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Expressionismus im Hörspiel: Walter Goehrs Musik zu Alfred Döblins "Geschichte vom Franz Biberkopf" (1930)
Johannes Kretschmer
HMT Leipzig
Der in jüngerer Zeit von der deutschen Opernwelt wieder entdeckte jüdische Komponist Walter Goehr gehörte in den 20er Jahren zu dem Kreis der Berliner Meisterschüler Arnold Schönbergs. Der vielseitige Musiker betätigte sich dirigierend und komponierend gleichermaßen auf der Bühne, beim Film und dem noch jungen Rundfunk, hier am erfolgreichsten mit der ersten deutschen Funkoper Malpopita 1930. Im selben Jahr wurde auch Alfred Döblins Geschichte vom Franz Biberkopf – ein repräsentatives Beispiel der ersten ‹Blütezeit› des Hörpiels – in der Berliner Funkstunde urgesendet, wozu Goehr die Musik komponierte. Er zeigt sich darin als schöpferischer Minimalist, der auf engstem Zeit-Raum die wechselvollen Stimmungen der Szenen einfängt, andeutet, verstärkt, kommentiert, kurz: Klänge hörspielgerecht einsetzt. In dem überwiegenden Teil von Szenen mit musikalischen Elementen herrschen eher düstere und bedrohliche Stimmungen bzw. dramatische Handlungen vor, was allein schon als expressionistisch anzusprechen ist. Musikalisch gestaltet werden diese Szenen mit scharfen Dissonanzen, Verfremdungs- und Kanontechniken, Leitmotivik und differenzierter Instrumentation. Deutlich tritt hier die kompositorische Herkunft Goehrs aus der Schönberg-‹Schule› zutage. Goehrs individuelle Leistung ist dabei in der geschickten Ausnutzung der Form-auflösenden Tendenzen des expressionistischen Stils für die besonderen Erfordernisse der Hörspielmusik zu sehen. Goehr kann somit als ein bedeutender Pionier dieser Gattung gelten.