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Vernunft oder Gefühl – Telemanns "Miriways" als Beitrag zum Wandel der Oper
Anna Maria Hausmann
Universität Zürich, Schweiz
Georg Philipp Telemanns Singspiel «Miriways», uraufgeführt am 26. Mai 1728 in Hamburg, war 2014 erstmals seit dem 18. Jahrhundert wieder auf der Opern-Bühne zu erleben. Ähnlich wenig Aufmerksamkeit wie in der Praxis hat dieses Werk von der bisherigen Forschung erfahren, auch wenn es in einer Neuausgabe verfügbar ist. Dieser Vortrag möchte die Potenziale der Oper für die musiktheoretische Forschung näher untersuchen. Die Handlung des Singspiels orientiert sich an realen und unmittelbaren historischen Ereignissen, die sich im Persien von 1722 zugetragen haben. Ein solcher Stoff aus der nahen Vergangenheit ist jedoch im Kontext der regen ästhetischen Diskussionen über die Gestaltung der Gattung Oper im frühen 18. Jahrhundert untypisch. Daneben fällt der thematische Fokus der Handlung auf dem Spannungsverhältnis zwischen Gefühl und Vernunft auf: Die Figuren stehen vor der Entscheidung, ob sie ihrem Herzen oder ihrem Verstand folgen sollen. Damit bringt Telemann im übertragenen Sinne auch das Kernthema des Opern-Streites zwischen emotional packendem italienischen und «natürlich»-vernünftigem französischen Stil auf die Bühne und so bildet die Oper auch einen Teil des ästhetischen Wandels.
Aus musiktheoretischer Perspektive stellt sich dabei die Frage, wie es Telemann gelingt, Gefühl und Vernunft musikalisch als Antipoden darzustellen. Anschliessend an die Beobachtungen von u.a. Reipsch und Hirschmann bezüglich Telemanns Umgang mit Libretti in Opern als auch in geistlichen Werken, bestätigt meine Analyse, dass Telemann Form, Harmonik, Melodik und Instrumentation sensibel an den Text anpasst. Im Vortrag soll am Beispiel der «Miriways»-Arien gezeigt werden, wie Telemann verschiedene musikalische Stilmittel funktional für den Ausdruck von Verstand oder Emotion einsetzt. Das Fallbeispiel leistet somit einen Beitrag zu einer geradezu universellen Fragestellung der Musiktheorie, nämlich dem Verhältnis von Emotion und Rationalität bzw. der Balance zwischen satztechnischem Regelwerk und kreativer Freiheit.