Veranstaltungsprogramm

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Sitzungsübersicht
Sitzung
Didaktik und Methodik der Musiktheorie und Gehörbildung
Zeit:
Freitag, 22.09.2023:
16:30 - 18:30

Chair der Sitzung: Hans Aerts
Ort: Raum 117


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Präsentationen
16:30 - 17:00

Satzlehre um 1200 als Verknüpfung von Wissenschaft und Kunst

Jörn Arnecke, Helmut Well

Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar, Deutschland

Die Musik um 1200 bildet den Anfang eines auf drei Semester zugeschnittenen Lehrgangs „Historische Satzlehre“, den die Referenten (ein Musikwissenschaftler, ein Musiktheoretiker) seit mehr als einem Jahrzehnt gemeinsam anbieten; hieraus wird ein Lehrbuch für das Selbststudium hervorgehen. Die Lehrveranstaltung richtet sich an Studierende aller Studiengänge – also sowohl aus den künstlerischen Fächern als auch an Musikwissenschaftler*innen und Musikpädagog*innen – und steht damit im Kontext einer künstlerischen Forschung. Gerade die Breite des Interessent*innen-Kreises führt immer wieder zu neuen Perspektiven und Fragestellungen, die über die enge Spezifik einzelner Themen hinausführen.

Im Vortrag stellen die Referenten beispielhaft vor, wie sie den Anfang des Kurses gestalten – in der Verbindung des „Vatikanischen Organumtraktats“ mit der (frühen) Praxis an Notre-Dame: Mit dem Traktat findet sich erstmals eine Lehrschrift, die sich dezidiert anhand von Einzelregeln auf einen variabel zu denkenden Satz bezieht. Zwei-, drei- und vierstimmige Sätze von Leonin und Perotin regen mit satztechnischen Übungen dazu an, die Theorie anhand von Regeln, Beispielen und Modellen zu erproben und über die Praxis zu hinterfragen. Dazu stellen Literatur und Film weitere Bezüge bereit, welche heutige Perspektiven auf das Mittelalter verraten und Reflexionen auslösen über den historischen Abstand und die Schwierigkeiten eines Zugangs – in künstlerischer und wissenschaftlicher Sichtweise.

Zur Diskussion gestellt wird damit auch eine Didaktik, die sich gleichermaßen auf Schriften stützt und auf satztechnische Aufgaben, für die bestimmte Aspekte aus Kompositionen herausgearbeitet werden.



17:00 - 17:30

Deeper Learning in der Musiktheorie?

André Stärk, Julian Habryka, Andreas Dorfner, Jens Uhlenhoff

Hochschule für Musik Detmold, Deutschland

Das Deeper-Learning-Konzept erfährt seit etwa 10 Jahren weltweit einen Boom und wird in immer mehr führenden Bildungsregionen eingesetzt. Dieses Lehr-Lernkonzept soll Kommunikation, Kollaboration, kritisches Denken und Kreativität dadurch fördern, dass nach einer Instruktionsphase die Lernenden in einer Konstruktionsphase selbstständig ein Projekt erarbeiten. Dieses soll schließlich (hochschul-)öffentlich präsentiert werden. (vgl. “Was ist Deeper Learning”, auf: Heidelberg School of Education, https://hse-heidelberg.de/hsedigital/hse-digital-teaching-and-learning-lab/deeper-learning-initiative/was-ist-deeper-learning, abgerufen am 30.03.2023, 18.47 Uhr)

Ein Team aus Musiktheorie-Lehrenden einer GMth-Mitgliedshochschule hat sich die Frage gestellt, ob dieses Konzept auch für den Musiktheorieunterricht einsetzbar ist und ein Konzept für das 1. Semester Musiktheorie entwickelt, das im Sommersemester 2023 dann mit 30 Studierenden durchgeführt wurde.

Die Referenten berichten über die Konzeptidee, die Schaffung geeigneter Strukturen, die Anpassung von Prüfungsmodalitäten, die Teamarbeit, Herausforderungen für den Unterricht, die Qualität der Lernergebnisse sowie die Feedbacks sowohl der Lernenden als auch der Lehrenden.



17:30 - 18:00

Gehörbildung im Labor

Manuel Durão1,2

1Staatliche Hochschule für Musik Trossingen, Deutschland; 2Staatliche Hochschule für Musik u. darstellende Kunst Mannheim, Deutschland

Gemeinhin wird akademische Gehörbildung mit dem Lösen von Musikdiktaten gleichgesetzt. In Prüfungssituationen geht es oft darum, Notenbilder anhand des Gehörten zu rekonstruieren. Dafür werden Musikbeispiele in Wiederholung vorgespielt. Die Erarbeitung der Lösung erfolgt in Stille. Das Überprüfen des Notierten wird der inneren Klangvorstellung vorbehalten. Genau diese innere Klangvorstellung steht in einer Gehörbildungsklausur auf dem Prüfstand – und zu Recht.
Das Lösen eines Musikdiktates sagt zwar etwas darüber, ob jemand das Gehörte in Notenschrift übersetzten kann. Es eignet sich deswegen als Bewertungs- und Diagnostikaufgabe. Im Unterricht ist sein Nutzen jedoch begrenzt. Wer das Gehörte innerlich nicht Nachhören kann, wird versuchen eine Lösung zusammen zu basteln in einer meist misslungenen Mischung aus Erratenem und Zufall. Das wiederholte Scheitern löst Frustration aus und vertreibt die Lust am Lernen.
Das Musikdiktat kann das letzte Ziel sein, aber nicht das erste. Das klassische Musikdiktat unterbindet ein essenzielles Teil des Prozesses der Wissensgewinnung: das Experimentieren. In dieser Hinsicht kann die Gehörbildung von einer wissenschaftlichen Herangehensweise profitieren: Von einer musikalischen Fragestellung ausgehend, werden über das Hören Daten erfasst und reproduziert. Daraus lassen sich Hypothesen über die strukturelle Beschaffenheit des musikalischen Satzes aufstellen, die durch das Musizieren sich als trefflich, fraglich oder unsinnig herausstellen. Dabei wird die innere Klangvorstellung in einem dynamischen Prozess mit dem real Klingenden konfrontiert, ständig revidiert und geschärft.
Um das Experiment ins Zentrum des Gehörbildungsunterrichts zu rücken, wird geeignetes Instrumentarium benötigt. Die Stimme und das eigene Instrument leisten dabei zwar gute Dienste, können aber für mehrstimmiges Ausprobieren ungenügend oder in Unterrichtssituationen unpraktisch sein. In diesem Vortrag wird gezeigt, welche methodischen und didaktischen Vorteile die Einrichtung eines Piano-Labs bietet. In einem Piano-Lab sind die individuellen Arbeitsplätze mit E-Pianos ausgestattet. Mit Kopfhörern können die Kursteilnehmenden für sich experimentieren, über Lautsprecher ihre Ergebnisse mit der Unterrichtsgruppe teilen. Ergänzt wird der Vortrag mit Erfahrungsberichten zum Einsatz des Piano-Labs an verschiedenen deutschen Musikhochschulen und mit einem Einblick in die technischen Anforderungen und Ausstattung.



18:00 - 18:30

Zugänge erweitern, Zugänge erleichtern - weitere Instanzen für die Gehörbildung

Konrad Georgi

Musikhochschule Freiburg, Deutschland

Vernetztes Lernen bedeutet Inhalte so zu verknüpfen, dass sie durch ein höheres Maß an Assoziationsmöglichkeiten leichter zu verstehen sind. Im Laufe der Evolution hat das erfolgreiche Aufsuchen einer Wasser- oder Nahrungsquelle bzgl. der Merkfähigkeit von Wegstrecken in der Regel zu signifikanten Veränderungen von Lernkurven geführt. Studien an Taxifahrern haben gezeigt, dass Voluminazuwächse in Arealen des Hippocampus mit der Anzahl von Berufsjahren korrelieren und in der Regel mit guten Gedächtnisleistungen einhergehen (Maguire, E.A./Gadian, D.G./Johnsrude, I.S./Frith, C.D. (2000): Navigation-related structural change in the hippocampi of taxi drivers).
Transferiert man den Grundgedanken anhand zurückgelegter Wegstrecken gute Erinnerungsleistungen zu generieren beispielsweise in die Gehörbildung, so ergeben sich mit der Verknüpfung von Klangereignissen an Streckenpunkten neue Möglichkeiten des Memorierens.

Ein ganzheitlich ausgerichteter Gehörbildungsunterricht verlässt sich nicht alleine auf die Reproduktion sensorischer Reize, die über den Hörsinn als sogenanntem Fernsinn zeitversetzt schriftlich erfasst werden, sondern implementiert neben der Stimme gerne auch weitere körpernahe Sinne, wie beispielsweise den Tast- und Bewegungsinn, sprich den Einsatz von Instrumenten zum Anlegen entsprechender Referenzen im Gehirn.

Auf dem Hintergrund, dass im menschlichen Körper die Anzahl tastsensibler Rezeptoren gegenüber der Anzahl von Rezeptoren anderer Sinnesorgane eindeutig überwiegt, erscheint es sinnvoll Aufgabentypen, die zum Erfassen, Kategorisieren und Deuten von Hörphänomenen Audio- und Bewegungssignale sowie das räumliche Orientierungsvermögen kombinieren, daraufhin zu erforschen, welchen Beitrag sie für die Entstehung einer passiv und aktiv agierenden musikalischen Klangvorstellung leisten können.

Das haptische ›Begreifen‹ von Musik mag so manchem Pianisten das Verstehen harmonischer Vorgänge erleichtern. Der Vortrag beschäftigt sich mit Aufgabentypen für die Gehörbildung, die über die Lerngruppe von Studierenden hinausgehend insbesondere auch für jüngere Zielgruppen den Zugang zum Verständnis und handlungsorientierter Verwendung von Klängen erleichtern möchten.



 
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