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Melodie und Prosodie — Eine exemplarische Analyse von Alban Berg früher und Später Fassung von Theodor Storms "Schließe mir die Augen beide"
Zeit:
Samstag, 05.10.2024:
15:20 - 15:50
Ort:Raum 7.112
Konzertsaal
Gebäude 7
Lipezker Str. 47
03048 Cottbus
Sitzungsthemen:
Damals und heute. Umbrüche im musiktheoretischen Fachdiskurs, Freie Beiträge
Präsentationen
Vortrag Themen: Damals und heute. Umbrüche im musiktheoretischen Fachdiskurs, Freie Beiträge Stichworte: Alban Berg, Musik und Sprache, Neue Musik, Morphologie, Prosodie
Melodie und Prosodie — Eine exemplarische Analyse von Alban Berg früher und Später Fassung von Theodor Storms "Schließe mir die Augen beide"
Mario Schmidt
Hochschule für Musik Hannover, Deutschland
In seinem Leben hat Alban Berg zweimal Theodor Storms Gedicht Schliesse mir die Augen beide vertont: 1900 und 1925. Besonders daran ist nicht nur, dass hier ein Komponist zweimal den gleichen Text für eine Liedvertonung zur Hand nimmt, sondern dass Berg sich zwischen diesen beiden Liedvertonungen neuen kompositorischen Mitteln zugewandt hatte, die man sogar als Bruch mit der traditionellen, tonalen Musiksprache interpretieren könnte. In der frühen Vertonung findet man viele erweiterte harmonische Wendungen, wie sie sich im Laufe des 19. Jahrhunderts herausgebildet haben. Es ist aber dennoch ein Lied in der Tonart C-Dur. Entsprechend bewegt sich Gesangspartie in einer um viele Töne erweiterten C-Dur-Skala. Der zweiten Vertonung liegt eine Allintervallreihe zugrunde, die kompositorisch ganz im Sinne der damals neuen Zwölftontechnik behandelt wird. Insbesondere in der Gesangstimme wird die Reihentechnik in einer besonderes konsequenten Weise verwendet. Obwohl man meinen sollte, dass diese so unterschiedlichen kompositorischen Ansätze zu sehr unterschiedlichen musikalischen Ergebnissen führen zeigt ein Vergleich der Morphologie beider Gesangspartien, dass sehr große Ähnlichkeiten zwischen der melodiösen Bewegung beider besteht.
Anhand einiger neuer, eigener morphologischer Analyseansätze, möchte ich exemplarisch auf den sehr engen Zusammenhang von Melodie und Prosodie in Bergs Liedern aufmerksam machen. Denn trotz der unterschiedlichen kompositorischen Ansätze weist die kompositorisch-melodisch Gestaltung beider Gesangspartien eine hoher Ähnlichkeit auf. Offenbar folgt Berg hier den schon im Gedicht angelegten melodiösen Tendenzen, die sich in beiden Kompositionen wie ein eigenes Kraftfeld gegenüber den tonalen oder reihentechnischen Organisationsprinzipien auswirken. Dieser Bezug zur Sprache ist nicht nur für Bergs, sondern allgemein für die Werke der Wiener Schule sehr charakteristisch und von grundlegender Bedeutung. Gleichzeitig stellt sich vor dem Hintergrund dieser Diagnose auch die Frage inwiefern die »neuen Formprinzipien« (Erwin Stein) wirklich als Bruch mit dem traditionellen Formprinzipien gesehen werden können.