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AK1.09: AK: Kognitive Prozesse in Sportspielen
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Turning Pro: The Predictiveness of Cognitive Abilities for Soccer Success 1Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg; 2TSG ResearchLab gGmbH; 3Universität St. Gallen, Schweiz EINLEITUNG Leistung im Fußball basiert nicht nur auf körperlichen Eigenschaften, physiologischer Kapazität und sportartspezifischen Fähigkeiten, sondern auch auf kognitiven Fähigkeiten. Herausragende Fußballspieler:innen müssen viele Informationen in kurzer Zeit verarbeiten, unter Zeitdruck und bei sich stetig ändernden Bedingungen strategische Entscheidungen treffen und gleichzeitig unangemessene Verhaltensimpulse unterdrücken (Vestberg et al., 2017, 2020). Bisherige Querschnittsuntersuchungen haben für verschiedene Altersgruppen gezeigt, dass Fußballspieler:innen höherer Leistungsniveaus in Tests diverser kognitiver Fähigkeiten sowohl Nicht-Sportler:innen als auch Fußballspieler:innen auf niedrigerem Niveau übertreffen (Bonetti et al., 2025; Vestberg et al., 2017, 2020). Es fehlen derzeit jedoch Längsschnittstudien, die die Bedeutung kognitiver Fähigkeiten für fußballerischen Erfolg bestätigen. Zudem konzentrieren sich bisherige Studien fast ausschließlich auf männliche Spieler, sodass die Rolle kognitiver Fähigkeiten im Frauenfußball weitgehend unerforscht ist. METHODE Die vorliegende Studie untersucht, in welchem Ausmaß kognitive Leistungsdaten von männlichen und weiblichen Fußballspieler:innen eines deutschen Erstligisten (1,450 Datenpunkte von 417 Einzelspieler:innen, 28.5 % weiblich; Alter 11.0-21.3 Jahre) fußballerischen Erfolg geschlechterspezifisch vorhersagen können. Kognitive Leistungsdaten wurden zweimal pro Saison über bis zu fünf aufeinanderfolgende Saisons mit dem Determinationstest, einer GoNoGo-Aufgabe und einer nonverbalen n-back-Aufgabe erhoben. Der individuelle fußballerische Erfolg wird als Kombinationsmaß aus Wettbewerbsniveau, UEFA-Koeffizient und Spielzeit zu bis zu drei Zeitpunkten (Altersgruppen U19, U21 und U23) operationalisiert. Da keine vergleichbaren Längsschnittstudien existieren, werden in dieser Studie explorativ lineare und nichtlineare Machine-Learning-Ansätze (Elastic-Net und Random Forest) genutzt, um zu untersuchen, inwieweit die Verteilung der kognitiven Fähigkeiten über mehrere Jahre den fußballerischen Erfolg in den Altersklassen U19, U21 und U23 vorhersagen kann. Diese Ansätze sind gut geeignet, um Multikollinearität, hochdimensionale Daten und komplexe Beziehungen zwischen Prädiktoren und Ergebnissen zu modellieren. Zusammenfassend zielt die vorliegende längsschnittliche Studie darauf ab, den prädiktiven Wert kognitiver Fähigkeiten für den erfolgreichen Übergang vom Talententwicklungs- in den professionellen Erwachsenenbereich sowohl im Männer- als auch im Frauenfußball zu evaluieren. Die Ergebnisse könnten wichtige Implikationen für die Talentdiagnostik und -entwicklung haben. LITERATUR Bonetti, L., Vestberg, T., Jafari, R., Seghezzi, D., Ingvar, M., Kringelbach, M. L., Filgueiras, A., & Petrovic, P. (2025). Decoding the elite soccer player’s psychological profile. Proceedings of the National Academy of Sciences, 122(3), e2415126122. https://doi.org/10.1073/pnas.2415126122 Vestberg, T., Jafari, R., Almeida, R., Maurex, L., Ingvar, M., & Petrovic, P. (2020). Level of play and coach-rated game intelligence are related to performance on design fluency in elite soccer players. Scientific Reports, 10(1), 9852. https://doi.org/10.1038/s41598-020-66180-w Vestberg, T., Reinebo, G., Maurex, L., Ingvar, M., & Petrovic, P. (2017). Core executive functions are associated with success in young elite soccer players. PLOS ONE, 12(2), e0170845. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0170845 Vorhersageleistung bei der Beobachtung von Basketballfreiwürfen 1Neuromotor Behavior Laboratory, Fachbereich Psychologie und Sportwissenschaft, Justus-Liebig Universität Gießen; 2Center for Mind, Brain and Behavior, Universitäten Marburg, Gießen und Darmstadt EINLEITUNG Die Theorie der internen Modelle geht davon aus, dass Vorhersagen über Bewegungseffekte einen entscheidenden Beitrag zum motorischen Lernen und Handeln leisten. Untersuchungen mit erfahrenen Basketball- und Beachvolleyballspieler:innen zeigen, dass Expert:innen in der Lage sind, solche internen Prädiktionen zu nutzen, um das Ergebnis eines beobachteten Wurfes vorherzusagen (Aglioti et al., 2008; Cañal-Bruland et al., 2011). In diesen Studien unterschieden sich die Bewegungsausführungen der vorherzusagenden Bewegungsergebnisse jedoch deutlich (unterschiedliche Bewegungsrichtungen oder forcierte Fehlwürfe). Die vorliegende Studie untersucht daher, ob solche Vorhersagen auch bei der Beobachtung natürlicher, weniger variabler Freiwürfe möglich sind. METHODE Erfahrene Basketballspieler:innen (Regional-/Bundesliga, N = 12) beobachteten Videos (Blick von hinten rechts) von je 400 Freiwürfen (50 % Trefferquote) aus einem Pool von 25 Spieler:innen desselben Niveaus. Die Flugkurve des Balles wurde nach 30 Frames (bei 120 Hz) ausgeblendet. Die Bewegung der werfenden Person war bis zum Ende des Ballfluges zu sehen. Innerhalb einer Sekunde nach dem Video zeigten die Teilnehmenden über einen Tastendruck an, ob der Ball treffen würde oder nicht. Die Differenzierung zwischen Treffern und Nicht-Treffern wurde über Methoden der Signal Detection Theory quantifiziert. Zudem wurde die Antwortzeit als Maß der Reaktionszeit analysiert. ERGEBNISSE Es zeigt sich, dass eine überzufällig zutreffende Vorhersage des Wurfergebnis möglich ist (d‘ = 0,12; p < .05, d = 0.64). Dabei wiesen die Beobachter:innen die Tendenz auf, häufiger Treffer zu prädizieren als Fehlwürfe (c = -0.38, p < .001, d = 1.65). Unabhängig von dem tatsächlichen Ergebnis des jeweiligen Wurfes erfolgt die Antwort bei prädizierten Treffern auch früher als bei vermeintlichen Fehlwürfen. DISKUSSION Expert:innen scheinen bei der Beobachtung von Freiwürfen in der Lage zu sein, Informationen aus der Abwurfbewegung zu nutzen, diese mit der Vorhersage ihres internen Modells abzugleichen und daraus das Wurfergebnis überzufällig vorherzusagen. Dabei zeigt sich ein bereits zuvor beobachteter Bias (Maglott et al., 2019). Ergänzend zu bisherigen Studien scheint die Prädiktion schon bei natürlichen, wenig variablen Bewegungen möglich zu sein. LITERATUR Aglioti, S. M., Cesari, P., Romani, M., & Urgesi, C. (2008). Action anticipation and motor resonance in elite basketball players. Nature Neuroscience, 11(9), 1109–1116. https://doi.org/10.1038/nn.2182 Cañal-Bruland, R., Mooren, M., & Savelsbergh, G. J. P. (2011). Differentiating Experts’ Anticipatory Skills in Beach Volleyball. Research Quarterly for Exercise and Sport, 82(4), 667–674. https://doi.org/10.1080/02701367.2011.10599803 Maglott, J. C., Chiasson, D., & Shull, P. B. (2019). Influence of skill level on predicting the success of one’s own basketball free throws. PLOS ONE, 14(3), 1–9. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0214074 „Beat him to the spot“ - Blickverhalten im Dribbling im Eins-gegen-Eins im Basketball Deutsche Sporthochschule Köln EINLEITUNG Das Blickverhalten in Eins-gegen-Eins-Situationen im Basketball ist in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus der Forschung gerückt, insbesondere hinsichtlich defensiver Blickstrategien (Meyer et al., 2022) und des Blickverhaltens von Werfer:innen (Sirnik et al., 2022). Im Rahmen einer explorativen Pilotstudie wurde das Blickverhalten von Angreifern im Basketball untersucht. Im Eins-gegen-Eins zeigten sich dabei Blickmuster, darunter eine bislang nicht abschließend erklärte Bodenfixation während der Dribblingphase. Ziel dieser Teilstudie ist es zu untersuchen, inwiefern diese Fixation einen taktischen Ankerpunkt für den avisierten Abschlussort darstellt. METHODE Zwölf männliche Basketballspieler (M Alter = 23.4 Jahre, SD = 3.2; M Erfahrung = 12.9 Jahre, SD = 6,0), ausgestattet mit mobilen Eye-Tracking-Systemen (Pupil Invisible, Pupil Labs), absolvierten 189 Eins-gegen-Eins-Situationen unter minimalen Instruktionen. Insgesamt wurden 91 korbnahe Abschlüsse (< 4.2 m Entfernung zum Korb) analysiert. Fixationen (> 100 ms) während des Dribblings wurden kartografisch erfasst und in Relation zum Absprungort gesetzt. Diese Distanz zwischen Fixationspunkt und Absprungort (D) und die Trefferquote beim Korbabschluss (in %) wurden ermittelt. ERGEBNISSE Die durchschnittliche Entfernung des Fixationspunkts in der Dribblingphase zum Absprungort betrug D = 110.9 cm (SD D = 39.1 cm). Insgesamt wurden 30 % (56 von 189) der Angriffe erfolgreich abgeschlossen. Die Distanz zwischen Fixationspunkt und Absprungort hatte einen signifikanten Einfluss auf den Erfolg des Angriffs (p = .031, φ = 0.358). Bei kurzen Distanzen unter 0.5 m lag die Trefferquote bei 59 % (10 von 17); bei größeren Distanzen war sie signifikant niedriger (D 0.5-1 m: 17 %; D 1-1.5 m: 24 %; D > 1.5 m: 24 %). DISKUSSION Die Ergebnisse deuten auf ein sehr variables Blickverhalten während der Dribblingphase hin. Die beobachtete Bodenfixation könnte als taktisch gesetzter visueller Ankerpunkt interpretiert werden, der die Wahl und Präzision des Absprungorts beeinflusst und einen signifikanten Einfluss auf die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Angriffs hat. Dies hat potenzielle Implikationen für das taktische Training im Offensivspiel und bietet neue Anknüpfungspunkte für die Forschung zu visuellen Strategien im Sport. LITERATUR Meyer, J., Fasold, F., Schul, K., Sonnenschein, M., & Klatt, S. (2022). The defender’s vision—Gaze behavior of one-on-one defenders in basketball. Journal of Sport and Exercise Psychology, 44(2), 127–137. Sirnik, M., Erčulj, F., & Rošker, J. (2022). Research of visual attention in basketball shooting: A systematic review with meta-analysis. International Journal of Sports Science & Coaching, 17(5), 1195–1210. Lateralitätseffekte bei 1-gegen-1 Handlungen im Sportspiel Handball Deutsche Sporthochschule Köln EINLEITUNG Sich im eins gegen eins mit dem Ball gegen eine/n Gegenspieler:in durchzusetzen, gilt im Handball als zentrale Angriffshandlung (Burger et al., 2023). Studien haben gezeigt, dass Handballer:innen bei diesen meist lateral ausgeführten Handlungen in Richtung ihrer Wurfhand höhere Bewegungsgeschwindigkeiten erreichen als in die entgegengesetzte Richtung (u. a. Fasold et al., 2022). Daraus lässt sich die Annahme ableiten, dass laterale eins gegen eins Handlungen in Richtung der Wurfhand mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für einen Spielvorteil einhergehen als entgegen der Wurfhand. Ziel der Studie ist es daher, den Effekt der Handlungsrichtung in eins gegen eins Situationen auf den Erfolg im Spiel zu prüfen. METHODE In einer videobasierten Beobachtungsstudie wurden N = 1.333 eins gegen eins Handlungen aus 20 zufällig ausgewählten Spielen (je zehn Spiele der Männer- und Frauen-Bundesliga) in einem 2 x 3- Design hinsichtlich der lateralen Handlungsrichtung (zur vs. gegen die Wurfhand) und des resultierenden Spielvorteils (positiv, neutral, negativ) analysiert. Eine Spielhandlung wurde als positiv bewertet, wenn ein klarer Vorteil gegenüber der/dem Verteidiger:in zu erkennen war. Als neutral galt eine Situation, wenn kein Vorteil ersichtlich war, und als negativ, wenn daraus ein Ballverlust resultierte. Eine Reliabilitätsprüfung der Beobachtungskriterien durch einen zweiten Rater zeigte eine zufriedenstellende Konsistenz (Cronbachs α = .84). ERGEBNISSE Handlungen zur Wurfhand wurden mit 60.92 % häufiger ausgeführt. Es zeigte sich weiter ein kleiner Effekt in Bezug auf den Spielvorteil: Handlungen in Richtung der Wurfhand wurden nur zu 29.43 % als positiv bewertet (65.64 % neutral, 4.93 % negativ), während Handlungen gegen die Wurfhand zu 47.02 % positiv ausfielen (48.56 % neutral, 4.41 % negativ), χ² = 42.92, p < .001, Cramers V = .17. DISKUSSION Entgegen der Annahme erwiesen sich Handlungen entgegen der Wurfhand als erfolgreicher. Dies kann in der Form interpretiert werden, dass laterale eins gegen eins Handlungen in Richtung der Wurfhand meist zur Spielfeldmitte erfolgen, einem Bereich, dem in der Verteidigung besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Aus trainingspraktischer Sicht empfiehlt sich daher, die Spielhandlungen entgegen der Wurfhand und die resultierenden Folgehandlungen verstärkt in den Fokus zur rücken. Die Händigkeit der Spieler:innen und geschlechtsspezifische Unterschiede bieten darüber hinaus eine interessante Forschungsperspektive. LITERATUR Burger, A., Vrdoljak, D., Foretić, N., Spasić, M., & Pavlinović, V. (2023). Differences between elite and professional male handball players in kinematic parameters of single fake movement. Journal of Functional Morphology and Kinesiology, 8(2), 47. https://doi.org/10.3390/jfmk8020047 Fasold, F., Braun, A., & Klatt, S. (2022). Effects of arm dominance and decision demands on change of direction performance in handball players. Journal of Human Kinetics, 85(1), 127–135. https://doi.org/10.2478/hukin-2022-0116 |