.
Das Forschungsvorhaben war offen und explorativ angelegt, um das Potential von Open-Source Technologien zum Musikmachen zu ergründen und Gelingensbedingungen für ihren praktischen Einsatz zu identifizieren.
Abbildung 1 zeigt eine Übersicht des gesamten Projektes: https://imui.org/Zeitstrahl.pdf
Der KI-Würfel – ein didaktisches Modell zur Kategorisierung von Anwendungsszenarien künstlicher Intelligenz im Musikunterricht
Oliver Krämer, Benjamin Hecht
Hochschule für Musik und Theater, Deutschland
In unserem Beitrag präsentieren wir ein theoretisch entwickeltes Modell zur Kategorisierung verschiedener Einsatzmöglichkeiten von KI-basierten Apps im Musikunterricht. Das Modell soll eine Vorstellung vermitteln, wie und in welchem Maße der Einsatz von KI die Vorbereitung, Durchführung und Reflexion von Unterrichtsprozessen beeinflussen kann. Es soll Lehrende bei ihren didaktischen Entscheidungen unterstützen und will zugleich zeigen, welche Möglichkeiten sich im Musikunterricht unter Verwendung von KI auftun.
Das Modell wurde von uns im Rahmen des Verbundprojekts DigiProSMK (Digitalisierungsbezogene und digital gestützte Professionalisierung von Sport-, Musik- und Kunstlehrkräften; vgl. https://lernen.digital/verbuende/digiprosmk/) entwickelt, um damit einen Referenzrahmen für die Verwendung von KI im Musikunterricht zu schaffen. Das Verbundprojekt DigiProSMK wird im Rahmen der bundesweiten Digitalisierungsstrategie lernen:digital vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Der KI-Würfel kombiniert drei bereits bestehende Modelle didaktischen Denkens zu einer dreidimensionalen Struktur. Die erste Dimension unterteilt den Akt des Unterrichtens in die drei Phasen der Vorbereitung, Durchführung und Reflexion und folgt damit einem pädagogischen Professionsverständnis, das von der Berliner Schule entwickelt wurde (vgl. Heimann, Otto & Schulz, 1965) und inzwischen als anerkanntes Gemeingut gelten darf. Die zweite Dimension nimmt die Fachlichkeit in den Blick und differenziert verschiedene Umgangsweisen mit Musik im Unterricht. Hier folgen wir der Systematik der "fünf vorrangige[n] Verhaltensweisen gegenüber Musik", die von Dankmar Venus in seiner Unterweisung im Musikhören (1984/1969, S. 21 f.) in Abkehr von einer vornehmlich gegenstandsbezogenen Musikdidaktik etabliert wurde. Die dritte Dimension des Würfels fokussiert schließlich den Grad des Einbezugs von Technologie. Hier folgen wir den Kategorien des SAMR-Modells von Ruben R. Puentedura (2006). Dieses Modell beschreibt vier verschiedene Integrationsstufen abhängig vom Grad der bereits erreichten technologischen Transformation.
Die Verknüpfung dieser drei Basiskonzepte resultiert schließlich in einer dreidimensionalen Matrix mit insgesamt 60 Einsatzfeldern von KI-basierten Applikationen, die eine Vorstellung von der Vielzahl verschiedener Anwendungsmöglichkeiten der KI im Musikunterricht bietet. Diese 60 Einsatzfelder haben wir mit konkreten Anwendungsbeispielen unterlegt und bereits in Teilen erprobt.
Der KI-Würfel selbst eröffnet zunächst ein Feld der Möglichkeiten, noch ohne dabei den Blick auf Wertentscheidungen zu richten. Aus diesem Grund haben wir das Modell des KI-Würfels nach ersten Rückmeldungen inzwischen in einen Horizont aus pädagogischem Professionsverständnis , ökosoziologischem Kontext und musikbezogenen Ermöglichungsstrategien eingebettet. Dieses erweiterte Modell wollen wir bei der Tagung vorstellen und mit dem Kreis der Teilnehmenden diskutieren.
ARS digitalis? – Audience Response Systeme (ARS) und Peer Instruction in der Musikpädagogik
Fabian Bade
Musikhochschule Lübeck, Deutschland
Softwarebasierte Audience Response Systeme (früher Clicker-Systeme genannt) sind Tools, welche etwa seit 1992 im US-amerikanischen Raum im Kontext der »Peer Instruction« (Mazur 2017) Bekannheit erlangt haben und zum Maßhnahmenkatalog des »Active Learning« gezählt werden. Hierzu zählen eine Reihe von Maßnahmen, deren primäres Anliegen die Aktivierung der Lerngruppe durch Lernen unter Peers ist und die sich durch (1) problemzentriertes Lernen, (2) fallstudienbasierte Lehre, (3) Flipped Classroom-Konzepte, (4) Gruppenarbeit sowie (5) hierbei vor allem strukturiertes und partiell begleitetes Debattieren auszeichnet. Ziel ist es, durch den Einsazu des Mediums, die Lehre sukzessive vom Frontalunterricht weg- und zum partizipativen Peer-Learning hinzubewegen. Peer Instruction unter Zuhulfenahme von ARS hielt zunächst in die Hochschul-, später auch in der Schulbildung Einzug und zwar beginnend von den MINT-Fächern bishin in die Sozial- und Geisteswissenschaften. Grund rascher Verbreitung von Active Learning-Methoden war die entstehende Begleitforschung, aus der hervorgeht, dass es signifikante Unterschiede hinsichtlich des Verstehens, Begreifens und Anwendens von Inhalten gibt, sobald Active Learning-Methoden Anwendung finden. Interessanterweise gibt es trotz einer hohen Zahl an Forschungspapieren zu dem Thema keine Studie aus dem Bereich des Musikunterrichtes an Schulen oder Hochschulen dazu. Das vorliegende Poster versteht sich als Bericht eines Praxisprojektes, welches genau an den oben geschilderten Misstand anknüpft, insofern, als dass im Rahmen des Verbundprojektes »DigiProSMK« 2024 in Schleswig-Holstein Versuche durchgeführt worden sind, um zu testen, ob und wie ARS und Peer Instruction in den Musikunterricht implementiert werden können und ferner wie gewinnbringend diese Maßhnahmen sind.
Postdigitalität an Musikhochschulen – das „Netzwerk 4.0 der Musikhochschulen“
Friedhelm Bruns, Florian Lill
Netzwerk 4.0 der Musikhochschulen, Deutschland
Lehre an Musikhochschulen ist durch besondere Unterrichtsformen wie den künstlerisch-praktischen Einzelunterricht, Ensembles und Kleingruppenunterrichte geprägt. Oft gilt es, einen künstlerischen Fokus mit wissenschaftlichen und pädagogischen Inhalten zu balancieren. Dabei ist insbesondere der Umgang mit Traditionen und der Umgang mit gewachsenen Strukturen eine Herausforderung. Trotz ihrer diversen Spezifika müssen sich Musikhochschulen genau wie andere Universitäten und Hochschulen einem Wandel stellen: durch Postdigitalität verändern sich Berufsbilder und -chancen ebenso wie Lehr- und Lernweisen.
Das Projekt „Netzwerk 4.0 der Musikhochschulen“ wird als bundesweit mitgliederstärkstes Verbundprojekt im Programm „Hochschullehre durch Digitalisierung stärken“ von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre gefördert. Seit August 2021 arbeitet es gemeinsam mit 18 Musikhochschulen daran, Lehre durch Digitalisierung zu bereichern und zu stärken. In 11 Teilprojekten werden Aspekte aus fünf Themenfeldern beleuchtet: Digitale Technologien, Lehrentwicklung, Weiterbildung, Studiengangsentwicklung und Future Skills. In 11 Teilprojekten erfolgt die Auseinandersetzung u.a. mit digitalen Technologien für die künstlerische Lehre, Learning-Management-Systemen, Profilbildung im Bereich Digitale Medien in musikpädagogischen Studiengängen, Onboarding, Weiterbildung für Lehrende sowie mit der Vorbereitung Studierender auf den Arbeitsmarkt.
Gemeinsam mit verschiedenen Akteur:innen werden aktuelle Fragen beleuchtet. Welche digital-technischen Ressourcen benötigen Musikhochschulen? Wie können Studiengänge gestaltet werden, um postdigitale Themen besser zu integrieren? Welche Weiterbildungsmöglichkeiten können Lehrenden an Musikhochschulen angeboten werden, damit diese Lehr-Lern-Settings gestalten können, die es ihren Studierenden ermöglichen, zu kompetenten Akteur:innen in einer postdigitalen Welt zu werden? Wie kann eine postdigitale Transformation musikalischer Lehr- und Lernpraxis an Musikhochschulen gemeinsam mit Studierenden, Lehrenden und Verwaltung gelingen?
Zu diesen Fragen möchten wir anhand eines Posters Gesprächsimpulse und Erfahrungen liefern. Das Projekt wird vorgestellt, wobei die für das Symposium besonders relevanten Teilprojekte hervorgehoben werden, darunter ein Weiterbildungsprogramm für Hochschullehrende, Rahmenüberlegungen für ein Profil „Digitale Medien“ in musikpädagogischen Studiengängen sowie Digitale Technologien für die künstlerische Praxis und Lehre.
Lehrkräftefortbildung zu App-gestütztem Musikerfinden als ästhetischer Praxis im Grundschulmusikunterricht
Lina Oravec, Lopez-Torres Konstanze, Melzer Anne
Universität Koblenz, Deutschland
Bei der Praxis des Musikerfindens liegt der Fokus im Musikunterricht der Grundschule häufig auf Textverklanglichungen, Rhythmuskompositionen oder Klangexploration mit Stimme und Körper. Mit dem Einbezug digitaler Medien in diese Prozesse wäre zum einen die Hoffnung verbunden, auch darüber hinaus Aufgabenbereiche zu erschließen, die die Art und Weise, wie Schüler*innen Musik erfinden und gestalten bereichert („Transformation“, SAMR-Modell, Puentedura 2006) und zum anderen einen niedrigschwelligen Zugang zum Musikerfinden für Schüler*innen wie (auch fachfremd unterrichtende) Lehrkräfte zu schaffen.
Die Einbettung von App-gestützten Musikerfindungsprozessen in eine erfüllende, kindgerechte musikalisch-ästhetische Praxis (vgl. Oravec, Schmid 2024) beschäftigt das Koblenzer KuMuS-Teilprojekt Musik. Hierzu werden partizipativ mit Lehrkräften 1. Unterrichtsszenarien und 2. innovative Fortbildungsformate entwickelt, die den Anspruch dieser Praxis verfolgen. Im Zentrum stehen dabei Apps, die als kindgerechte DAWs fungieren.
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