Bewegungsbezogene Versorgungsforschung: Bewegungsförderung bei unterschiedlichen Indikationen und Zielgruppen
Chair(s): Gabrys, Lars (ESAB Fachhochschule fĂŒr Sport und Management Potsdam), Pfeifer, Klaus (FAU Erlangen-NĂŒrnberg)
RAHMENABSTRACT
Prinzipiell besteht eine gute Evidenz zur Wirksamkeit von körperlicher AktivitĂ€t, Bewegung und Sport hinsichtlich zahlreicher gesundheitsrelevanter Outcomes (Dibben et al., 2024; Warburton & Bredin, 2017). In der Gesundheitsversorgung ist die Sport- und Bewegungstherapie beispielsweise in der medizinischen Rehabilitation und der Nachsorge langjĂ€hrig etabliert und fester Bestandteil des Leistungskatalogs der KostentrĂ€ger. In anderen Bereichen und bei anderen Zielgruppen steht eine strukturierte Implementation evidenzbasierter bewegungsbezogener Versorgungsangebote noch aus. Die bewegungsbezogene Versorgungsforschung ist ein relativ junges Forschungsfeld innerhalb der Sportwissenschaft und setzt sich sowohl mit Fragen der Wirksamkeit von Bewegungsinterventionen im Versorgungsalltag auseinander als auch mit der Entwicklung und Implementation neuer Versorgungsmodelle. DaruÌber hinaus stehen neben den unmittelbaren Akteuren auch Strukturen des Gesundheitssystems und gesundheitsökonomische Fragestellungen im Fokus der Bewegungsversorgungsforschung.
Der Arbeitskreis gibt einerseits einen Einblick in aktuell laufende Forschungsprojekte zu neuen Konzepten und AnsÀtzen in der Bewegungstherapie und Bewegungsförderung bei unterschiedlichen Zielgruppen, zum anderen analysiert ein Beitrag die Verankerung der Sport- und Bewegungstherapie in deutschsprachigen Behandlungsleitlinien. Die unterschiedlichen methodischen ZugÀnge der BeitrÀge spiegeln die ganze Breite bewegungsbezogener Versorgungsforschung wider und sollen andere Forscher und Forscherinnen dazu motivieren sich mit versorgungswissenschaftlichen Fragestellungen in der Sportwissenschaft auseinanderzusetzen.
Der Arbeitskreis wird in Zusammenarbeit der AG âBewegungsbezogene Versorgungsforschungâ im DNVF und der AG âBewegungstherapieâ in der DGRW organisiert. Ziel des Arbeitskreises ist es, unterschiedliche AnsĂ€tze und Versorgungskontexte zu betrachten und die Rolle der Sportwissenschaft im Kontext der Gesundheitsversorgung herauszuarbeiten. Das Memorandum âZiele und Methoden bewegungsbezogener Versorgungsforschungâ liefert hierzu eine Orientierung und den methodischen Rahmen (Gabrys et al., 2024).
LITERATUR
Dibben, G. O., Gardiner, L., Young, H. M., Wells, V., Evans, R. A., Ahmed, Z., Barber, S., Dean, S., Doherty, P., Gardiner, N., Greaves, C., Ibbotson, T., Jani, B. D., Jolly, K., Mair, F. S., McIntosh, E., Ormansy, P., Simpson, S. A., Ahmed, S., Krauth, S. J. Steell, L., Singh, S. J., Taylor, R. S., & PERFORM Reseach Team (2024). Evidence for exercise-based interventions across 45 different long-term conditions: an overview of systematic reviews. EClinicalMedicine, 72(102599).
Gabrys, L., Schaller, A., Peters, S., Barzel, A., Berrisch-Rahmel, S., Dreinhöfer, K., Mayer, F., Schulz, S., Meusch, A., Blaschke, S., KuÌmmel, M., Geidl, W., FuÌzĂ©ki, E., Banzer, W., & Thiel, C. (2024). DNVF Memorandum â Ziele und Methoden bewegungsbezogener Versorgungsforschung. Gesundheitswesen, 86, 655â680.
Warburton, D. E., & Bredin, S. S. (2017). Health benefits of physical activity: a systematic review of current systematic reviews. Current opinion in cardiology, 32(5), 541â556.
BeitrÀge des Symposiums
Bewegungsversorgung in medizinischen Leitlinien - eine systematische Dokumentenanalyse
Gabrys, Lars1, Peters, Stefan2, Thiel, Christian3, Schaller, Andrea2 1ESAB Fachhochschule fĂŒr Sport und Management Potsdam, 2UniversitĂ€t der Bundeswehr MĂŒnchen, 3Hochschule Bochum
EINLEITUNG
Medizinische Behandlungsleitlinien (LL) enthalten Empfehlungen zur Verbesserung der Patientenversorgung. Sie bieten einen âHandlungs- und Entscheidungskorridorâ und unterstuÌtzen die individuelle, patientenorientierte Versorgung. RegelmĂ€Ăige Bewegung und körperliche AktivitĂ€t senken das Risiko fuÌr chronische Krankheiten, sporttherapeutische und bewegungsfördernde MaĂnahmen unterstuÌtzen den Therapieverlauf und verbessern gesundheitsrelevante Outcomes. Eine systematische Analyse zum Grad der Integration von körperlicher AktivitĂ€t, Bewegung und Sport in LL ist bis dato nicht verfuÌgbar.
METHODE
Es wurde die Integration von Bewegungsempfehlungen in aktuellen deutschen LL untersucht. Hierzu wurde zunĂ€chst eine quantitative Dokumentenanalyse aller verfuÌgbaren Langfassungen der deutschsprachigen LL durchgefuÌhrt. Im Anschluss wurden chronische Erkrankungen, fuÌr die auf Grundlage einer aktuellen Ăbersichtsarbeit aus dem Jahr 2024 positive Effekte von körperlicher AktivitĂ€t, Bewegung und Sport in der Behandlung und Therapie nachgewiesen sind bzw. angenommen werden können (Dibben et al., 2024) analysiert. Kategorien waren (1) die prinzipielle Empfehlung fuÌr körperliche AktivitĂ€t, Bewegung und Sport, (2) die Aufbereitung der wissenschaftlichen Evidenz zum Thema sowie (3) die systematische Empfehlung zur Umsetzung bewegungstherapeutischer Inhalte (FITT-Kriterien) und (4) die Empfehlung fuÌr ein konkretes Versorgungsangebot.
ERGEBNISSE
Insgesamt enthalten 76 % der untersuchten LL (619 von 812) keine Empfehlungen zur körperlichen AktivitĂ€t oder Bewegung. 78 % enthalten keine Informationen zur Evidenz von Sport/Bewegungstherapie und 84 % keine Evidenz zur körperlichen AktivitĂ€t. Lediglich knapp 25% der LL formulieren konkrete Bewegungsempfehlungen. Entsprechend der Klassifikation nach Dibben et al. (2024) wurden 98 LL in die Analyse eingeschlossen, von denen 61 % Empfehlungen zu körperlicher AktivitĂ€t bzw. Bewegungstherapie enthalten und die entsprechende Evidenz aufbereiten. Sporttherapie wird nur in 10 FĂ€llen explizit als empfohlene Versorgungsform genannt. 7 LL enthalten systematische Empfehlungen zur Umsetzung bewegungstherapeutischer Inhalte entsprechend der FITT-Kriterien. Physiotherapie wird mit Abstand als hĂ€ufigstes Versorgungsangebot aufgefuÌhrt.
DISKUSSION
Weniger als 2/3 der LL fuÌr chronische Erkrankungen, fuÌr die eine gute bis ausreichende Evidenz fuÌr Bewegung vorliegt, integrieren diese Empfehlung auch systematisch. Dies sollte in zukuÌnftigen LL-Ăberarbeitungen beruÌcksichtigt werden.
LITERATUR
Dibben, G. O., Gardiner, L., Young, H. M., Wells, V., Evans, R. A., Ahmed, Z., Zaccardi, F., Gray, L. J., Khunti, K., Davies, M. J., & Gardiner, N. (2024). Evidence for exercise-based interventions across 45 different long-term conditions: an overview of systematic reviews. EClinicalMedicine, 72, 102599.
Aufgaben- und Kompetenzprofil in der Netzwerkkoordination von âActiveOncoKidsâ: eine qualitative Interviewstudie mit verschiedenen Akteursgruppen
Peters, Stefan, Bleier, Hannah, Schaller, Andrea UniversitĂ€t der Bundeswehr MĂŒnchen
EINLEITUNG
Bei Krebs im Kinder- und Jugendalter sind vielfĂ€ltige positive kurz- und langfristige Gesundheitseffekte von Bewegung erwiesen. Allerdings fehlt es in Deutschland bisher an einem sektorenuÌbergreifenden Ansatz zur nachhaltigen Bewegungsversorgung der betroffenen Kinder und Jugendlichen. Das Netzwerk ActiveOncoKids (NAOK) strebt u.a. die Schaffung entsprechender nachhaltiger Strukturen an (Götte et al., 2022). Der vorliegende Beitrag befasst sich am Beispiel von NAOK mit der Frage nach den notwendigen Aufgaben und Kompetenzen zur Ausgestaltung eines sektorenuÌbergreifenden Ansatzes zur indikations- und zielgruppenspezifischen Bewegungsversorgung.
METHODE
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden 23 teilstrukturierte Leitfadeninterviews gefuÌhrt (15 Frauen, 8 MĂ€nner). Die Stichprobe umfasste 10 BewegungsfachkrĂ€fte, 4 Angehörige von Betroffenen, 4 Personen des NAOK UnterstuÌtzerkreises, 3 Ărzte und 2 Personen des NAOK-Projektteams. Es wurde ein problem-zentrierter Interviewleitfaden entwickelt (Witzel & Reiter, 2022). Die Interviews wurden zwischen September 2023 und MĂ€rz 2024 gefuÌhrt. Die Auswertung erfolgte mittels strukturierender qualitativer Inhaltsanalyse.
ERGEBNISSE
Bezogen auf die Aufgaben zeigten sich 2 Hauptkategorien: organisationsbezogene Aufgaben (u. a. die Dimensionen Rekrutierung onkologischer Zentren und Ăffentlichkeitsarbeit) und individuumsbezogene Aufgaben (u. a. die Beratung von Betroffenen/Angehörigen bzw. von Fachpersonal). Hinsichtlich des Kompetenzprofils zeigten sich Fachkompetenzen (z. B. Expertise in Sportwissenschaft/-therapie bzw. Onkologie), sozial-kommunikative Kompetenzen (z. B. interdisziplinĂ€res Arbeiten) und personale Kompetenzen (z. B. Empathie).
DISKUSSION
Die Ergebnisse zeigen, dass die Aufgaben und Kompetenzen weit uÌber eine reine âKoordinationâ des Netzwerkes hinausgehen. FuÌr einen sektorenuÌbergreifenden Ansatz in der Bewegungsversorgung erscheint es deshalb dringend nötig, die Rollen im Netzwerkmanagement (organisationale Ebene) und der Bewegungsberatung (individuelle Ebene) mit einem klaren Aufgaben- und Kompetenzprofil zu hinterlegen und ggf. zu differenzieren. Diese Ergebnisse liefern erste Hinweise dafuÌr.
LITERATUR
Götte, M., Söntgerath, R., GauĂ, G., Wiskemann, J., BuĆŸdon, M., & Kesting, S. (2022). A National Implementation Approach for Exercise as Usual Care in Pediatric and Adolescent Oncology: Network ActiveOncoKids. Pediatric exercise science, 34(4), 219â226. https://doi.org/10.1123/pes.2021-0218
Witzel, A., & Reiter, H. (2022). Das problemzentrierte Interview-eine praxisorientierte EinfuÌhrung. Beltz Juventa.
Implementierung und Evaluation eines multiprofessionellen Versorgungspfades und Netzwerkes zur Förderung einer bedarfsgerechten, wohnortnahen Bewegungstherapie fĂŒr onkologische Patienten (MOVE-ONKO)
Bauer, Nikolai1, BlĂŒtgen, Saskia2, Krug, Katja3, Graf, Katharina4, Betz, Ulrich5, Böhm, Julian6, JĂ€ger, Elke4, Krell, Verena7, MĂŒller, Jana1, Pahl, Antonia8, Voland, Annelie1, WeigmannâFasbender, Sandra9, Zinkevich, Anna2, Wensing, Michel3, Ansmann, Lena2, Wiskemann, Joachim1 1Department of Medical Oncology, National Center for Tumor Diseases (NCT), University Hospital Heidelberg, 2Faculty of Medicine and University Hospital Cologne, Institute of Medical Sociology, Health Services Research and Rehabilitation Science (IMVR), 3Department of Primary Care and Health Services Research, University Hospital Heidelberg, 4Department for Oncology and Hematology, University Cancer Center (UCT) Frankfurt, Krankenhaus Nordwest, 5Institute of Physical Therapy, Prevention and Rehabilitation, University Medical Center of the Johannes Gutenberg University Mainz, 6Abteilung fĂŒr Sportmedizin, UniversitĂ€tsklinikum TĂŒbingen, 7Department of Sports Medicine, Charite â Universitatsmedizin Berlin, 8Department of Medicine I, Hematology, Oncology, and StemâCell Transplantation, Medical Center, Faculty of Medicine, UniversitĂ€t Freiburg, 9National Center for Tumor Diseases (NCT/UCC) Dresden
EINLEITUNG
Die Evidenz zeigt, dass körperliche AktivitĂ€t fuÌr Menschen mit einer Krebsdiagnose von Vorteil ist. Die bundesweite Versorgung mit adĂ€quaten Angeboten ist jedoch unzureichend. So erhalten Betroffene im Rahmen ihrer onkologischen Versorgung oftmals nicht genuÌgend Informationen uÌber Nutzen und Möglichkeiten von Bewegung. MOVE-ONKO zielt daher darauf ab, einen neuen multiprofessionellen Versorgungspfad in drei groĂen Regionen in Deutschland an der Schnittstelle von onkologischer Behandlung und Bewegungstherapie fuÌr Krebspatienten zu implementieren.
METHODE
Das Projekt umfasst drei Phasen: 1) Vorbereitung, 2) Implementierung in Comprehensive Cancer Centers (CCCs), 3) Implementierung in peripheren Zentren. Der multiprofessionelle Versorgungspfad umfasst eine spezifische Bewegungsberatung und -vermittlung durch die im Rahmen von MOVE-ONKO ausgebildeten Bewegungslotsen und -experten. Eine digitale bewegungsbezogene Gesundheitsakte dient als zentrales Element fuÌr die Kommunikation und den Ablauf des Versorgungspfades. Eine Stichprobe von N = 2.240 Krebspatienten â„ 18 Jahren wird fuÌr die Analyse bei Studienbeginn sowie nach vier, zwölf und 24 Wochen rekrutiert. Das Projekt wird mit einem Mixed-Method-Ansatz kontinuierlich evaluiert, wobei neben der Wirksamkeit auch Strukturen und Prozesse fuÌr eine nachhaltige Implementierung analysiert werden.
ERGEBNISSE
Wir erwarten, dass die Ausbildung von Bewegungslotsen und -experten zentral fuÌr die erfolgreiche Implementierung von Bewegung in der onkologischen Regelversorgung ist. Die Machbarkeit von MOVE-ONKO wird aufgrund der engen Zusammenarbeit mit Fachgesellschaften, Patientenvertretungen und Versicherungsunternehmen sowie des groĂen Engagements der beteiligten CCCs als hoch eingeschĂ€tzt.
DISKUSSION
Eine erfolgreiche Umsetzung des Versorgungspfads im Rahmen der Studie wuÌrde die Voraussetzung und Blaupause fuÌr die flĂ€chendeckende Implementierung bewegungsbezogener Beratung und Vermittlung in die klinische Behandlungsroutine onkologischer Patienten schaffen und damit einen wichtigen Beitrag leisten, damit alle onkologischen Patienten von bewegungsfördernden MaĂnahmen profitieren können.
LangzeitverĂ€nderung der bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz und motivational-volitionaler Determinanten durch eine individualisierte Lebensstilintervention fĂŒr Personen mit MultimorbiditĂ€t
Dierkes, Katja1, Schweda, Simone2, Schmid, Julia3, Martus, Peter4, MĂŒller, Gerhard5, KrauĂ, Inga2, Sudeck, Gorden1 1Institut fĂŒr Sportwissenschaft, UniversitĂ€t TĂŒbingen; InterfakultĂ€res Forschungsinstitut fĂŒr Sport und körperliche AktivitĂ€t, UniversitĂ€t TĂŒbingen, 2Abteilung Sportmedizin, UniversitĂ€tsklinikum TĂŒbingen; InterfakultĂ€res Forschungsinstitut fĂŒr Sport und körperliche AktivitĂ€t, UniversitĂ€t TĂŒbingen, 3Institut fĂŒr Sportwissenschaft, UniversitĂ€t Bern, Schweiz, 4Institut fĂŒr Klinische Epidemiologie und angewandte Biometrie, UniversitĂ€tsklinikum TĂŒbingen; InterfakultĂ€res Forschungsinstitut fĂŒr Sport und körperliche AktivitĂ€t, UniversitĂ€t TĂŒbingen, 5AOK Baden-WĂŒrttemberg; Institut fĂŒr Sport und Sportwissenschaft; Karlsruher Institut fĂŒr Technologie
EINLEITUNG
MultimorbiditĂ€t ist ein zunehmendes PhĂ€nomen, das eine groĂe Herausforderung fuÌr die Gesundheitsversorgung darstellt. Trotz vielfacher Evidenz fuÌr den Nutzen körperlicher AktivitĂ€t, besteht ein ausgeprĂ€gter Bewegungsmangel bei Personen mit MultimorbiditĂ€t. Individuumbezogene Strategien zur Steigerung der langfristigen körperlichen AktivitĂ€t betonen die Bedeutung bewegungsbezogener Gesundheitskompetenz (Sudeck & Pfeifer, 2016) und motivational-volitionaler Verhaltensdeterminanten (Fuchs, 2007). Vor diesem Hintergrund wurde das Programm MultiPill-Exercise entwickelt, das neben Gesundheitswirkungen auf Kompetenz- und Motivationsförderung fuÌr körperliches Training abzielt.
METHODE
Zur ĂberpruÌfung der Ăberlegenheit von Multipill-Exercise wurde eine multizentrische, randomisiertkontrollierte Studie an sieben Standorten der AOK Baden-WuÌrttemberg durchgefuÌhrt. HierfuÌr wurden 257 Versicherte mit zwei oder mehr chronischen Erkrankungen oder ausgeprĂ€gten Risikofaktoren in die 24-wöchige Lebensstilintervention oder die Standardversorgung randomisiert. Vor (t0), in der Mitte (t3) und nach Programmabschluss (t6) sowie sechs (t12) und zwölf Monate (t18) nach der Intervention wurden mittels Fragebogen die bewegungsbezogene Gesundheitskompetenz und motivational-volitionale Determinanten erhoben. Unterschiede zwischen den Gruppen wurden mittels ANCOVA-Modellen gepruÌft.
ERGEBNISSE UND DISKUSSION
In der PrimĂ€ranalyse (t0-t6) zeigten sich signifikante Unterschiede (p †.05) fuÌr alle kompetenzbezogenen Variablen (Steuerungskompetenz fuÌr körperliches Training, Befindensregulation, motivationale Kompetenz und volitionale Selbstkontrolle) und fuÌr bestimmte Verhaltensdeterminanten (Selbstwirksamkeit, Selbstkonkordanz [intrinsische und identifizierte Motivation], Handlungs- und BewĂ€ltigungsplanung) zugunsten der MultiPill-Exercise Gruppe. FuÌr die Verhaltensdeterminanten introjizierte und extrinsische Motivation sowie affektive und kognitive Einstellung wurden keine signifikanten Unterschiede festgestellt. Das individualisierte Bewegungsprogramm MultiPill-Exercise stĂ€rkt vermehrt Kompetenzen und motivational-volitionale Faktoren fuÌr gesundheitswirksames körperliches Training bei Menschen mit MultimorbiditĂ€t im Vergleich zur Standardversorgung. Zudem liefert es wertvolle Impulse fuÌr die Gestaltung von Interventionen fuÌr Menschen mit einem höheren Risiko fuÌr Bewegungsmangel. Die Nachhaltigkeit dieser Kompetenz- und Motivationsförderung gilt es auf Basis der lĂ€ngerfristigen Nachuntersuchungszeitpunkte (t12, t18) zu pruÌfen.
LITERATUR
Fuchs, R. (2007). Das MoVo-Modell als theoretische Grundlage fuÌr Programme der GesundheitsverhaltensĂ€nderung. In R. Fuchs, W. Göhner, & H. Seelig (Hrsg.), Aufbau eines körperlich-aktiven Lebensstils (S. 317â325). Hogrefe.
Sudeck, G., & Pfeifer, K. (2016). Physical activity-related health competence as an integrative objective in exercise therapy and health sports. Sportwissenschaft, 46, 74â87.
Wirksamkeit eines digitalen SturzprÀventionsprogramms auf Sturzrate, Sturzrisiko und Sturzangst bei Pflegeheimbewohnenden
Diener, Jonathan, Krafft, Jelena, Krell-Rösch, Janina, Rayling, Sabine, Woll, Alexander, Wunsch, Kathrin Karlsruher Institut fĂŒr Technologie
EINLEITUNG
StuÌrze stellen eine erhebliche GesundheitsgefĂ€hrdung fuÌr Ă€ltere Bewohnende in Pflegeeinrichtungen dar und fuÌhren hĂ€ufig zu schweren Verletzungen. Obwohl körperliche AktivitĂ€t das Sturzrisiko nachweislich reduzieren kann, bleibt die Implementierung wirksamer PrĂ€ventionsprogramme in institutionellen Settings eine Herausforderung. Digitale Technologien bieten Lösungen, um Barrieren bei der Umsetzung von Bewegungsinterventionen (z.B. PersonalengpĂ€sse) zu uÌberwinden. Unsere Studie untersuchte die Auswirkungen eines digitalen Programms zur SturzprĂ€vention und Bewegungsförderung (BeSt Age App), das speziell fuÌr Pflegeeinrichtungen entwickelt wurde, auf die Sturzrate, das Sturzrisiko und die Sturzangst bei Pflegeheimbewohnenden.
METHODE
Zur Bewertung der Wirksamkeit des BeSt Age Programms wurde eine 12-wöchige cluster-randomisierte kontrollierte Studie durchgefuÌhrt. Bewohnende > 65 Jahre mit mindestens zwei funktionellen ExtremitĂ€ten und der FĂ€higkeit, verbalen Anweisungen zu folgen, wurden eingeschlossen. Die Interventionsgruppe (IG) nahm zweimal wöchentlich an 25â30-minuÌtigen Ăbungseinheiten mit der BeSt-Age App teil, wĂ€hrend die Kontrollgruppe (KG) ihren uÌblichen AktivitĂ€ten nachging. Das Sturzrisiko wurde mittels Timed-Up and Go Test (TUG) und Berg Balance Scale (BBS), die Sturzangst mittels Short Falls Efficacy Scale-International (Short FES-I), jeweils vor und nach der Intervention erhoben. Die Sturzrate wurde zusĂ€tzlich drei Monate nach Studienende erfasst.
ERGEBNISSE
Insgesamt nahmen 229 Personen (171 Frauen, 58 MĂ€nner; 137 IG, 92 KG; MAlter 85.4, SD = 7.4 Jahre) aus 19 Pflegeheimen (11 IG, 8 KG) teil. Die Datenerhebung wurde im MĂ€rz 2025 abgeschlossen. Erste explorative Datenanalysen mittels Mixed ANOVA zeigen eine signifikante Verbesserung der IG im Vergleich zur KG hinsichtlich des Sturzrisikos gemÀà BBS (p ïŒ .01; η2 = .04), jedoch nicht im TUG (p = .866). Auch die Sturzangst verĂ€nderte sich nicht (p = .248). Eine negative Binomialregression zur Analyse der Sturzrate zeigte ebenfalls keine VerĂ€nderungen (Rate Ratio = 1.33, 95 % KI [0.57; 3.13], p = .801).
DISKUSSION
Erste Auswertungen zeigen zwar keine Reduktion der Sturzrate, jedoch einen positiven Effekt auf eines der beiden Sturzrisiko-Outcomes. Dies verdeutlicht die KomplexitÀt von SturzprÀventionsinterventionen bei Bewohnenden von Pflegeeinrichtungen. Es bedarf weiterer Forschung mit lÀngeren InterventionszeitrÀumen, um die Wirksamkeit digitaler Bewegungsinterventionen in Pflegeeinrichtungen umfassend zu bewerten.
|