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Der Sextakkord im Kantionalsatz – Eine Korpusstudie zum Einsatz von Sextakkorden in Heinrich Schützs "Becker-Psalmen"
Simon Fuhrmann
Hochschule für Musik Saar / Universität des Saarlandes, Deutschland
Die harmonische Schlichtheit des Kantionalsatzes im Vergleich zu seinen Nachfolgestilen ist ein Merkmal, wodurch er sich ideal für den Einstieg in das stilgebundene Schreiben homophoner Chormusik vor oder während des Musiktheoriestudiums eignet. Zu diesem Zweck sind bereits verschiedene Lehrwerke erschienen, die sich der Einführung in grundlegende Kompositionstechniken des Kantionalsatzes widmen; in neuerer Zeit etwa von U. Kaiser (2002) oder T. Daniel (2017).
Eine verbreitete Fehlannahme ist, dass im Kantionalsatzstil Sextakkorde gänzlich vermieden werden sollten. Bis heute hält sie sich hartnäckig, obwohl die obigen Lehrwerke bereits mehrfach darlegten, dass dem nicht so ist. So führen diese beispielhaft vor, welche Fälle es im Repertoire gibt, bei denen ein Sextakkordeinsatz gerechtfertigt scheint.
Der Vortrag widmet sich diesem Thema aufbauend auf einer Korpusstudie der gesamten Becker-Psalmen von Heinrich Schütz (Erstfassung 1628 / revidierte und erweiterte Fassung 1661). Anhand dieses Korpus, das den fortschrittlichsten Stand der Gattung seiner Zeit darstellt, soll gezeigt werden, dass Sextakkorde nicht nur aufgrund satztechnischer Notwendigkeiten, sondern auch gezielt als Stilmittel verwendet wurden. Diese These, die seit E. Wolf (1965) durchaus ihren Platz in der Lehre hat – unter anderem auch, um die ästhetische Seite des Kantionalsatzstils zu unterstreichen –, soll mittels einer systematischen Aufstellung aller Sextakkorde aus beiden Fassungen anhand der Kriterien Akkordstufe, stimmführungstechnische Behandlung, Verdopplungsnote sowie Position innerhalb des Verses oder der Strophe untermauert werden. Dabei wird gezeigt, dass bei bestimmtem Satz- und Kadenzmodelle mit kompositorischer Absicht der Sextakkord eingesetzt wird.
Abschließend wird auf die Diskussion eingegangen, ob der Sextakkord im theoriegeschichtlichen Umfeld eher als ein Substitut für den Terzquintakkord, als dessen funktionale Umkehrung oder als ein Zufallsprodukt aus der Stimmführung anzusehen sein sollte und ob sich diesbezüglich ein Unterschied zwischen den beiden Fassungen der Becker-Psalmen erkennen lässt. Somit trägt der Vortrag sowohl in satztechnisch praktischer als auch theoriehistorischer Hinsicht zum Verständnis des Kantionalsatzes bei.