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Sitzungsübersicht
Sitzung
Unterrichtsforschung Pariser Conservatoire (Panel)
Zeit:
Samstag, 23.09.2023:
11:30 - 13:00

Chair der Sitzung: Nathalie Meidhof
Ort: Raum 137 (Rhythmiksaal)


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Präsentationen
11:30 - 13:00

Unterrichtsforschung: Erkenntnisse aus dem Musiktheorie-Unterricht am Pariser Conservatoire im Zeitalter Cherubinis (1816–1842)

Claudio Bacciagaluppi1, Lydia Carlisi1,2, Vivian Domenjoz1,3, Gigliola Di Grazia1,4

1Hochschule der Künste Bern, Schweiz; 2Conservatorio della Svizzera Italiana - Lugano, Schweiz; 3Université de Lausanne, Schweiz; 4Hochschule für Musik Freiburg

Unter anderem dank der «Wiederentdeckung» des Partimento (Sanguinetti) ist der Nutzen einer praktischen Anwendung von historischen Formen im heutigen Musiktheorieunterricht und für die künstlerische Forschung allgemein erkannt worden. Allerdings stammt der Corpus der Partimento-Übungen hauptsächlich aus dem 18. Jahrhundert, spätere Entwicklungen werden traditionell als Niedergang angesehen (Sanguinetti). Viele wertvolle Studien zum Unterricht in Musiktheorie im 19. Jahrhundert sind bereits erschienen (Diergarten, Menke, Lehner), trotzdem kommen jüngere Übungsformen nur selten zur praktischen Anwendung. Dabei sind die Unterrichtsformen der Musiktheorie im frühen 19. Jahrhundert noch nicht mit dem überlieferten Theorie-Mainstream aus dem 20. Jahrhundert gleichzusetzten. Die drei Vorträge in diesem Panel (neben Einführung und Schlussdiskussion) zeigen die Erträge von Untersuchungen und experimentellen Anwendungen zum Unterricht in Musiktheorie am Pariser Conservatoire unter der Direktion von Luigi Cherubini. Sie ermöglichen eine stilgerechte, praktische Annäherung an eine vermeintlich allzu bekannte Musikepoche und eine künstlerisch forschende Auseinandersetzung vonseiten der Studierenden.

Claudio Bacciagaluppi wird in den Themenbereich einführen und die Forschungsgruppe vorstellen, die an der Hochschule der Künste Bern tätig ist. Bei ihrer Arbeit geht es um die Rekonstruktion der Unterrichtspraxis in Musiktheorie am Conservatoire in den 1810er- bis 1840er-Jahren. Die einzelnen Mitglieder der Forschungsgruppe haben aus den gewonnenen Einsichten Erfahrungen gesammelt, die direkt in ihre eigene Unterrichtspraxis eingeflossen sind.

Lydia Carlisi wird das Fach «harmonie et accompagnement pratique» unter die Lupe nehmen. Dieses Unterrichtsfach wandelte sich über die Jahre und schwankte zwischen seinen beiden Komponenten: Harmonielehre und Unterweisung im Generalbassspielen für die Begleitung der angehenden Sänger*innen. Es werden einige historische Methoden und Übungen vorgestellt, die als Anregungen für die Gestaltung des eigenen Harmonielehre-Unterrichts dienen können.

Vivian Domenjoz stellt eine konkrete Anwendung von «marches d’harmonie» oder Satzmodellen aus den Unterrichtsmaterialien von Luigi Cherubini für das Fach Komposition vor. Die Notizen von dessen Schüler Aimé Leborne zeigen interessanterweise, dass dieses Modell aus der Harmonielehre, das gewöhnlich als Propädeutikum behandelt wurde, nach sechs Jahre Kompositionsunterricht wieder aufgegriffen wird. Der Vergleich zwischen Cherubinis Behandlung des Chores im Rahmen seiner Opernmusik und Lebornes Übungen zeigt, wie dieses Satzmodell hilfreich für das Schreiben von mehrchöriger Musik angewendet werden kann, und eröffnet uns einen Einblick in die damalige Unterrichtsmethodik.

Gigliola Di Grazia wird Aspekte der Klavierpädagogik aus dem Umfeld des Conservatoire behandeln, beispielsweise von Friedrich Kalkbrenner, und ihre Relevanz für die heutige Praxis vorstellen. Damals wie heute spielt eine möglichst «verkürzte» Methodik eine wichtige Rolle für die Klavierstudent*innen, die sich bestimmte Kompetenzen so schnell wie möglich aneignen mussten, um in der Welt der Virtuos*innen konkurrieren zu können. Ergebnisse dieser «schnellen Pädagogik» sind beispielweise das Guide-mains (Méthode 1831), ein mechanisches Mittel, das das Erlernen der Grundlagen der Klaviertechnik erleichtern soll, und die angewandten Sequenzen (Traité 1849), die den Weg zum Präludieren abkürzen würden. Beide Aspekte bereichern das Spiel der heutigen Interpret*innen: Das Guide-mains eröffnet die Aussicht auf vielfältige Anschlagsmöglichkeiten; das Präludieren wiederum, das vor allem die Improvisationen der romantischen Pianist*innen prägte, ist heute noch nicht wieder selbstverständlicher Teil der Ausbildung in diesem Repertoire.

Abschliessend wird eine Diskussion über die vorgestellten Beispiele der Anwendung historischer Übungsmodelle im Plenum angeregt.



 
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