Veranstaltungsprogramm

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Sitzungsübersicht
Sitzung
Improvisieren/Alte Musik
Zeit:
Freitag, 22.09.2023:
16:30 - 18:30

Chair der Sitzung: Almut Gatz
Ort: Raum 156


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Präsentationen
16:30 - 17:00

Geordnetes Durcheinander – Formale Strategien in der Ensalada „El Fuego“ von Mateo Flecha dem Älteren

Elías Hostalrich Llopis

Schola Cantorum Basiliensis, Schweiz

Die „Ensaladas“ (zu deutsch: Salate) verdienen – unter anderem aufgrund ihrer außergewöhnlichen Vielfalt – ein eigenes Kapitel in der Geschichte der spanischen Renaissancemusik. Unter dem Begriff der „Ensaladas“ werden Werke zusammengefasst, die verschiedene Sprachen, Verslängen, Mensuren, literarische und musikalische Zitate sowie Elemente der Volksmusik und des Motettenstils innerhalb eines Werks miteinander verbunden, präsentieren. Das kompositorische Schaffen, die große Vielfalt von Zutaten zu einer Einheit zusammentreten zu lassen, ist hierbei auch namensgebend für die musikalische Gattung – Salat (Ensaladas).

Hierbei stellt sich unweigerlich die Frage, wie trotz der Integration ganz unterschiedlicher Teile kohärente und auf formaler wie dramaturgischer Ebene überzeugende Stücke geschaffen werden. Während es gründliche Forschungsarbeiten gibt, die die musikhistorischen Aspekte der Ensaladas untersuchen, ist die Untersuchung der musikalischen Ebene nach wie vor ein Desiderat. An dieser Stelle setzt mein Vortrag an.

Der Komponist Mateo Flecha der Ältere (1481-1553) gilt als federführend in dieser musikalischen Gattung. Am Beispiel von „El Fuego“, einer seiner längsten „Ensaladas“ (der Text umfasst über 100 Verse), soll aufgezeigt werden, mit welchen kompositorischen Mitteln ein derart langes Werk so konzipiert ist, dass trotz aller Abwechslung ein großer Zusammenhang erzielt wird.



17:00 - 18:00

Iberischer Kontrapunkt (Workshop)

David Mesquita

Hochschule für Musik Basel FHNW, Deutschland

Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert war die Iberische Halbinsel eine Hochburg der schriftlosen Mehrstimmigkeit. Zahllose Quellen belegen sowohl den usus der populären Polyphonie im breiten Volk als auch ein professionelles Singen nach Regeln (ratio). Insbesondere in den Kapellen der Kathedralen wurden die Sängerknaben (seises) jahrelang täglich trainiert, um die verschiedensten Sorten von Kontrapunkten zu improvisieren.

Auch wenn die Unterweisung der Knaben mündlich war und durch Training und Wiederholung geprägt war, gibt es auch eine lange Reihe von Traktaten aus Aragon, Kastilien und Portugal, die zahlreiche Informationen dazu enthalten. Einige der wichtigsten Quellen sind:

- Vicente Lusitano, Del Arte de Contrapunto, ca. 1550

- Juan Bermudo, Declaracion de instrumentos musicales, 1555

- Thomas de Sancta Maria, Arte de tañer fantasia, 1565

- Montanos, Arte de Musica, 1592

- Cerone, El Melopeo, 1613

- Lorente, El por que de la Musica, 1672

- Rabassa, Guia para principiantes, 1720

- Nassarre, Escuela Musica II, 1723

Ein tieferes Verständnis über die Techniken des improvisierten Kontrapunkts erlangt man jedoch nicht ausschließlich durch die Lektüre der Quellen, sondern vielmehr durch das eigene Improvisieren. Dafür ist es erforderlich, die in den Notenbeispielen „gefangene“ implizite Theorie zu befreien und sie mit den expliziten Anweisungen zu verknüpfen. Erst dann lässt sich daraus eine auf Quellen gestützte Methodik ableiten, um die Improvisationstechniken zu üben und zu meistern.

In einem zweistündigen Workshop sollen verschiedene Techniken des improvisierten Kontrapunkts nach iberischen Quellen praktisch umgesetzt werden:

- Contrapunto suelto (zweistimmig) nach Lusitano und Nassarre

- Fuga (Kanon) nach Thomas de Sancta Maria

- Contrapunto de dezenas nach Lusitano und Cerone

- Carreras nach Montanos und Nassarre

- Clausulas nach Lorente und Rabassa

- Passos nach Lusitano und Rabassa

Darüber hinaus werden zusammengesetzte Techniken geübt, bei denen verschiedene der oben erwähnten Sorten kombiniert werden:

- Contrapunto concertado als Kombination von Passos, Clausulas und Carreras, nach Montanos und Rabassa

- Kombination von Fugas und Contrapunto concertado nach Bermudo



18:00 - 18:30

"Möglich? Vielleicht. Aber nicht von mir." - Neusidlers und Terzis Lautenmusik

Ya'qub Yonas Nathem El-Khaled

Kunstuniversität Graz, Österreich

In der modernen Lautenistik wurde sowohl von musikwissenschaftlicher als auch von instrumentalpraktischer Seite häufig auf die enormen spieltechnischen Probleme aufmerksam gemacht, die den Werken einzelner Lautenkomponisten der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts innewohnen. Steht dieser Befund zwar unwidersprochen fest, so unterschieden sich doch die Umgangsweisen mit den problematischen Stücken: während in wissenschaftlichen Beiträgen lange die (unhinterfragte) Annahme populär war, dass Lautenisten wie Melchior Neusidler (ca. 1531-1594) oder Giovanni Antonio Terzi (ca. 1580-1620) ihre Werke genauso spielten, wie sie überliefert sind, vermieden moderne Praktikerinnen pragmatisch jene Teile des Repertoires, die ‚unspielbar‘ scheinende Passagen aufweisen. Dies wirft die Frage auf, ob Lautenisten früherer Zeiten schlichtweg versierter waren oder ob es andere Erklärungen für das gehäufte Auftreten von ‚unlautenistischen Passagen‘ in Lautenbüchern ab ca. 1550 gibt.

Melchior Neusidlers Werke eignen sich in besonderer Weise zur Untersuchung dieser Fragestellung, da sie erstens reich an spieltechnisch problematischen Passagen sind und zweitens in sehr unterschiedlichen Überlieferungsmedien erhalten sind, u. a. in Autographen, von Neusidler autorisierten Drucken und in Abschriften professioneller Lautenisten der Zeit. In vergleichenden Analysen konnte ich charakteristische Abweichungen feststellen, die von der jeweiligen Quellenart und ihrer Funktion abhängen. So stehen handschriftliche Tabulaturen dem Musizieren näher, wohingegen gedruckte Lautenbücher mit künstlerischem Anspruch die kompositorischen Qualitäten dokumentieren – unabhängig von der tatsächlichen Ausführbarkeit am Instrument. Dies bedeutet: die Gebrauchsfunktion von Manuskriptquellen garantiert die Möglichkeit der praktischen Umsetzung, wohingegen die Repräsentationsfunktion gedruckter Lautenbücher zu einer Priorisierung satztechnischer Korrektheit führt. In Zusammenarbeit mit renommierten Lautenistinnen und Gitarristen habe ich die Hypothese der quellenabhängigen Detailgestaltung von Lautenwerken auch praktisch überprüft. Hierbei entstanden Videoaufnahmen, die verdeutlichen, dass selbst Neusidler wohl keine ‚unlautenistischen Passagen‘ spielen konnte.

Ist die Überlieferungssituation weniger günstig als im Falle Neusidlers (und das ist sie in der Regel) können die gewonnenen Erkenntnisse auch auf andere Lautenmusik übertragen werden. Exemplarisch kann dies an den Lautenbüchern Giovanni Antonio Terzis erprobt werden, die „some of the most difficult music ever written for the lute“ (Paul O’Dette) enthalten.

Eine Neubewertung des Spannungsverhältnisses von ideellem Tonsatz und instrumentaler Reproduktion desselben hat sowohl für Interpretinnen als auch für Musikwissenschaftler weitreichende Implikationen und birgt das Potenzial, weithin vernachlässigtem Repertoire zu neuem Glanz zu verhelfen.



 
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