Veranstaltungsprogramm

Sitzung
AK1.10: AK: Ansätze zu Belastung und Gewebeadaptationen im Sport
Zeit:
Mittwoch, 17.09.2025:
8:30 - 9:30

Chair der Sitzung: Simon Steib, Universität Heidelberg
Ort: Raum Göttingen (S1)

Schloss 200 Plätze

Präsentationen

Schulterstabilität unter Belastungsbedingungen

Bopp, Jessica; Büsch, Dirk

Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

EINLEITUNG

In vielen Sportarten, wie Handball oder Segeln, stellt das Schultergelenk ein zentrales Element zur Erbringung der sportlichen Leistung dar. Bei Bewegungen wie Würfen oder Schlägen werden Kräfte und Bewegungsenergie sequenziell über die einzelnen Körpersegmente übertragen. Für eine optimierte Kraftübertragung sollte das Schultergelenk in einer stabilen Position gehalten werden können, wobei eine hohe Schulterstabilität mit einer besseren sportlichen Leistung assoziiert wird, v. a. unter Belastungsbedingungen, wie sie bspw. in einem Spielverlauf auftreten können (Chu et al., 2016). Während eines Spiels oder eines Wettkampfs treten jedoch belastungsbedingte Veränderungen auf, welche die Schulterstabilität beeinträchtigen können. Ob und in welchem Ausmaß von belastungsbedingten Veränderungen der Schulterstabilität auszugehen ist, wird im Rahmen dieser Studie exploriert.

METHODE

Es wurde die Schulterstabilität von 64 sportlich aktiven Personen (32 männlich, 32 weiblich, MAlter = 25.25, SD = 2.91 Jahre) mittels des Y-Balance-Tests für die oberen Extremitäten (YBT-UQ) untersucht. Zur Beurteilung belastungsbedingter Veränderungen wurde der Test vor und nach der Durchführung eines maximalen anaeroben Belastungsprotokolls an einem Handkurbelergometer durchgeführt. Die Hälfte der Proband:innen kurbelte vorwärts und die andere Hälfte rückwärts. Zur Beurteilung der Schulterstabilität wurde der prozentuale Gesamtwert des YBT herangezogen und vor der Belastung, direkt danach, 10 min danach und 20 min nach der Belastung erfasst.

ERGEBNISSE

Es kommt zu einer statistisch und praktisch bedeutsamen Verschlechterung der Schulterstabilität über die Zeit (F(3, 186) = 20.18, p < .001, ηp2 = .25, 90 % KI [.15, .32]). Es treten jedoch keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den Bewegungsrichtungen (vorwärts vs. rückwärts) auf F(1, 62) = 3.11, p = .08, ηp2 = .05, 1-β = .41). Zudem zeigen sich keine bedeutsamen Interaktionen zwischen Zeit, Bewegungsrichtung und Arm (dominant versus non-dominant).

DISKUSSION

Die Ergebnisse zeigen zunächst eine Verschlechterung der Schulterstabilität durch eine körperliche Belastung, was aus einer sportbezogenen Perspektive die Notwendigkeit einer Diagnostik der Schulterstabilität unter Belastungsbedingungen unterstreicht. Deskriptive Unterschiede zwischen den Bewegungsrichtungen (vorwärts vs. rückwärts) sowie deutliche interindividuelle Streuungen deuten jedoch darauf hin, dass eine detailliertere Betrachtung von potenziellen belastungsbedingten Veränderungen angezeigt ist. Darüber hinaus erscheint es aus der Perspektive sportpraktischer Überlegungen angebracht, neben einer Handkurbelergometerbelastung im Labor den Einfluss sportartspezifischer Belastungsprotokolle in systematischen Replikationsstudien zu prüfen.

LITERATUR

Chu, S. K., Jayabalan, P., Kibler, W. B., & Press, J. (2016). The kinetic chain revisited: new concepts on throwing mechanics and injury. PM&R, 8(3S), S69–S77. https://doi.org/10.1016/j.pmrj.2015.11.015



Effekte von Dehnung und Kontraktion auf die Gewebe-Steifigkeit in entfernten Körperregionen: Ein systematisches Review mit Meta-Analyse

Kretschmer, Laurits; Wilke, Jan

Universität Bayreuth

EINLEITUNG

Faszien verbinden die Skelettmuskeln zu einem körperweiten Netzwerk struktureller Kontinuität. Dies ist von biomechanischer Relevanz, da experimentelle Studien einen Krafttransfer zwischen Komponenten myofaszialer Ketten gezeigt haben (Krause et al., 2016). Es ist deshalb denkbar, dass lokale trainingsinduzierte Veränderungen der mechanischen Steifigkeit auf entfernte Strukturen innerhalb der Ketten übertragen werden. Das Ziel dieses systematischen Reviews mit Meta-Analyse war, die Steifigkeit entfernter Strukturen während lokaler Dehnung und Muskelkontraktion zu untersuchen.

METHODE

Zwei unabhängige Untersucher führten eine systematische Literatursuche in Web of Science, Pubmed und Google Scholar durch. Eingeschlossen wurden kontrollierte Studien, die die Steifigkeit im Verlauf myofaszialer Ketten gelegener Strukturen während lokalem Stretching oder Kontraktion untersucht haben. Die Studienqualität wurde mittels modifizierter Downs und Black-Checkliste ermittelt, das Risiko eines Publikation Bias anhand von Funnel Plots geprüft. Die quantitative Synthese der Effekte (lokale Dehnung/Kontraktion vs. inaktive Kontrolle) erfolgte per robuster Varianzschätzung unter Beachtung der Abhängigkeit von Effektgrößen, das Vertrauen in den Effektschätzer (standardisierte Mittelwertsdifferenz/SMD) wurde gemäß GRADE-Kriterien bestimmt.

ERGEBNISSE

Die Literaturrecherche ergab 18 Studien mit hoher methodischer Qualität (11 ± 2 Punkte/Black & Downs-Checkliste). Die visuelle Inspektion der Funnel Plots ergab ein mögliches Publikations-Bias sowohl für Dehnung als auch für Kontraktion. Lokale Dehnung erhöhte die nicht-lokale Steifigkeit moderat (SMD = -0.56, 95% KI [-1.08; -0.05]; p = .035; τ2 = .45; sehr niedriges Vertrauen in den Effektschätzer). Lokale Kontraktion führte zu einer großen Zunahme der nicht-lokalen Steifigkeit (SMD = -1.29 [-2.24; -0.35]; p = .017; τ2 = .65; moderates Vertrauen in den Effektschätzer).

DISKUSSION

Kontraktion und Stretching erhöhen nicht nur die lokale, sondern auch die nicht-lokale Steifigkeit innerhalb myofaszialer Ketten. Diese Erkenntnis ist für Fitnesstrainer:innen und Therapeut:innen, in puncto Leistungssteigerung sowie in der Rehabilitation von Relevanz – etwa wenn lokales Training kontraindiziert ist, beziehungsweise hinsichtlich lokaler Schmerzen und Entzündungen nicht empfehlenswert ist. Aufgrund der teils hohen Heterogenität und einem möglichen Publikations-Bias sind weitere konfirmatorische Studien notwendig.

LITERATUR

Krause, F., Wilke, J., Vogt, L., & Banzer, W. (2016). Intermuscular force transmission along myofascial chains: a systematic review. Journal of Anatomy, 228(6), 910–918. https://doi.org/10.1111/joa.12464



Der Einfluss von Achillessehnensteifigkeit auf den Reaktivkraftindex professioneller Balletttänzer*innen

Arens, Tabea1,2,3; Hauschild, Anja3; Richter, Martha3; Kniewasser, Christoph2; Zech, Astrid1

1Institut für Bewegungswissenschaften, Universität Hamburg; 2Institut für Bewegungs- und Trainingswissenschaften, Friedrich-Schiller-Universität Jena; 3IIES Institute of Interdisciplinary Exercise Science and Sports Medicine, MSH Medical School Hamburg

EINLEITUNG

Die Steifigkeit der Achillessehne beeinflusst die Speicherung und Rückgabe elastischer Energie bei schnellen Bewegungen wie Sprüngen1. Während bei reaktiven Sportarten, aber auch tanzspezifischen Sprüngen2, eine höhere Sehnensteifigkeit die Sprungleistung verbessern kann, ist unklar, inwieweit dieser Zusammenhang bei professionellen Balletttänzer:innen besteht. Ziel dieser Studie ist es, den Einfluss der Achillessehnensteifigkeit auf den Reaktivkraftindex (RKI) professioneller Balletttänzer:innen zu untersuchen.

METHODE

Im Rahmen eines Gesundheits- und Leistungsscreenings einer professionellen Ballettkompanie wurden bei 33 Tänzer:innen (13 m, 20 w) die Achillessehnensteifigkeit mittels des MyotonPros [N/m] im Ruhezustand erfasst. Anhand von Bodenkontaktzeit [Sekunden] und Sprunghöhe [cm] von einbeinigen Drop Jumps auf eine Kraftmessplatte wurde der RKI [Sprunghöhe in m / Bodenkontaktzeit in sek.] je Sprungbein ermittelt. Multiple lineare Regressionsmodelle (JASP 0.19.3) prüften den Einfluss von Sehnensteifigkeit, Geschlecht und Sprunggelenksbeweglichkeit (Knee-to-Wall-Test) auf den RKI, bzw. Sprunghöhe und Bodenkontaktzeit. Das Signifikanzniveau lag bei p<.05.

ERGEBNISSE

Anhand von 62 Datensätzen erkläre das Modell 36.8% der Varianz des RKI (p < .001), wobei Geschlecht der stärkste Prädiktor war (p < .001, b = -0.130), während Achillessehnensteifigkeit (p = .063, b = 0.0007) und Sprunggelenkbeweglichkeit (p = .303, b = -0.006) keine signifikanten Prädiktoren darstellten. Bei einzelner Betrachtung der Sprunghöhe waren Geschlecht (p < .001, b = -5.889) und Achillessehnensteifigkeit (p = .041, b = 0.016) signifikante Prädiktoren (Varianz: 63.5 %, p < .001).

DISKUSSION

Die Achillessehnensteifigkeit scheint die Sprunghöhe professioneller Balletttänzer:innen aus einem Drop Jump zu beeinflussen, während der RKI stärker von geschlechtsspezifischen Unterschieden beeinflusst wird. Zukünftige Forschung sollte die Wechselwirkung zwischen Sehnensteifigkeit und Sprungparametern unter Berücksichtigung von weiteren Faktoren wie der neuromuskulären Kontrolle und ballettspezifischen Fertigkeiten untersuchen.

LITERATUR

Rice, P. E., Nishikawa, K., & Nimphius, S. (2024). Strength and power capabilities predict weighted parameter ranking of saut de chat leaping performance in dancers. Sports Biomechanics, 23(9), 1176–1192. https://doi.org/10.1080/14763141.2021.1933580

Ward, R. E., Fong Yan, A., Orishimo, K. F., Kremenic, I. J., Hagins, M., Liederbach, M., Hiller, C. E., & Pappas, E. (2019). Comparison of lower limb stiffness between male and female dancers and athletes during drop jump landings. Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports, 29(1), 71–81. https://doi.org/10.1111/sms.13309