Veranstaltungsprogramm

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Sitzungsübersicht
Sitzung
Musik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts
Zeit:
Samstag, 23.09.2023:
14:30 - 16:00

Chair der Sitzung: Natasha Loges
Ort: Raum 117


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Präsentationen
14:30 - 15:00

Alexander Skrjabins Alchemie: Kann der Schein von Spektralismus bei Skrjabin durch Instrumentierung zur Wirklichkeit werden?

Hed Bahack

Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“

Die Pianistin Marilyn Nonken hat Skrjabin einen »Protospektralisten« genannt, er habe »ein intuitives Verständnis von Klangfarbe, Resonanz und von dem Verklingen des Klavierstons« (Nonken 2016). Nonken verweist auf von Skrjabin bespielte Klavierrollen und Berichte davon, wie subtil Skrjabin, während er gedruckte Noten nur sparsam mit Pedalangaben versah, das Haltepedal beim Spiel eigener Klavierstücke einsetzte. Zwar stellt Nonken Skrjabins Ästhetik und deren Gemeinsamkeiten mit spektralen Ansätzen ausführlich dar, doch behandelt sie keine konkreten Werke. Offen bleibt daher die Frage, welche Merkmale protospektralen Komponierens bei Skrjabin tatsächlich auftreten. Der Vortrag berichtet davon, wie dies durch eine instrumentatorische Versuchsanordnung im Detail erforscht wurde.

Spektralistische Komponisten betrachten Toneigenschaften wie Register, Dynamik, Klangfarbe oder Tonhöhen und die daraus gewonnene Harmonie als Einheit. Durch die kompositorische Thematisierung (harmonischer und inharmonischer) Spektren kommt es zum Einbezug von Mikrotönen, und wesentlich sind bei der Konzeption die Wahrnehmung und der Zeitverlauf. Für Gérard Grisey war der Spektralismus »keine geschlossene Technik, sondern eine Einstellung« (Grisey 2008). Wenn in Skrjabins Klaviermusik der Anschein von spektraler Musik nicht (wie Georg Friedrich Haas mit Skrjabins Op. 68 erprobte) durch ihr notiertes Musikmaterial erweckt wird, so vielleicht durch die Tatsache, dass der Komponist die Toneigenschaften als Einheit auffasste.

Vorgestellt wird in dem Vortrag ein Projekt, mit welchem protospektralen Eigenschaften von Skrjabins Klaviermusik zur Kenntlichkeit verholfen wurde. Ausgangspunkt war die Hypothese, dass eine instrumentatorische Ausarbeitung eine hintergründige protospektrale Harmonie zum Vorschein bringen kann. Während spektrale Resonanzräume sich über das Klavierpedal nur andeutungsweise erzeugen lassen, können jetzt Mikrotöne verwendet werden, sodass zwei Anforderungen an Spektralismus erfüllbar sind: Erstens können höhere Naturtöne vorkommen und zweitens ist auf diese Weise Inharmonizität erreichbar.

Für die Überprüfung der Hypothese habe ich die Forschungsmethode gewählt, kurze Ausschnitte ausgewählter Klavierwerke Skrjabins in jeweils mehreren Versionen für ein gemischtes Ensemble von Bläsern, Streichern und Klavier zu setzen. Die instrumentierten Ausschnitte wurden (mittels der Methode einer Befragung der ausführenden Musiker*innen) verglichen. Deutlich wurde, welche Instrumentierungen protospektrale Elemente verstärkten und ins Zentrum des Klanggeschehens rückten und wo im Gegenteil durch spektrale Manipulation der Anteil aufscheint, den inharmonische Resonanzräume bei der Konzeption von Skrjabins Klaviermusik hatten. Die Ergebnisse des Projekts werden auszugsweise während des Vortrags präsentiert.



15:00 - 15:30

Der Prometheus von Alexander Skrjabin: Revision der Farbenklavier-Stimme und neue Einblicke in die Klangzentrumharmonik

Unai Ruiz de Gordejuela

HMDK Stuttgart

Die Alleinstellungsmerkmale des Prometheus von Alexander Skrjabin (1909/10) bilden zwei zusammenhängende Aspekte: einerseits die Klangzentrumharmonik, die der Komponist hier zum ersten Mal in einem großen Orchesterwerk überaus konsequent anwendet und andererseits die Besetzung eines neuartigen Farbenklaviers. Der Grundstein der Klangzentrumharmonik Skrjabins ist der sogenannte Prometheus-Akkord, ein sechstöniges Gebilde, das mit seinen zwölf Transpositionen die einzige Quelle des gesamten harmonischen und melodischen Geschehens darstellt. Das Farbenklavier ist ein vom Komponisten konzipiertes Tasteninstrument, das zwölf verschiedene Farblichter strahlen kann. Diese Farben verbindet der Komponist synästhetisch mit den jeweils erklingenden Transpositionen. Aufgrund der Korrelation zwischen der Farbenklavier-Stimme und den verwendeten Transpositionen, bildet dieses Instrument ein unverzichtbares Werkzeug für die Analyse des Prometheus.

Impulsgebend für die Beschäftigung mit diesem Werk war die Tatsache, dass in der Literatur, trotzt der Begrenztheit an verfügbaren Akkorden innerhalb der Prometheus-Klangzentrumharmonik, keine Versuche unternommen wurden, die Harmonik dieses Stücks systematisch zu untersuchen. Dies könnte an der unklaren Notation der Farbenklavier-Stimme liegen, die in der Skrjabin-Forschung bereits bemängelt wurde und die in der aktuellen Eulenburg-Edition von 1980 weiterbesteht. Um eine zuverlässige Basis für die Analyse des Prometheus zu schaffen, wurde im Rahmen dieser Untersuchung der Farbenklavier-Part revidiert und neu geschrieben.

Die Analyse konzentriert sich auf zwei Aspekte, die neue Einblicke in die Klangzentrumharmonik Skrjabins geben sollen. Der erste Aspekt beschäftigt sich mit der Frage, ob im Prometheus alle zwölf Transpositionen des Klangzentrums gleichberechtigt behandelt werden, oder ob manche dieser Transpositionen auf irgendeine Weise den anderen übergeordnet sein könnten. Die Ganztönigkeit, die den Prometheus-Akkord prägt, deutet allerdings auf einen Doppel-Modus hin, der die Analyse in eine andere Richtung lenkt. Beim zweiten Aspekt geht es um das Verhältnis zwischen Klangzentrumharmonik und Sonatenhauptsatzform. Wie koexistieren eine von der Dur-Moll-Tonalität abhängige Form und dieses harmonische System? In der Klangzentrumharmonik Skrjabins lassen sich gleichzeitig Rückgriffe auf die Tradition und ein fortschrittliches Denken erkennen, die die Bezeichnung dieser Musik als tonal oder atonal erschweren.



15:30 - 16:00

The Song Writ Large: Vokale Inspiration und Intertextualität in der Instrumentalmusik Amy Beachs

Wendelin Bitzan

Robert Schumann Hochschule Düsseldorf, Deutschland

Komponist:innen der Wiener Klassik und vor allem des 19. Jahrhunderts haben häufig Elemente aus eigenen Liedkompositionen in späteren Werken wiederverwendet. Vokale Melodien können beispielsweise als Thema eines Variationensatzes oder als Vorlage für ein Instrumentalwerk in größerer Besetzung eingesetzt werden; Beispiele für ein solches Vorgehen finden sich in großer Zahl bei Franz Schubert sowie bei Fanny und Felix Mendelssohn, Robert und Clara Schumann, Franz Liszt, Johannes Brahms, Gustav Mahler und vielen anderen. Auch die US-amerikanische Komponistin Amy Beach (1867–1944) hat, in Anknüpfung an die genannten Vorbilder, verschiedene Strategien der Rekomposition von Gesangsthemen angewandt, die bei der Untersuchung von Kompositionstechniken in der Nachfolge der deutschsprachigen Liedkomponist:innen bisher weitgehend unbeachtet geblieben sind. Beachs eigenes umfangreiches Liedschaffen diente ihr, ebenso wie Volkslieder aus dem englischen, irischen und schottischen Raum, vielfach als Inspirationsquelle und Material für Klavierstücke, kammermusikalische und symphonische Werke. Ein erstes prägnantes Beispiel ist die Umarbeitung eines frühen Liedes, der Burns-Vertonung My luve is like a red, red rose op. 12 Nr. 3 (1887), zu der Ballade für Klavier op. 6 (1894): »the Ballad is the song writ large«, wie Beachs Biographin Adrienne Fried Block es ausdrückt.

In diesem Beitrag erörtere ich, inwiefern Amy Beachs Rückgriffe auf ihre früheren Vokalkompositionen über die Funktion von bloßen Zitaten oder adaptierenden Instrumentationen hinausgehen, indem sie eine intertextuelle und gattungsübergreifende Verbindung der beteiligten Kompositionen herstellen. Bei Wiederverwendungen dieser Art kann es zu einem re-working bzw. re-cycling im Sinne einer ersten und autonomen zweiten Fassung kommen, oder es entstehen Werkpaare, bei denen die spätere Komposition mit der früheren, auf der sie basiert, auf verschiedenen Ebenen interagiert und eine eigenständige Neuschöpfung hervorbringt, die mehr Transformation als Transkription ist. Das analytische Potential solcher generativen Wechselbeziehungen möchte ich anhand einiger weiterer Beispiele aus Beachs Schaffen, etwa der Gaelic Symphony op. 32 (1894–1896) und des viersätzigen Klavierkonzerts op. 45 (1899), darstellen.



 
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