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Sitzungsübersicht
Sitzung
Keynotes 1: Lecture-Recital Hardy Rittner
Zeit:
Freitag, 22.09.2023:
10:15 - 11:00

Chair der Sitzung: Hans Aerts
Ort: Wolfgang-Hoffmann-Saal


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Präsentationen
10:15 - 11:00

Chopin und die Kunst der Gesanglichkeit. Musikalische Analyse an der Schnittstelle zwischen historischer Musikwissenschaft und instrumentaler Praxis

Hardy Rittner

Hochschule für Musik Freiburg, Deutschland

In seinen Ausführungen zur Vortragsweise von Chopins Werken betont Karol Mikuli die Bedeutung der musikalischen Analyse. Das analytische Verstehen von Musik ist für ihn nicht bloß abstrakt-theoretisches Wissen, sondern Voraussetzung für einen adäquaten interpretatorischen Zugriff. Das leuchtet besonders vor dem Hintergrund der Notation im 19. Jahrhundert ein, die noch nicht den Anspruch hatte, alle für das intendierte klangliche Resultat relevanten Vortragsnuancen minutiös abzubilden. Der Vortragende sollte und musste namentlich den Geist der Musik erfassen und daraus Entscheidungen für die Interpretation ableiten. Das gilt auch und im Besonderen für Chopin, der nicht selten auf nicht notierte Usancen zurückgreift. Sein Notentext ist vor allem dann herausfordernd, wenn es um gesangsführende mehrstimmige Strukturen geht. Diese können bei Chopin explizit manifest ausnotiert sein, „halbmanifest“, indem nur vereinzelt Töne durch zusätzliche Hälse hervortreten, oder latent, was bedeutet, dass die eigentlich beabsichtigte Mehrstimmigkeit quasi vollständig hinter der Notation verborgen bleibt. Letzteres verlangt eine Transferleistung vom Interpreten, denn es gilt, eigenständig Zusammenhänge zu erfassen und gesanglich umzusetzen, die der Notentext nicht (prominent) veranschaulicht. Genau an dieser Stelle zeigt sich die exponierte Bedeutung der musikalischen Analyse – nämlich als Bindeglied und eminente Schnittstelle zwischen historischer Musikwissenschaft und musikalischer Praxis. Denn: Bleiben Zeugnisse zu Chopins Spiel hinsichtlich der pianistischen Realisierung oft vage, so fördert das Aufspüren von latenter Mehrstimmigkeit konkrete Stellen zu tage, die eine gesangliche Ausführung nahelegen. In diesen Fällen ist die musikalische Analyse der methodisch entscheidende Ansatz, um den Schritt vom Quellenstudium in die Praxis vollziehen zu können.

Eine plausible Möglichkeit, Gesanglichkeit bei Chopin auszudrücken, liegt häufig im Überlegato, bei dem Töne über deren notierte Dauer hinaus ausgehalten werden.

Meine Präsentation wird eine Reihe derartiger Stellen sowohl theoretisch als auch praktisch am Instrument exemplifizieren. Weitere interpretatorische Erkenntnisse, die beleuchtet werden, betreffen die dynamische Ebene und das rechte Pedal.



 
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