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Struktur ohne Noten? Zur Relevanz des ›performative turn‹ für die Musiktheorie
Zeit:
Freitag, 04.10.2024:
15:00 - 15:30
Ort:Raum 7.112
Konzertsaal
Gebäude 7
Lipezker Str. 47
03048 Cottbus
Sitzungsthemen:
Damals und heute. Umbrüche im musiktheoretischen Fachdiskurs, Post-pandemic era, Internationalisierung und Digitalisierung. Herausforderungen der Musiktheorie in aktueller Forschung und Lehre
Präsentationen
Vortrag Themen: Damals und heute. Umbrüche im musiktheoretischen Fachdiskurs, Post-pandemic era, Internationalisierung und Digitalisierung. Herausforderungen der Musiktheorie in aktueller Forschung und Lehre Stichworte: Belcanto, Fachdidaktik Musiktheorie, Interpretationsforschung/Performance Studies, Musikanalyse, Popularmusik
Struktur ohne Noten? Zur Relevanz des ›performative turn‹ für die Musiktheorie
Kilian Sprau
Universität der Künste Berlin, Deutschland
1992 forderte Hermann Danuser im Neuen Handbuch der Musikwissenschaft (Bd. 11: Musikalische Interpretation) dazu auf, die künstlerische Leistung von Interpret*innen bei der Klangrealisation musikalischer Werke systematisch in die Musikanalyse einzubeziehen. Damit erwies sich die Musikforschung als bereit für den ›performative turn‹, der Geistes- und Sozialwissenschaften in den 1990er-Jahren grundsätzlich prägen sollte (vgl. Jost 2013). Im deutschsprachigen Raum entwickelte sich in der Folge die musikalische Interpretationsforschung, als deren angloamerikanisches Pendant etablierten sich die musikalischen ›Performance Studies‹. Letztere vollzogen, stärker noch als der deutschsprachige Diskurs, eine Absetzbewegung von traditionellen Verfahren der akademischen Musikanalyse: Die reine Notentextanalyse erfuhr Kritik als lediglich ›platonische‹ Bezugnahme auf den Gegenstand Musik (Cook 2013, 8–32). Emphatisch propagierten Performance Studies stattdessen analytische Ansätze, die auf das Musizierverhalten von Interpret*innen in konkreten performativen Kontexten, auch unabhängig von den Vorgaben der Partitur, abzielten (Leech-Wilkinson 2009). Die Musiktheorie hat auf diese Entwicklung in Publizistik und Forschung reagiert, prominent etwa in Themenausgaben der ZGMTH (Themenheft »Analyse und Aufführung« 2017/1; Sonderausgabe »Musikalische Interpretation als Analyse« 2021). Damit sind entscheidende Wegmarken gesetzt, doch bleibt weiterhin Diskussionsbedarf. Welche Relevanz hat der ›performative turn‹ für das Fach Musiktheorie? Inwieweit lassen sich traditionelle musiktheoretische Denkfiguren und Kategorien auf Nichtnotiertes und Nichtnotierbares übertragen? Inwieweit zielen sie andererseits schon immer auf Musik im Sinne eines performativen Ereignisses? Der Vortrag erprobt diese Gedankengänge mit Bezug auf drei stilistische Kontexte, in denen das Notat gegenüber der musikalischen Aufführung eine ostentativ sekundäre Funktion übernimmt: die Belcanto-Oper des 19. Jahrhunderts, den American Popular Song vor 1950 und den Popsong des späteren 20. und 21. Jahrhunderts. Er plädiert für eine Musikanalyse, die performative Entscheidungen von Musizierenden ebenso als Komponenten struktureller Zusammenhänge auffasst wie traditionell notierbare Elemente von Musik, und diskutiert Möglichkeiten, diese Art von Analyse in musiktheoretische Curricula zu integrieren.
Literatur: Danuser, H. (Hg.) (1992), Musikalische Interpretation (NHdMw 11), Laaber, 1–72 • Jost, Ch. (2013), »Der ›performative turn‹ in der Musikforschung«, Musiktheorie 28/4, 291–309 • Cook, N. (2013), Beyond the Score, Oxford • Leech-Wilkinson, D. (2009), The Changing Sound of Music, London