Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung. Bitte wählen Sie einen Ort oder ein Datum aus, um nur die betreffenden Sitzungen anzuzeigen. Wählen Sie eine Sitzung aus, um zur Detailanzeige zu gelangen.
Bitte beachten Sie, dass sich alle Zeitangaben auf die Zeitzone des Konferenzortes beziehen. Die momentane Konferenzzeit ist: 09. Mai 2025 15:51:33 MESZ
Musiktheorie und Musikpädagogik im Dialog. Zur Problematik des Wissenstransfers in selbstbezüglichen Systemen
Jürgen Oberschmidt
Pädagogische Hochschule Heidelberg, Deutschland
Finden Musiktheorie und Musikpädagogik ins Gespräch, ergeben sich häufig „Resonanzprobleme“ (Weidner 2010). Gemeint ist hier der z.T. heftig geführte Diskurs, welches System Dienstleisterin des jeweils anderen sei, als gelte es Machtverhältnisse aufrechtzuhalten und Deutungshoheiten argumentativ zu bemänteln. Der Arbeitskreis Musikunterricht der gmth hat es sich zur Aufgabe gemacht, sich von diesem Prozedere zu lösen, Beziehungsgespräche zu führen, um voneinander zu lernen und sich über die verschiedenen Denkkulturen, die die jeweiligen wissenschaftlichen Diskurse prägen, zu verständigen: Dies funktioniert, solange sich zwei wissenschaftliche Disziplinen begegnen, um sich über die Zieldimensionen des Musikunterrichts und über den Bildungsauftrag der allgemeinbildenden Schule zu verständigen.
Wenn dieser Dialog auch äußerst fruchtbar verläuft, bleibt die Frage offen, welche Wirkmacht dieser Diskurs im Praxisfeld Schule zuzuschreiben ist, wenn es darum geht, auf den vorfindlichen Musikunterricht als Regelunterricht im System einzuwirken. In seinem großangelegten Essay Du mußt dein Leben ändern beschreibt Sloterdijk das System Schule als ein „leeres Selfish-system, das sich ausschließlich an den Normen des eigenen Betriebs“ orientiere. Sie produziere „Lehrer, die nur an Lehrer erinnern, Schüler, die nur noch an Schüler erinnern“ und kenne nur das eine Hauptfach „Unterricht“ (Sloterdijk 2009, 684).
Im Rahmen dieses Beitrags soll nun dargestellt werden, wie dieses Selfish-system in der Praxis funktioniert, wie Abwehrstrategien gegen alle äußeren Eingriffe greifen, unter welchen Bedingungen hier Wissenschaft zu Rate gezogen wird, nämlich mit dem Ziel, das bestehende System zu optimieren und nicht, um auf dieses verändernd einzuwirken (Oberschmidt 2021).
Anhand ausgewiesener Beispiele aus den schulischen Rahmungen (Bildungspläne, Prüfungsanforderungen im Abitur, Schulbücher) gilt es dann zu zeigen, wie sich hier ein selfish-system nicht nur widerständig zeigt gegen wissenschaftlich angemessene Zugänge, sondern auch gegen jene fachlichen und pädagogischen Diskurse, wie sie im Zusammenspiel von Musiktheorie und Musikpädagogik längst geführt wurden. Nur in einem hier zu diskutierenden Zusammenspiel der Fachdisziplinen bleibt eine Aussicht, die der Musik eingeschrieben Kräfte im Musikunterricht zu mobilisieren und sich gegen ein vorfindliches System zu stellen, um den Musikunterricht zu verändern.