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S2_1_1.203: Vortragssymposium: Reflexivität in der Lehrkräftebildung
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Reflexivität in der Biologie-Lehrkräftebildung Reflexivität in der Lehrkräftebildung ist seit den 1960er-Jahren im Diskurs (Reflective Practitioner) und hat insbesondere im Rahmen der “Qualitätsoffensive Lehrerbildung” einen deutlichen Aufschwung genommen. Auch für die Biologie-Lehrkräftebildung wurde an verschiedenen universitären Standorten eine Reihe von Maßnahmen entwickelt, etabliert und in einen nicht zuletzt auch theoretischen Diskurs zur Weiterentwicklung der reflexionsbezogenen Modellierungen und Operationalisierungen überführt. Im Symposiums werden einschlägige Maßnahmen zur Förderung der Reflexivität in der Lehrkräftebildung zusammengetragen, mit dem Ziel: (a) die Modellierungen und Umsetzungen der Maßnahmen zur Förderung der Reflexivität (angehender) Biologielehrkräfte vorzustellen, (b) sich über die theoretischen Grundlagen der Maßnahmen auszutauschen und diese abzugleichen, (c) um gemeinsam mit den Teilnehmer:innen am Symposium ein idealerweise geteiltes Verständnis des Aufbaus eines reflexiven Habitus in der Biologiedidaktik zu entwickeln, Synergien zu identifizieren und diese für die theoretische wie praktische Weiterentwicklung zu nutzen. Die Beiträge adressieren jeweils spezifische Aspekte der Förderung von Reflexivität und Reflexion in der Biologie-Lehrkräftebildung: - “Videobasierte Fallarbeit zur Anbahnung der fachspezifischen Reflexionsfähigkeit": Beitrag zur Förderung und Erfassung der Reflexionsbreite und -tiefe - "Inklusiven Biologieunterricht im Tandem planen, durchführen und reflektieren – Interdisziplinäre Praktikumsformate als Reflexionsanlässe für Lehramtsstudierende?“: Beitrag zu Potenzialen und Schwierigkeiten, die sich in studiengangsübergreifenden Praktikumsformaten rekonstruieren lassen. - “Reflexive Unterrichtspraxis im molekularbiologischen Lehr-Lern-Labor”: Beitrag zu einem zweidimensionalen Reflexionsmodell. “Eltern-Lehrer-Gespräche - Umgang mit schwierigen Gesprächssituationen von Biologielehrkräften": Beitrag zur Vorbereitung und Reflexion von Standardsituationen der Arbeit als Biologielehrkraft. “Nutzung von digitalem Schülerfeedback zur Reflexion von Unterricht im Unterrichtsverlauf”: Beitrag zur Entwicklung und Erprobung eines digitalen Tools zum Schüler:innenfeedback. Beiträge des Symposiums Videobasierte Fallarbeit zur Anbahnung der fachspezifischen Reflexionsfähigkeit in die Breite und in die Tiefe Für die erste Phase der Lehrer*innenausbildung wurde an der Universität Bremen in den Jahren 2017-2018 ein Aufgabenkonzept entwickelt, mit dem Ziel, die fachspezifische Reflexionsfähigkeit bei angehenden Biologielehrkräften zu fördern (ebd.). Die Analyse der studentischen Reflexionen zeigten damals mehrheitlich eine Berücksichtigung der Reflexionsdimensionen Theorieeinbezug, Perspektivübernahme, Handlungsalternativen und Professionalisierung (Reflexion in die Breite). Innerhalb der einzelnen Reflexionsdimensionen wurden jedoch nur durchschnittliche Ergebnisse in die Tiefe erreicht. Da die Analyse von Unterrichtsvideos eine differenziertere und inhaltlich fokussiertere Reflexion befördern kann, wurde nach dem Design-Based-Research (DBR)-Ansatz eine Seminareinheit (Intervention) iterativ adaptiert, die fremde Unterrichtsvideos als Reflexionsanlass integriert. Neben dem gestalterischen Prozess sollen ein Reflexionsmodell für die fachspezifische Reflexionsförderung, insbesondere in die Tiefe, generiert und Design-Prinzipien abgeleitet werden. Der Fokus dieses Beitrags liegt in der Ergebnisdarstellung der qualitativ-ausgewerteten schriftlichen Reflexionen der n=28 Biologielehramtsstudierenden und der Darstellung der Reflexionsperformanz des ersten Zyklus. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Reflexionen hinsichtlich der Reflexionsdimensionen Theorieeinbezug und Perspektivübernahme auf Stufe 2, jedoch seltener auch einer höheren Stufe erfolgten. Die Reflexionsdimensionen Handlungsalternativen und Professionalisierung erfolgten überwiegend auf Stufe 2 und höher. Diese Ergebnisse fließen in Implikationen für den zweiten Zyklus ein. Inklusiver Biologieunterricht im Tandem planen, durchführen und reflektieren - Interdisziplinäre Praktikumsformate als Reflexionsanlässe für Lehramtsstudierende Im Kontext der Anforderungen eines inklusiven (Biologie-)Unterrichts etablieren sich vermehrt interdisziplinär angelegte Praktikumsformate mit dem Ziel, bereits im Studium Auseinandersetzungen mit den Anforderungen einer lehramtsübergreifenden Kooperation zu ermöglichen. Hierüber erweitern sich die mit den Praxisphasen einhergehenden Professionalisierungsaufgaben, da die Studierenden aufgefordert sind, sich zusätzlich zu den unterschiedlichen Strukturlogiken von Universität und Schule auch mit den unterschiedlichen disziplinären Perspektiven auf Unterricht auseinanderzusetzen. Konzeptionell liegt diesen Formaten die Erwartung zugrunde, dass sie vielfältige Potenziale für Irritationen und Reflexionen bieten, die auch eine selbstreflexive Auseinandersetzung mit den eigenen Erfahrungen und Orientierungen fördern können. In diesem Beitrag wird ein im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung an der Leibniz Universität Hannover entwickeltes Format diskutiert, bei dem Studierende der Biologie für das Lehramt an Gymnasien und der Sonderpädagogik (Förderschwerpunkt Lernen) im Rahmen ihres Fach- bzw. Fachrichtungspraktikums im Masterstudium vor die Aufgabe gestellt wurden, im Tandem inklusiven Biologieunterricht zu planen. Die Planungsgespräche der Studierenden (N = 12) wurden audiographiert und ausgewählte Sequenzen objektiv hermeneutisch rekonstruiert, um insbesondere strukturelle Aspekte, wie die disziplinären und institutionellen Logiken rekonstruieren zu können. Im Kontext einer Planung von inklusivem Unterricht gemeinsam mit disziplinär anders sozialisierten Studierenden erweisen sich insbesondere die unterschiedlichen Zugänge zum biologischen Lerngegenstand als Herausforderung für das studentische Tandem. Dies führt dazu, dass sich ein Lehrer:in-Schüler:in-Verhältnis etabliert, wobei die Biologiedidaktiker:in in der Rolle der Lehrperson agiert. Durch diese – sowohl selbst als auch wechselseitig zugeschriebenen Rollen – werden nicht nur eine gleichberechtigte Planungskooperation, in welche die jeweiligen Expertisen eingebracht werden könnten, sondern auch disziplinär orientierte Reflexionsanlässe verunmöglicht. Da diese Struktur für die beiden Tandempartner:innen unzugänglich bleibt, gelingt es ihnen nicht, sich hieraus zu lösen. Allerdings lässt sich am vorliegenden Fall ein Vorschlag für interdisziplinäre Tandemformate entwickeln, in denen Reflexionsanlässe gerade über derartige rollenförmige Interaktionen initiiert werden können, wenn diese temporär und im Wechsel eingenommen werden. Entwicklung und Erfassung der Reflexionskompetenz im Lehr-Lern-Labor Für die erste Phase der Lehrkräftebildung wurde auf Grundlage des Educational-Design-Research-Ansatz ein Seminar zur Förderung der Reflexionskompetenz von Biologie-Studierenden entwickelt. Innerhalb einer Seminariteration verfassen die angehenden Lehrkräfte vier schriftliche Reflexionen zu Videovignetten und erhalten dazu jeweils ein individuelles, schriftliches Feedback. Ihr Reflexionsprozess wird durch das digitale Tool BeoReflect unterstützt. In Anlehnung an Weinerts (2002) Kompetenzdefinition müssen Messungen der Reflexionskompetenz sowohl die Fähigkeiten des Reflektierens als auch die Bereitschaft, diese einzusetzen, erfassen. Die Ermittlung der generischen Reflexionsfähigkeit stellt jedoch eine Herausforderung dar, da die gezeigte Reflexionsperformanz dadurch beeinflusst wird, inwiefern der Reflexionsstimulus dazu geeignet ist eine tiefgründige Reflexion auszulösen. Die Ermittlung der Reflexionskompetenz erfolgte daher in einem Mixed-Methods-Ansatz über die quantitative Erhebung der Reflexionsbereitschaft und die qualitative Beurteilung der Reflexionsperformanz. Zur Erfassung der Entwicklung der Reflexionsbereitschaft wurden in einer Stichprobe von N=20 Studierenden in Prä-Post-Fragebögen die von Neuber & Göbel (2018) entwickelten Skalen verwendet. Die Entwicklung der Reflexionsperformanz wurde über das zweidimensionale Reflexionsperformanz-Modell von Schaal et al. (2022) verfolgt, welches drei Anforderungsbereiche und fünf Niveaustufen unterscheidet. Die inhaltsanalytische Auswertung von zwei Seminariterationen (N=54 Reflexionen) zeigt eine prozentuale Veränderung der adressierten Anforderungsbereiche bei einer deutlichen Zunahme zugunsten höherer Niveaustufen. Die Auswertung der Reflexionsbereitschaft zeigte bisher aufgrund der geringen Stichprobengröße lediglich bezüglich der Einstellung zur kollegialen Reflexion signifikante Unterschiede mit großer Effektstärke. Im Symposium werden zusätzliche Daten aus weiteren Seminariterationen vorgestellt und diskutiert. Reflexion von kritischen Elterngesprächen Gespräche mit Eltern gehören zum Alltag von Lehrkräften und sind ein wichtiger Bestandteil der pädagogischen Arbeit. In der Biologielehrkräfteausbildung wird Elterngesprächen bisher wenig Beachtung geschenkt. In dem Projekt „Kommunikationstraining in der medizinischen und biologiedidaktischen Ausbildung – KombA“, eine Kooperation zwischen Medizin- und Biologiedidaktik, wird die langjährige Erfahrung im Medizinstudium mit Schauspielpatient:innen auf die Interaktionen zwischen Biologielehrkräften und Eltern übertragen. Es wurde ein Seminar entwickelt, in dem Lehramtsstudierende ein simuliertes Konfliktgespräch mit professionellen Schauspieler:innen in der Rolle von Eltern zum Thema Sexualerziehung führen. Dabei wird der Fokus auf die gezielte Reflexion des Gesprächs durch die aktiv Gesprächsführenden Studierenden und den beobachtenden Studierenden gelegt. Im Rahmen der hier vorgestellten Interventionsstudie sollte die Frage geklärt werden, inwiefern aktiv an einem simulierten Gespräch teilnehmende Studierende von einem solchen Gespräch stärker profitieren als Studierende, die das Gespräch nur beobachten und darüber in der Gruppe reflektieren. Nach einer 90-minütigen Kommunikationsschulung und einem 8-minütigen simulierten Eltern-Lehrergespräch mit anschließender Reflexion in der Gruppe wurden 40 Studierende mittels quantitativer Fragebögen a) zur Authentizität der simulierten Eltern-Lehrergespräche, b) zur Bedeutsamkeit simulierter Eltern-Lehrergespräche in der Lehramtsausbildung, und c) bezüglich ihrer Ängste vor solchen Gesprächssituationen in der Realität befragt. Anschließend wurden die Ergebnisse mittels t-Tests ausgewertet. Insgesamt empfinden die Studierenden das simulierte Eltern-Lehrergespräche als authentisch, messen ihm eine hohe Bedeutung in der Lehramtsausbildung bei und das Gespräch kann ihre Angst vor einer realen Gesprächssituation im späteren Berufsfeld senken, unabhängig davon, ob sie das Gespräch selbst führen oder nicht. Bei den aktiv teilnehmenden Studierenden erhöht sich signifikant die Bedeutsamkeit, die sie solchen Veranstaltungen beimessen im Vergleich zu der zuhörenden Gruppe. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass bereits das Zuhören eine effektive Methode ist, um Lehrer-Eltern-Gespräche zu reflektieren. Generell wird das Reflektieren von simulierten Gesprächen gewinnbringend für die Ausbildung der Studierenden angesehen. Die Verstärkung dieser Bedeutsamkeit fällt allerdings bei aktiver Teilnahme höher aus. Biologieunterricht auf der Basis von digitalen Schülerfeedback reflektieren: Entwicklung und Evaluation eines digitalen Tools um Feedback der Schüler:innen zur Unterrichtsqualität zu erfassen Unterricht ist ein dynamischer Prozess, an dem eine Vielzahl von Individuen und Variablen zusammenwirken. In diesem Prozess entwickelt die Lehrperson ihre professionellen Fähigkeiten weiter. Das Refined Consensus Model of PCK (RCM) beschreibt, wie sich professionelle Fähigkeiten im Bereich des fachdidaktischen Wissens von Lehrkräften entwickeln. Hierbei durchlaufen Lehrkräfte beim Unterrichten zyklisch den Plan-Teach-Reflect-Zyklus (PDR) und entwickeln aus eher deklarativen PCK nach und nach Handlungswissen. Reflektion spielt in diesem Prozess eine große Rolle. Um den PDR-Zyklus für die Verbesserung der eigenen Unterrichts-Performanz zu nutzen, benötigt die Lehrkraft verlässliche Rückmeldungen über ihren Unterrichtserfolg. Hierfür kann das systematisierte Feedback von Schüler:innen genutzt werden. In diesem Forschungsprojekt wird a) ein Feedbacktool entwickelt, das im Unterrichtsprozess dynamisch Feedback der Lernenden zu einzelnen Unterrichtsqualitätsmerkmale einholt sowie b) erprobt, inwiefern das Feedback der Schüler:innen die Lehrkraft beim Durchlaufen des PDR-Zyklus unterstützen kann. In dieser Vorstudie wird der Entwicklungsprozess des digitalen Tools in mehreren Zyklen vorgestellt, mit dessen Hilfe am Ende von Unterrichtsstunden das Feedback von Schüler:innen ermittelt wird. Diese Feedbackdaten werden der Lehrkraft direkt als relative Verlaufskurve visuell zurückgespiegelt. Das Tool wurde durch einerLehrkraft und 96 Schüler:Innen über ein Schuljahr mit über 150 bewerteten Unterrichtsstunden erprobt. Die Daten wurden qualitativ ausgewertet. Die Ergebnisse der Vorstudie zeigen, dass sich das Schülerfeedback mit Hilfe einer relativen Verlaufskurve sehr gut darstellen lässt. Über verschiedene Zeitspannen lassen sich unterschiedliche Trends erkennen. Änderungen der Lehrkraft im unterrichtlichen Verhalten lassen sich durch das Schülerfeedback detektieren. Deutlich wurde auch, dass es sinnvoll ist, nicht nur die Mittelwerte der Verlaufskurven auszuwerten, sondern vor allem auch die Varianzen gut zu interpretieren. Der Großteil der Schüler:innen gab über den gesamten Erhebungszeitraum freiwillig und kontinuierlich Feedback. Zurzeit wird das digitale Tool in einer Hauptstudie mit 20 Lehrkräften über 5 Schulwochen eingesetzt. Im Rahmen des Symposiums werden die Ergebnisse der Hauptstudie vorgestellt. |