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Musiktheorie zwischen historischer Dogmatik und „Anything goes“ –eine Standortbestimmung
Zeit:
Samstag, 05.10.2024:
14:00 - 15:30
Ort:Raum 9.222
Gebäude 9
Lipezker Str. 47
03048 Cottbus
Sitzungsthemen:
Damals und heute. Umbrüche im musiktheoretischen Fachdiskurs
Präsentationen
Vortragspanel Themen: Damals und heute. Umbrüche im musiktheoretischen Fachdiskurs Stichworte: Paradigmen, Werkanalyse, Methodenvielfalt, Dogmatik, Wissenschaftstheorie
Musiktheorie zwischen historischer Dogmatik und „Anything goes“ –eine Standortbestimmung
Stefan Mey, Philipp Sobecki, Martin Kohlmann, Sebastian Knappe, Joshua Bredemeier, Joris Leimbach, Nils Schäfer, Qiushi Li, Annette Grooß, Imke Constapel, Artur Kühfuß, Kaja Nieland
Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover
In der deutschsprachigen Musiktheorie dominiert derzeit ein historisierendes Paradigma. Demnach gelten „historische“ Methoden in der Regel als angemessener Rahmen musikalischer Analyse, während andere, später entstandene Methoden oftmals einem Legitimationszwang unterliegen. Dies kann mitunter bis zum Ausschluss bestimmter Methoden führen. Dabei droht jedoch ein vielfältiges Spektrum musikalischer Erfahrungen übersehen zu werden.
Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus zwölf Personen (Studierenden und Lehrenden), reagiert unter verschiedenen Gesichtspunkten auf diese Situation und geht in drei Vortragsabschnitten der Frage eines zeitgemäßen fachlichen Selbstverständnisses nach.
Im ersten Teil des Vortragspanels werden musiktheoretische Leitvorstellungen im Allgemeinen sowie das „historische“ Paradigma im Besonderen kritisch beleuchtet. Einleitend werden Ansprüche und Erträge historischer Prämissen für die musiktheoretische Arbeit anhand entsprechender Beispiele skizziert und nachvollzogen. Es wird diskutiert, inwiefern dieser Ansatz als verengend bzw. dogmatisch betrachtet werden kann. Daraus resultieren Fragen hinsichtlich vermeintlicher Selbstverständlichkeiten, die den Rahmen für die folgenden Abschnitte des Panels bilden.
Im Zentrum des Panels steht eine multiperspektivische Betrachtung der Klaviersonate op. 90 (erster Satz) von Ludwig van Beethoven. Durch Anwendung von Methoden, die nicht dem „historischen“ Paradigma zuzuordnen sind, werden unterschiedlichste analytische Erträge präsentiert. Diese Methoden (Neo Riemannian Theory, Generative Theory of Tonal Music, Formenlehre nach Ratz/Caplin u.a.) nehmen neben der Harmonik auch Metrik und Form der Musik in den Blick. Die Ergebnisse dieser Betrachtungen werden gesammelt und einer historisierenden Betrachtung desselben Werks gegenübergestellt.
Im abschließenden, dritten Teil des Panels wird eine vergleichende Bewertung der unterschiedlichen Analyseergebnisse vorgenommen. Dabei werden die analytischen Stärken jeder behandelten Methode ebenso reflektiert wie deren jeweilige Begrenzungen und „blinde Flecken“. In einem wissenschaftstheoretischen Rahmen werden Bewertungskriterien für Methoden und Theorien im Allgemeinen vorgeschlagen und auf die zuvor präsentierten Methoden angewandt. Dabei spielen Kernkonzepte wie „Realismus“, „Konvention“ und „Erfahrung“ sowie die Überlegungen Paul Feyerabends eine zentrale Rolle. Dessen umstrittene These „Anything goes!“ wird kritisch reflektiert und in ihrer Anwendbarkeit auf musiktheoretische Methoden geprüft. Argumente für eine Öffnung musiktheoretischer Standpunkte über ein verengendes bzw. einseitig „historisches“ Paradigma hinaus werden gesammelt und als Grundlage eines zeitgemäßen musiktheoretischen Selbstverständnisses präsentiert. Zu klären ist dabei unter anderem, welchen Grenzen ein solches Selbstverständnis unter den Prämissen pluraler musiktheoretischer Paradigmen gleichwohl unterliegt. Welche „roten Linien“ wären als Abgrenzung zu einem pauschalen und unreflektierten „Anything goes!“ zu ziehen?