Veranstaltungsprogramm

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Sitzungsübersicht
Sitzung
Musiktheorie des 17. und 18. Jahrhundert
Zeit:
Samstag, 23.09.2023:
16:30 - 18:30

Chair der Sitzung: Florian Vogt
Ort: Raum 137 (Rhythmiksaal)


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Präsentationen
16:30 - 17:00

Fuge nach Maß? Eine Korpusstudie von 160 süddeutschen Orgelversetten

Derek Remes

Hochschule Luzern – Musik (CH)

»Meistens« »oft« »manchmal« »selten« – Solche Häufigkeitsadverbien sind fester Bestandteil der Satzlehre. Ihre kontextabhängige Bedeutung lässt jedoch großen Raum für Missverständnisse zu. Korpusstudien bieten eine Lösung an, indem sie einerseits den Kontext von vornherein festlegen, andererseits statistisch fundierte Aussagen ermöglichen. In der Fugenlehre können Aussagen wie »Meistens wird das Thema in der Dominante beantwortet« dadurch folgendermassen optimiert werden: »In den 160 Orgelversetten von F. Murschhauser, J. Fischer und Gottfried Muffat kommt eine Beantwortung in der Dominante in 66,9% der Fälle vor (n=442)«. In diesem Vortrag geht es darum die Ergebnisse genau dieser Korpusstudie von 160 Orgelversetten zu präsentieren und ihre Bedeutung für die Satzlehre auszuwerten.

Eine Vielzahl an Kriterien wurden in dieser Studie systematisch untersucht. Die 160 Versetten im Korpus wurden zu Beginn nach Taktart, Gesamtlänge, Anzahl der Themeneinsätze und Gesamtumfang kategorisiert. Auch die ersten und letzten Skalentöne von allen Fugenthemen, ihre Länge und ihr Tonumfang waren Bestandteil der Untersuchung. Die Ergebnisse entsprechen den zeitgenössischen Quellen: Alle Themen beginnen und enden mit Skalentönen 1, 3 oder 5. Als nächstes wurden sowohl »horizontale« als auch »vertikale« Dispositionen von dux (D) und comes (C) untersucht. Im gesamten Korpus gibt es nur fünf horizontale Dispositionen für die ersten vier Themeneinsätze: D-C-D-C (70,6%), D-C-C-D (20,6%), D-C-D-D (4,4%), D-D-C-C (3,1%) und D-D-C-D (1,3%). Die Art der Beantwortung weist ebenfalls eine klare Rangordnung auf: Dominante-real (36,4%), Dominante-tonal (30,5%), Subdominante-real (14,7%), Subdominante-tonal (12,2%), rückmodulierend-real (2,9%) und rückmodulierend-tonal (3,2%).

Solche Ergebnisse bieten Studierenden klare Richtlinien für ihre Stilkopien bzw. Analyse an. Die Festlegung des Korpus schützt auch gegen die Übergeneralisierung. Ein weiterer Vorteil ist, dass man beim Erstellen einer Statistik gezwungen wird die Kategorien, den Maßstab oder die Bedeutung von Begriffen präzise zu definieren. Dabei kommen Fragen auf, wie z. B. »Wie viele Töne müssen sich überlappen, um als Engführung zu gelten?« oder »Wo genau endet das Thema?« Im Endeffekt können die Kategorien bzw. Begriffe wertvoller als ihre Häufigkeits-Statistiken sein. Korpusstudien bergen aber auch Risiken, wie zu kleine Probengrößen oder den »Sein-Sollen« Fehlschluss.



17:00 - 17:30

Das „Rottenbucher Orgelbuch“ – ein Fundamentum zur süddeutschen Improvisationspraxis des 18. Jahrhunderts

Frederik Kranemann

Hochschule für Musik Freiburg, Deutschland

Unter der Signatur Mus. ms. 261 hat sich in der Bayerischen Staatsbibliothek München ein Manuskript mit dem Titel Fundamentum Seu Cantus Firmus Praeambulandi erhalten, dass aufgrund seines Entstehungsortes unter der Bezeichnung „Rottenbucher Orgelbuch“ bekannt ist. Die offensichtlich Fragment gebliebene und auf 1760 datierte Handschrift geht zumindest in Teilen auf heute verschollene theoretische Schriften von Johann Ernst Eberlin, Salzburger Hoforganist, Hofkapellmeister und Freund Leopold Mozarts zurück.

Ihre Entstehung zu Unterrichtszwecken zeigt sich in zahlreichen Ratschlägen an einen fiktiven „Discipulus“, dem zum Erwerb der wichtigsten Fähigkeiten eines improvisierenden Klosterorganisten in Süddeutschland um die Mitte des 18. Jahrhunderts leicht memorierbare Modelle und zeittypische, „galante“ Ausgestaltungen an die Hand gegeben werden: Zunächst werden bezifferte „Fundamental-Bässe“ (im Sinne der italienischen Partimento-Tradition) als musikalische Bausteine mitgeteilt, die in einem zweiten Teil mit kunstvollen Variationes ausgestattet werden. Hieran schließen sich typische „Gänge“, Consecutiven, Sequenzen aus Dissonanzketten und Kanonsequenzen an, die in der Salzburger Tradition Johann Baptist Sambers nach Intervall-Species geordnet werden. Das „Rottenbucher Orgelbuch“ stellt einen für die „historisch-informierte Improvisationspraxis“ seltenen wie wohl glücklichen Fall dar, die seinerzeit meist nur mündlich überlieferten, stiltypischen Ausgestaltungen grundlegender Satzmodelle im herrschenden Zeitgeschmack schriftlich wiederzugeben (vgl. Petrus Eder OSB, Ars PraeambulandiSalzburger Quellen zur Orgelimprovisation, in: Mozart-Jahrbuch 2014, S. 111–138, S. 121). Durch Auslassungen wie beispielsweise das Fehlen von Schlusskadenzen wird das selbstständige Fortführen gegebener Muster geübt. Schließlich werden die auswendig gelernten Bausteine als Exercitia praeambulandi zu Präludien und Versetten zusammengesetzt.

Im Nebeneinander von Modellen und „fertigen“ Kompositionen ermöglicht die Handschrift einen fruchtbaren Dialog zwischen improvisierter und aufgeschriebener Musik, im Rahmen dessen innerhalb ein und derselben Quelle das Verhältnis abgeschlossener „Werke“ zu ihren Entstehungsumständen reflektiert wird.

Im Rahmen des Beitrags soll untersucht werden, inwiefern unter dem Aspekt eines von künstlerischer Forschung geleiteten Handelns das „Rottenbucher Orgelbuch“ als historische Quelle auch heute noch Improvisierenden Methoden an die Hand zu geben vermag, die zu einem stilistisch sensiblen Umgang mit Satzmodellen innerhalb einer „historischer-informierten Improvisationspraxis“ führen können und inwieweit sich die dort vermittelten Verfahren auf andere Stilbereiche übertragen lassen.



17:30 - 18:00

Pierre-Joseph Roussier: ein Theoretiker im Schatten Jean-Philippe Rameaus.

Iris Domine

Schola Cantorum Basiliensis

Das musiktheoretische Schaffen Pierre-Joseph Roussiers (1716-1792) ist bis heute, gerade im deutschsprachigen Raum, wenig erforscht und rezipiert. So findet sich beispielsweise weder ein Eintrag zu seiner Persönlichkeit, noch zu seinen Schriften im MGG; im New Grove Dictionary ist lediglich eine knappe Zusammenfassung seines Schaffens aufgeführt. Die einzige Publikation, die sich ausführlich und ausschließlich mit seinem Werk befasst, ist die Dissertation von Richard D. Osborne, die 1966 an der Ohio State University veröffentlicht wurde: „The Theoretical Writings of Abbé Pierre-Joseph Roussier“.
Dabei handelt es sich bei Roussier um einen Musiktheoretiker, der die Ideen seines berühmten Kollegen Jean-Philippe Rameau in seinen eigenen musiktheoretischen Abhandlungen nicht nur aufgriff, sondern auch weiterentwickelte, und der zugleich in den lebhaften Diskussionen und der Musikforschung seiner Zeit mit den Enzyklopädisten eine wichtige Rolle spielte, wie ein an ihn gerichteter Brief von Jean-Jacques Rousseau belegt.
Sein Hauptwerk, der 1764 bereits mehrfach aufgelegte „Traité des Accords et de leur Succession selon le Système de la Basse-Fondamentale“, bietet einerseits eine kompakte Übersicht und Zusammenfassung des musiktheoretischen Systems des späten Rameaus, andererseits weist er mit der Vorstellung von „nouveaux accords“ im letzten Abschnitt – die auch an die Akkordlehre von Georg Andreas Sorge erinnern – eine zukunftsweisende Blickrichtung auf.



 
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