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Sitzungsübersicht
Sitzung
S2_1_1.319: Vortragssymposium: Interessensforschung in der Biologiedidaktik - Methoden, Kontexte und Erträge
Zeit:
Dienstag, 19.09.2023:
10:00 - 12:00

Chair der Sitzung: Prof. Dr. Volker Wenzel
Chair der Sitzung: Prof. Dr. Annette Scheersoi
Chair der Sitzung: Prof. Dr. Matthias Wilde
Ort: 1.319

Gebäude 1, dritter Stock

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Präsentationen

Interessenforschung in der Biologiedidaktik – Methoden, Kontexte und Erträge

Chair(s): Volker Wenzel (Goethe Universität Frankfurt am Main, Deutschland), Annette Scheersoi (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn), Matthias Wilde (Universität Bielefeld)

Die Bedeutung von Interesse für das Lernen und die Leistung von Schüler*innen ist vielfach belegt. Interesse wird dabei als eine dynamische Beziehung zwischen einer Person und einem Interessengegenstand (Thema, Objekt, Tätigkeit, Ereignis) angesehen. Die Auseinandersetzung mit dem Interessengegenstand kann sich in positiven Gefühlen (emotionale Komponente) und in einer persönlichen Wertschätzung des Gegenstands (wertbezogene Komponente) ausdrücken. Zudem besteht bei positiver Ausprägung der Interaktion das Bedürfnis, das Wissen über den Gegenstandsbereich zu erweitern (kognitive Komponente). Man unterscheidet das stabile individuelle Interesse als dauerhafte Disposition einer Person vom vorübergehenden situationalen Interesse. Letzteres stellt einen zeitlich begrenzten Zustand dar, der durch die Merkmale der Lernumgebung angeregt wird.

Schüler*innen können ein Interesse an Themenfeldern oder spezifischen Themen (z. B. Bau und Leistung des menschlichen Körpers) entwickeln. Sie interessieren sich grundsätzlich mehr für biologische Themen, die in alltagsrelevanten, persönlich bedeutsamen Kontexten stehen, als für allgemeine biologische Inhalte. Fachliche Kontexte (z. B. gesundheitsbewusstes Leben) werden von Schüler*innen im Vergleich zu entsprechenden Inhaltsfeldern (z. B. Bau und Leistung des menschlichen Körpers) als interessanter bewertet.

Die Auswahl und Gestaltung der Lernumgebung spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Interesse. Evidenzen liegen beispielsweise für die interessenförderliche Wirkung von authentischen Kontexten – z.B. an außerschulischen Lernorten – vor. Außerdem wirken sich Ansätze des forschenden Lernens positiv auf die Interessenentwicklung aus, besonders, wenn diese neben Hands-on-/ auch Minds-On-Erfahrungen ermöglichen. Der Reiz des Neuen (Novelty) kann sich ebenfalls positiv auswirken. Hierbei spielen besonders Diskrepanz- und Überraschungserlebnisse eine Rolle, aber auch neuartige, ungewohnte Einblicke und Perspektiven. Nicht zuletzt geht es bei den Erfahrungen während der Person-Gegenstands-Auseinandersetzung auch um die Erfüllung der drei psychologischen Grundbedürfnisse, der basic needs: Für die interessenförderliche Bedeutung des Erlebens von Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit liegen zahlreiche Wirksamkeitsnachweise in schulischen und außerschulischen Lernkontexten vor.

 

Beiträge des Symposiums

 

Situtationales Interesse messen: Entwicklung und Anwendung der dreidimensionalen Situational Interest Short Scale (SISS)

Matthias Winfried Kleespies, Paul Wilhelm Dierkes
Goethe Universität Frankfurt am Main

Interesse ist ein wichtiger Indikator für den Lernerfolg und die spätere Wahl von Studienfächern. In der Person-Gegenstandstheorie wird Interesse als eine besondere Beziehung zwischen einer Person und einem Interessensobjekt bezeichnet. Ein solches Interessensobjekt kann dabei ein Thema, eine konkrete Sache, eine abstrakte Idee oder ein Fach in der Schule sein. Dabei setzt sich Interesse aus drei Komponenten zusammen: dem kognitiven, emotionalen und wertbezogenen Interesse. Obwohl gerade das situationale Interesse, welches durch eine konkrete Situation ausgelöst werden kann und als Grundlage für das längerfristige individuelle Interesse gilt, von besonderer Bedeutung ist, gibt es aktuell kaum Befragungswerkzeuge, die aus wenigen, einfach formulierten Items bestehen und gleichzeitig die Komponenten des Interessenkonstrukts statistisch nachweisbar abbilden. Daher wurden in dieser Untersuchung quantitative Items aus der Interessenstheorie abgeleitet, um die Situational Interest Short Scale (SISS) zu entwickeln. Im ersten Analyseschritt wurde die Faktorstruktur der Skala mittels einer explorativen Faktoranalyse (EFA; n = 480) untersucht. Die Ergebnisse wurden anschließend mittels konformistischer Faktoranalysen (CFA) an einer zweiten Stichprobe (n = 411) überprüft. Um die Anwendbarkeit der Skala im Schulkontext zu bestätigen, wurden zwei Bildungsprogramme (mit dem Schwerpunkt Amphibien und Spinnen) in inklusiv beschulten Klassen mit der SISS evaluiert.

Die EFA konnte eine Aufteilung der Items nach den drei Interessenskomponenten (emotional, kognitiv, wertbezogen) feststellen. Die anschließende CFA bestätigte dieses Ergebnis. Hohe Faktorladungen (> 0,500) als auch akzeptable Cronbachs Alpha Werte (> 0,700) deuteten auf die Reliabilität des Messinstrumentes hin.

Bei der praktischen Anwendung der Skala zur Evaluation der Unterrichtskonzepte konnte zudem festgestellt werden, dass sich die Interessenskomponenten innerhalb der Bildungsprogramme deutlich unterscheiden. Durch die dreifaktorielle Struktur ist es möglich zu überprüfen, welche der drei Interessenskomponenten durch ein Bildungsprogramm angesprochen wird. Damit liefert die vorliegende Untersuchung sowohl für Forschende als auch für Praktiker ein effektives Tool, um das situationale Interesse von Bildungsprogrammen zu evaluieren.

 

Online- versus Real-Führungen im Zoo und Museum Auswirkungen auf das Interesse von Schüler*innen an Tieren

Michael Kubi, Volker Wenzel
Goethe Universität Frankfurt am Main

Während der Corona-Pandemie waren viele außerschulische Lernorte wie Zoos und Museen über längere Zeit geschlossen. Um Schüler*innen und Lehrkräften auch unter Pandemiebedingungen die Möglichkeit zu bieten, diese Lernorte zu besuchen, wurden für das Naturmuseum Senckenberg und den Zoo Frankfurt Online-Führungen speziell für Schulklassen entwickelt und durchgeführt.

Dabei wurden die Schüler*innen über eine Videokonferenzsoftware live ins Museum bzw. Zoo geschaltet und von einem Guide geführt, der wiederum von einer zweiten Person gefilmt wurde. Durch dieses Setting war es für die Guides möglich, ganz ähnlich wie in einer Präsenzführung zu agieren, um so ein möglichst authentisches Führungserlebnis zu ermöglichen.

Nach dem Wegfall der Kontaktbeschränkungen wurden dann identische Führungen im Zoo und Museum als Real-Führungen in Präsenz durchgeführt, um deren motivationale Wirkungen mit denen der Online-Führungen zu vergleichen. Ziel war es, den Einfluss von originalen Begegnungen bzw. deren virtuelle Repräsentationen in außerschulischen Kontexten (Naturkundemuseum und Zoo) zu untersuchen.

Um die Wirkungen beider Vermittlungsformate zu untersuchen und miteinander zu vergleichen, wurden insgesamt 500 Schüler*innen in einem Prä-/Post-/Follow-up – Design schriftlich befragt.

Während Online-Führungen im Zoo keine signifikanten Auswirkungen auf das Interesse an rezenten Tieren hatten, konnte bei den Realführungen eine deutliche und signifikante Steigerung des Interesses gemessen werden. Hier trugen insbesondere die emotionale und wertbezogene Komponente zu der Steigerung des Interesses bei. Neben den authentischen Erfahrungen mit Realobjekten können diese Ergebnisse auch auf positive Gruppenerlebnisse zurückgeführt werden.

Eine ähnlich deutliche Überlegenheit der Präsenzführungen konnte im Museum nicht gezeigt werden. Beide Führungsarten zeigten positive Effekt auf das Interesse an ausgestorbenen Tieren. Hier können pandemiebedingte Effekte (Lockdown) eine stärkere Rolle gespielt haben als im Zoo.

 

Zur interessensförderlichen Wirkung von Schülerlaboren

Tim Kirchhoff1, Matthias Wilde1, Nadine Großmann2
1Universität Bielefeld, 2Universität zu Köln

Um dem abnehmenden Interesse an Naturwissenschaften von Schüler*innen entgegenzuwirken, haben sich Schülerlabore als außerschulische Lernorte etabliert. Hier können Schüler*innen Hands-on Experimente in einem authentischen Kontext und gut ausgestatteten Labor durchführen. Bislang fehlen jedoch Studien, welche die interessenförderliche Wirkung von Schülerlaboren auf einen Vergleich mit dem Lernort Schule stützen. Daher wurde in der vorliegenden Studie untersucht, inwiefern sich das situationsspezifische Interesse von Schüler*innen beim Experimentieren in einem Schülerlabor im Vergleich zur Schule unterscheidet. Hierzu haben insgesamt 461 Schüler*innen (Alter: M=16.55 Jahre, SD=0.77 Jahre; 62% weiblich) in einem Schülerlabor (n=246) oder in der Schule (n=215) experimentiert. Zunächst wurde das Sachinteresse an Biologie der Schüler*innen erhoben. Anschließend führten sie in Gruppenarbeit drei Experimente innerhalb von 180 Minuten durch. Hierbei verwendeten sie für den jeweiligen Lernort typische Materialien. Zudem wurden beide Treatments von den gleichen Lehramtsstudierenden durchgeführt. Im Anschluss an die Experimente wurde das situationsspezifische Interesse erhoben. Konträr zur Annahme konnten für das situationsspezifische Interesse im Vergleich der Lernorte keine Vorteile des Schülerlabortreatments festgestellt werden. Überraschenderweise zeigten sich in der wertbezogenen Komponente sogar Unterschiede zugunsten des Schultreatments (F(1,457)=7.68, p<.01, η2=.02; Schülerlabor: M=2.36; SD=0.84; Schule: M=2.51; SD=0.80). In Bezug auf die emotionale und kognitive Komponente wurden keine Unterschiede festgestellt (emotional: F(1,457)=3.71, p=0.055; epistemisch: F(1,457)=0.06, p=0.813). Insgesamt zeigen die Befunde auf, dass Hands-on Experimente im regulären Biologieunterricht ähnlich positive motivationale Effekte haben können wie im Schülerlabor. Dennoch sind Ausflüge zu einem Schülerlabor lohnenswert, da sie den Biologieunterricht ergänzen und niederschwellige Zugänge zu Laborarbeiten sowie Einblicke in ein wissenschaftliches Labor ermöglichen können.

 

Effekte der Nutzung gestufter Lernhilfen während der Auswertung eines Experimentes im Biologieunterricht auf das situationale Interesse der Lernenden

Svea Isabel Kleinert1, Kris-Stephen Besa2, Matthias Wilde1
1Universität Bielefeld, 2Westfälische-Wilhelms Universität Münster

Biologie- und Naturwissenschaftsunterricht zeichnet sich durch eine heterogene Schüler:innenschaft aus. Unterschiede zwischen den Schüler:innen können sich hinsichtlich ihres soziodemografischen Hintergrund, ihres Interesses und ihrer Motivation zeigen. Neben der beschriebenen Heterogenität der Lernenden kann zudem ein Rückgang im Interesse an Biologie während der Schullaufbahn beobachtet werden. Die Durchführung von Experimenten im Biologieunterricht könnte diesem Abfall des Interesses entgegenwirken. Offenes Experimentieren und insbesondere die Auswertung von Experimenten bereitet den Schüler:innen jedoch Schwierigkeiten, vor allem wenn die Lernenden unterschiedliche Lernvoraussetzungen aufweisen. Um komplexe experimentelle Prozesse im Biologieunterricht zu vermitteln, sind Instrumente zur Differenzierung notwendig. Gestufte Lernhilfen könnten als instruktionale und binnendifferenzierende Instrumente eingesetzt werden, um selbständiges Experimentieren im Biologieunterricht zu ermöglichen. Zusätzliche gestufte Lernhilfen im Mathematikunterricht könnten die Schwierigkeiten bei der mathematischen Auswertung komplexer Experimente adressieren. In der vorliegenden Studie wurde daher der Einfluss der Nutzung gestufter Lernhilfen bei der Auswertung eines Experimentes im Biologieunterricht und im Mathematikunterricht auf das situationale Interesse der Schülerinnen untersucht. 74 Lernende (59.1% weiblich; MAlter=16.36±1.78 Jahre) führten ein biologisches Experiment durch und werten dieses aus. Im Mathematikunterricht wurden diese Schüler:innen zum Themenfeld der linearen Funktionen im Mathematikunterricht unterrichtet. Die Mathematikeinheit war explizit mit der Datenanalyse des Experiments verknüpft. In einem Prä-Post-Untersuchungsdesign wurden Daten zum individuellen und situationalen Interesse der Schüler:innen im Biologieunterricht erhoben. Die Befunde einer multivariaten Kovarianzanalyse zeigten signifikante Effekte des individuellen Interesses auf das situationale Interesse der Schüler:innen. Darüber hinaus wurden signifikante Einflüsse des Treatments auf die wertbezogene Komponente des situationalen Interesses der Schüler:innen und deskriptive Unterschiede hinsichtlich der Subskalen emotional und kognitiv zugunsten der Schüler:innen festgestellt, die während des Auswertens des Experimentes gestufte Lernhilfen verwendeten. Somit könnte die Nutzung von gestuften Lernhilfen während des Experimentierens eine nützliche Unterstützung sein, um das Interesse der Schüler:innen im Biologieunterricht zu fördern.

 

Untersuchungen zum Potential von Zoos für die Entwicklung von Interesse an Biodiversitätsschutz

Jana Schilbert, Annette Scheersoi
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Durch menschlichen Einfluss sterben zunehmend Tier- und Pflanzenarten aus. Vor diesem Hintergrund spielt der Schutz von Biodiversität eine wachsende Rolle. Viele Institutionen, zum Beispiel Zoos, haben sich das Ziel gesetzt, dem Biodiversitätsverlust durch Bildungsmaßnahmen entgegenzuwirken. Durch Naturerfahrungen kann das Interesse an Natur gefördert werden, welches sich wiederum positiv auf die Bereitschaft zum Umweltschutz auswirken kann. Tierbegegnungen in Zoos stellen eine besondere Art der Naturerfahrung mit einem großes Potential zur Förderung des Besucher:inneninteresses dar. Dieses Forschungsprojekt beschäftigt sich mit der Frage, wie Interesse an Biodiversitätsschutz als abstrakter Interessengegenstand durch die Begegnung mit Zootieren gefördert werden kann.

Eine systematische Literaturrecherche (Studie 1) sowie Interviewstudien mit Zooexpert:innen und Besucher:innen (Studie 2) zeigen, dass es kein einheitliches und konsistentes Verständnis des Begriffs Biodiversitätsschutz gibt. In einer Interviewstudie mit Besucher:innen (Studie 3) wurde deutlich, dass Schilder die häufigsten Anknüpfungspunkte für das Thema Artenschutz im Zoo sind. Wie auf dieser Grundlage zu erwarten, zeigt eine Beobachtungstudie (Studie 4), dass Biodiversitätsschutz keine Rolle während der Tierbegegnung an sich spielt. Wenn auch situationales Interesse an den Zootieren selbst beobachtet werden konnte, wird das situationale Interesse für Biodiversitätsschutz durch die Tierbegegnung alleine nicht geweckt.

Basierend auf diesen Ergebnissen wurden Hypothesen für die Gestaltung der Lernumgebung Zoo formuliert, die sich darauf beziehen, wie der abstrakte Interessengegenstand Biodiversitätsschutz möglichst inhaltlich umfangreich adressiert werden kann und dabei die Tierbegegnung als Besonderheit des Lernort Zoos miteinbezogen wird. Grundlegende Überlegungen zur Interessenförderung von abstrakten Gegenständen werden vorgestellt und diskutiert.



 
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