Veranstaltungsprogramm

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
Bitte wählen Sie einen Ort oder ein Datum aus, um nur die betreffenden Sitzungen anzuzeigen. Wählen Sie eine Sitzung aus, um zur Detailanzeige zu gelangen.

 
 
Sitzungsübersicht
Sitzung
S2_1_1.318: Vortragssymposium: Wissen über den Umgang mit Vorstellungen zur biologischen Evolution: Erkenntnisse aus empirischen Studien in Kindergarten und Schule
Zeit:
Dienstag, 19.09.2023:
10:00 - 12:00

Chair der Sitzung: Prof. Dr. Ute Harms
Ort: 1.318

Gebäude 1, dritter Stock

Zeige Hilfe zu 'Vergrößern oder verkleinern Sie den Text der Zusammenfassung' an
Präsentationen

Wissen über und Umgang mit Vorstellungen zur biologischen Evolution: Erkenntnisse aus empirischen Studien in Kindergarten und Schule

Chair(s): Ute Harms (IPN Kiel), Daniela Fiedler (IPN Kiel)

Diskutant*in(nen): Ute Harms (IPN Kiel)

Die Evolutionstheorie ist das Kernstück der modernen Lebenswissenschaften. Nicht nur die Kenntnis wesentlicher Aussagen der Evolutionsbiologie, sondern auch das Formulieren wissenschaftlicher Erklärungen gehört zum Fundament naturwissenschaftlicher Bildung. Allerdings kommen empirische Untersuchungen zu Vorstellungen von Lernenden immer wieder zu dem Ergebnis, dass existierende Vorstellungen und daraus resultierende Erklärungen meist nicht den wissenschaftlichen Erklärungen entsprechen. Dies kann oft auf intuitive Vorstellungen aus der Kindheit zurückgeführt werden, die auf sognannten cognitive biases basieren und vielfach resistent gegenüber Interventionen sind. Häufig entwickeln Lernende dadurch unangemessene Vorstellungen und Erklärungen. Das übergeordnete Ziel dieses Symposiums ist es, neue Erkenntnisse der Vorstellungsentwicklung von Lernenden in frühen Jahren (im Kindergarten) bis zum Ende der Schulzeit (in der Oberstufe) sowie neue Forschungsansätze hierzu zu präsentieren und damit zum aktuellen Diskurs über gelingende Lernprozesse im Kontext der Evolution beizutragen. Im Beitrag 1 wurde ein Erhebungsinstrument in Form eines strukturierten Interviews entwickelt und getestet, um die Vorstellungen von Kindern zu den drei Prinzipien Variabilität, Vererbung und Selektion messbar zu machen. Im Beitrag 2 erfolgt dann der Sprung in die Schule, in welchem der Effekt des forschenden Lernens von Evolutionsprozessen am Beispiel bakterieller und digitaler Organismen auf die Vorstellungsentwicklung von Schülerinnen und Schülern untersucht wurde. Beitrag 3 wiederum erforscht, inwieweit eine Selbsteinschätzung der eigenen Vorstellungen das konzeptuelle Wissen über Evolution fördern kann, während Beitrag 4 sich der Methode des digitalen Concept Mappings bedient, um aus den entstandenen Concept Maps mithilfe von Methoden der Learning Analytics individuelle Lernverläufe der Lernenden ableiten zu können. Grundsätzlich beschäftigen sich alle Beiträge dieses Symposiums mit Vorstellungen zur biologischen Evolution sowie deren Messbarmachung oder Veränderung durch instruktionale Interventionen. Die Beiträge des Symposiums bieten damit individuelle Einblicke in Möglichkeiten und Schwierigkeiten zum Wissen über und Umgang mit Vorstellungen von Lernenden in Kindergarten und Schule.

 

Beiträge des Symposiums

 

Evolution im Kindergarten: Vorstellungen zur Evolution bei Kindergartenkindern messbar machen

Isabell Adler, Daniela Fiedler, Ute Harms
IPN Kiel

Trotz der zentralen Rolle der Evolution für das Verstehen der Biologie insgesamt zeigen Lernende aller Altersgruppen nach wie vor Schwierigkeiten, konzeptuelles Wissen zur Evolutionsbiologie aufzubauen. Vielfach wird argumentiert, dass die Integration des Themas in die frühkindliche Bildung das spätere Lernen in der Schule erleichtern könnte. Bisher gibt es jedoch keine adäquaten Verfahren, um entsprechende Lerngelegenheiten in dieser Altersstufe zu untersuchen. In dieser Studie entwickeln und testen wir daher ein Erhebungsinstrument in Form eines strukturierten Interviews mit dem die Vorstellungen von Kindergartenkindern zu den Evolutionsprinzipien Variabilität, Vererbung und Selektion messbar gemacht werden sollen. Dabei wurde ein theoretischer Rahmen zugrunde gelegt, der diese durch insgesamt zehn Schlüsselkonzepte erfasst (z. B. individuelle Variabilität, Fortpflanzung, Ursprung von Arten). Um den Einfluss zu berücksichtigen, den unterschiedliche Beispielorganismen auf die Antworten von Kindern haben können, haben wir eine ausgewogene Anzahl von Tier- und Pflanzenbeispielen gewählt. Die finale Fassung des Erhebungsinstruments umfasst 20 Fragen (jeweils zwei pro Schlüsselkonzept). Die Entwicklung des Erhebungsinstruments und des Kodierschemas zur Auswertung erfolgte in mehreren Pilotierungs-, Erhebungs- und Überarbeitungsschritten. Die Antworten werden während des Interviews mittels eines dreistufigen Kodierschemas auf dem iPad oder Tablet kodiert. Aktuell werden Daten in Deutschland und den USA erhoben, um das finale Instrument zu überprüfen. Bisher wurden 39 Kinder interviewt. Die Fragen erweisen sich bislang als altersgerecht, da die meisten Kinder sie ohne Schwierigkeiten beantworten können. Abgesehen von dem Konzept der Fortpflanzung zeigen sich bisher keine Unterschiede zwischen den Vorstellungen zu Tieren und Pflanzen. Im nächsten Schritt wird das Erhebungsinstrument in einer experimentellen Interventionsstudie zu den evolutionären Prinzipien eingesetzt werden. Zum Zeitpunkt der FDdB-Konferenz werden alle Interviews erhoben sein, sodass das Instrument sowie die Ergebnisse in ihrer Gesamtheit zur Diskussion gestellt werden können.

 

Evolution in Echtzeit: Förderung des Evolutionswissens durch Forschendes Lernen mit bakteriellen und digitalen Organismen

Katrin Hammerschmidt1, Daniela Fiedler2
1Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 2IPN Kiel

Ziel naturwissenschaftlichen Schulunterrichts ist die Vermittlung grundlegenden Wissens über Evolutionsprozesse, sodass Lernende fachlich adäquate Erklärungen formulieren können. Oft zeigen Erklärungen evolutionsbiologischer Phänomene aber eine Mischung aus fachlich korrekten Konzepten und sogenannter Fehlvorstellungen (bspw., dass aufgrund einer Umweltveränderung eine Veränderung oder Adaptation notwendig erscheint). Gerade im Schulunterricht bleiben die Konzepte und Prozesse der Evolutionsbiologie vielfach eher theoretischer Natur. Dabei zeigt die Lehr-Lern-Forschung, dass gerade forschendes Lernen unterstützend für den Wissenszuwachs sein kann. Ziel des hier vorgestellten Forschungsvorhabens ist daher die Bereitstellung schulischer Aktivitäten, die Evolution in Echtzeit erleb- und erforschbar machen, um dadurch wissenschaftlich adäquate Erklärungen formulieren zu können. Die Arbeit geht der Forschungsfrage nach, welchen Effekt forschendes Lernen zu Evolutionsprozessen am Beispiel bakterieller oder digitaler Organismen auf das Evolutionswissen von Schülerinnen und Schülern hat. Im Projekt wurden zwei schulische Aktivitäten für die Jahrgangsstufen 10/11 entwickelt, bei denen Lernende zugrundeliegende Evolutionsprozesse in bakteriellen bzw. digitalen Populationen untersuchen können. In einer Pilotierungsstudie wurde in einem Pretest-Posttest-Design die Durchführbarkeit der Aktivitäten und speziell die Auswirkung auf das Evolutionswissen untersucht. Es liegen vollständige Datensätze von 55 Schülerinnen und Schülern vor. Insgesamt lässt sich feststellen, dass nach der Intervention in beiden Gruppen ein höheres Evolutionswissen gemessen werden konnte, während die mittlere Anzahl vorhandener Fehlvorstellungen gesunken ist. Eine genauere Betrachtung der schriftlichen Erklärungen im Nachtest zeigt, dass die Gruppen in den Texten verstärkt unterschiedliche Schlüsselkonzepte aufgegriffen haben, gleichzeitig bei der Gruppe der bakteriellen Evolution aber auch eine leichte Anhäufung in Bezug auf typologische/essentialistische Formulierungen gefunden werden konnte. Die Ergebnisse zeigen, dass forschendes Lernen mit bakteriellen oder digitalen Organismen zu einer Verbesserung des Evolutionswissen und schriftlicher Erklärungen beitragen kann.

 

Selbsteinschätzung der eigenen Vorstellungen von Evolution in der Oberstufe

Tim Hartelt, Helge Martens
Universität Kassel

Cognitive biases – wie z. B. Teleologie, Anthropomorphismus und Essentialismus – beeinflussen Schüler:innenvorstellungen zu biologischen Themen, insbesondere zum Thema Evolution. Diese intuitiven Vorstellungen sind Schüler:innen meist nicht bewusst, haben sich als weitgehend resistent erwiesen, können den Erwerb fachlicher Vorstellungen (key concepts) behindern und koexistieren nach dem Unterricht häufig mit diesen fachlichen Vorstellungen. In dieser Studie soll untersucht werden, inwieweit eine Selbsteinschätzung der eigenen Vorstellungen das konzeptuelle Wissen über Evolution fördern kann. Im Allgemeinen wird für Selbsteinschätzungen ein positiver Effekt auf den Lernerfolg berichtet, jedoch fehlen bisher biologiedidaktische Studien, die den Effekt auf Schüler:innenvorstellungen untersuchen. Daher wurde eine randomisierte, experimentelle Interventionsstudie im Prä-Post-Follow-Up-Test-Design in der Oberstufe mit 2 Gruppen (mit/ohne kriteriengeleiteter Selbsteinschätzung der eigenen intuitiven und fachlichen Vorstellungen) durchgeführt (N = 602). Die Interventionsgruppe nutzte im Post-Test bei der Erklärung evolutiver Veränderungen mehr key concepts als die Kontrollgruppe, jedoch gab es keine Effekte hinsichtlich der verwendeten cognitive biases sowie im Follow-Up Test. Bei der Selbsteinschätzung wurden vorliegende fachliche Vorstellungen durch die Schüler:innen prozentual häufiger erkannt als intuitive Vorstellungen. Die Exaktheit der Selbsteinschätzungen (= Übereinstimmung zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung) hing positiv mit dem Lernzuwachs vom Prä- zum Posttest hinsichtlich key concepts, jedoch nicht hinsichtlich der Vermeidung von cognitive biases zusammen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Schüler:innen zu einem gewissen Grad dazu in der Lage sind, ihre eigenen Vorstellungen korrekt einzuschätzen, und dass eine Selbsteinschätzung der eigenen Vorstellungen einen geeigneten Instruktionsansatz darstellen kann, das konzeptuelle Wissen über Evolution zu fördern. Es bleibt weiterhin zu untersuchen, wie die Exaktheit der Selbsteinschätzungen (insbesondere hinsichtlich intuitiver Vorstellungen) sowie der Lernerfolg durch Selbsteinschätzungen weiter gefördert werden können.

 

Rekonstruktion individueller Lernverläufe zu Evolutionsfaktoren: Ergebnisse einer quantitativen Untersuchung mittels Learning Analytics

Berrit Czinczel, Daniela Fiedler, Ute Harms
IPN Kiel

Dieser Beitrag beschreibt Lernverläufe zu Evolutionsfaktoren, die durch die Auswertung digital erstellter Concept Maps mithilfe von Methoden der Learning Analytics identifiziert wurden. Die Betrachtung individueller Lernverläufe ermöglicht eine frühzeitige Identifikation von Lernhindernissen und bietet damit Ansatzpunkte für eine stärker individualisierte Unterrichtsentwicklung. Es wurde eine hybride Unterrichtseinheit zum Thema Evolutionsfaktoren im Umfang von zehn Doppelstunden entwickelt, in der digitale Aufgabenformate in Moodle mit bewährten Materialien und Sozialformen im Klassenraum kombiniert wurden. Die digitale Umsetzung erlaubt das Sammeln von Daten aus Vor- und Nachtestungen, verschiedenen digitalen Aufgabenformaten sowie den Prozessdaten aus der Bearbeitung der Einheit. Im Rahmen der Unterrichtseinheit führen die Lernenden der Sekundarstufe II (N = ~300) zunächst ein Methodentraining zum Concept Mapping durch und erstellen dann im Verlauf der Unterrichtseinheit insgesamt fünf Concept Maps zum Thema Evolutionsfaktoren in Moodle. Aus diesen Concept Maps sollen individuelle Lernverläufe der Lernenden abgeleitet werden. Dazu werden eine Analyse der verwendeten Schlüssel- und Schwellenkonzepte, sowie der Vergleich mit einer theoretisch konstruierten Master Map herangezogen. Die Unterrichtseinheit wird im laufenden Schuljahr 2022/23 an Schulen durchgeführt. Vorläufige Ergebnisse können aus den Vor- und Nachtestungen sowie den finalen Concept Maps der ersten Lerngruppen abgeleitet werden. Die finalen Concept Maps der Lernenden zeigen eine starke Heterogenität in Bezug auf die verwendeten Konzepte. Insbesondere die Konzepte Genfluss und Zufall werden nur selten verwendet. Aus den Ergebnissen der Vor- und Nachtestung wiederum zeigen sich signifikante Wissenszuwächse insbesondere zu den Konzepten Evolution, Variation und Vererbung. Eine detaillierte Analyse der individuellen Lernverläufe aus den Concept Maps und Testdaten werden vorgestellt und diskutiert.



 
Impressum · Kontaktadresse:
Datenschutzerklärung · Veranstaltung: FDdB-Tagung 2023
Conference Software: ConfTool Pro 2.8.101
© 2001–2024 by Dr. H. Weinreich, Hamburg, Germany