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AK1.08: AK: Menstruationszyklus und Sport
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Auswirkungen der Menstruationszyklusphase auf objektive sportliche Leistungsfähigkeit und damit verbundene physiologische Parameter: Ein systematisches Review methodisch hochwertiger Studien Universität der Bundeswehr München EINLEITUNG Ob sich unterschiedliche Phasen des Menstruationszyklus auf die sportliche Leistungsfähigkeit auswirken, ist Gegenstand eines anhaltenden wissenschaftlichen Diskurses. Die Phasenverifizierung ohne tatsächliche Bestimmung der Sexualhormonkonzentration und heterogene Probandinnenproben erschweren die Analyse. Ziel dieser Übersichtsarbeit war die Analyse der Prävalenz hoher methodischer Standards zur Phasenbestimmung und die Repräsentativität von Spitzensportlerinnen in diesen Studien. Außerdem sollte der Einfluss der Zyklusphase auf die sportliche Leistungsfähigkeit untersucht werden. METHODE Dieses Review berücksichtigte daher ausschließlich Studien, welche 17β-Östradiol- und Progesteron im Blutserum analysierten und zusätzlich den Anstieg des luteinisierenden Hormons zur Phasenbestimmung heranzogen. Eine systematische Suche erfolgte in vier Datenbanken nach Studien, die sportliche Leistung und leistungsbezogene Parameter in ≥ 2 Zyklusphasen bei eumenorrheischen Frauen untersuchten. ERGEBNISSE Hundertneunzeh Studien (Gesamtstichprobe: N = 279, MAlter = 25.6, SD = 3,6 Jahre, MStichprobengröße = 13.9, SD = 7) wurden inkludiert, wobei Spitzensportlerinnen unterrepräsentiert waren. Die meisten verglichen drei Zyklusphasen, insbesondere die frühe Follikelphase (EF). 58 % der Studien berichteten über signifikante Phaseneffekte auf mindestens einen leistungsbezogenen Parameter, wenngleich Richtung und Ausmaß dieser Effekte zwischen den Studien variierten. Die EF wurde in einer Studie als ungünstig für die VO2max und in zwei Studien als ungünstig für die maximale Sprintleistung identifiziert. Die Ventilation bei submaximaler Belastung war in der EF reduziert. Maximal- und Explosivkraft blieben weitgehend unbeeinflusst. Drei Studien berichten über eine verbesserte neuromuskuläre Koordination während der Ovulation. Das Verzerrungsrisiko – insbesondere in Bezug auf Randomisierung und Ergebnisdarstellung – wurde als mäßig bis hoch eingestuft. DISKUSSION Trotz der Beschränkung auf Studien mit hohen methodischen Standards erschwert die Heterogenität der untersuchten Zyklusphasen und Stichproben die systematische Analyse. Die Verbreitung der Serumhormonanalytik im Spitzensportbereich erscheint unzureichend. Das hohe Verzerrungsrisiko legt nahe, dass Schlussfolgerungen hinsichtlich der Existenz oder Nichtexistenz von Zykluseffekten mit Vorsicht zu interpretieren sind. Menstrueller Blutverlust als initialer Auslöser für die Anpassung des Eisenstoffwechsels bei Sportlerinnen Abteilung für Leistungsphysiologie und Sporttherapie, Justus-Liebig Universität Gießen EINLEITUNG Für Sportlerinnen stellt der monatliche menstruelle Blutverlust (menstrual blood loss – MBL) eine zusätzliche Herausforderung für die ohnehin verringerte Eisenverfügbarkeit dar (Zhu, 1997). Während bisherige Studien primär zyklusabhängige Hormonveränderungen als Einflussfaktor auf den Eisenstoffwechsel untersuchten, wählte die vorliegende Studie einen alternativen Ansatz und prüfte, ob der MBL selbst als initialer Trigger einer physiologischen Anpassung des Eisenstoffwechsel bei Athletinnen fungiert. METHODE An der Studie nahmen elf gesunde, eumenorrhoische, semiprofessionelle Fußballspielerinnen (MAlter = 24.5, SD = 4.4 Jahre) teil. Der Menstruationszyklus wurde über einen Zeitraum von fünf Monaten mittels symptothermaler Methode dokumentiert und durch luteinisierende Hormon(LH)-Tests ergänzt. Blutproben wurden jeweils in der frühen Follikelphase (early follicular phase - EFP), Zyklustag 3-5, sowie in der mittleren Lutealphase (mid luteal phase - MLP) 7-9 Tage nach positivem LH-Test entnommen und auf relevante Hormonparameter (Progesteron, Östradiol, FSH, LH), sowie hämatologische und Eisenstoffwechselparameter analysiert. Zur Erfassung des MBL wurde in zwei Zyklen ein validiertes pictorial blood assessment chart (PBAC) eingesetzt und ein Score (Higham-Score) berechnet. Die Blutabnahmen erfolgten morgens, nüchtern und unter standardisierten Bedingungen. Neben Korrelationsanalysen wurde ein lineares gemischtes Modell gerechnet. ERGEBNISSE Es zeigte sich eine signifikante Korrelation zwischen der Retikulozytenzahl und dem MBL (r = .64, p <.05). Darüber hinaus bestand in der frühen Follikelphase (EFP) eine signifikante Korrelation zwischen Hepcidin und Erythropoetin (EPO) (r = -.71, p < .05). In einem linearen gemischten Modell zeigte sich, dass der menstruelle Blutverlust signifikant negativ mit den Ferritinwerten assoziiert war (β = -.29, SE = .09, 95 %-KI [-.46; -.12], p = .001). Auch der Ferritinindex zeigte eine signifikant positive Assoziation mit dem MBL (β = .005, SE = .002, 95 % KI [.001, .009], p = .010). DISKUSSION Die Ergebnisse zeigen, dass der MBL einen relevanten physiologischen Stimulus für die Anpassung des Eisenstoffwechsels und die Erythropoese bei eumenorrhoischen Athletinnen darstellen kann. Diese Anpassungen scheinen in unserem Modell unabhängig von zyklusbedingten Hormonschwankungen zu verlaufen. Die Einbeziehung von MBL in die Beurteilung des Eisenstatus liefert daher einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis individueller Bedürfnisse weiblicher Athletinnen. LITERATUR Zhu, Y. I., & Haas, J. D. (1997). Iron depletion without anemia and physical performance in young women. The American journal of clinical nutrition, 66(2), 334–341. Menstruation im Sport aus sportsoziologischer Perspektive Georg-August-Universität Göttingen EINLEITUNG In den letzten Jahren wird das Thema Menstruation im Sport in der Sportwissenschaft und in der breiten Öffentlichkeit zunehmend relevant. Die wachsende Popularität von zyklusbasierten Trainingskonzepten im Leistungs- wie auch im Amateur- und Freizeitsport und vermittelt durch populärwissenschaftliche Print- und Online-Medien eröffnet viele sport-, geschlechter- und wissenssoziologische Fragestellungen. METHODE Mittels qualitativer inhaltlich-strukturierender Inhaltsanalysen von drei ausgewählten zyklusbasierten Trainingsmanualen und einer Fernsehreportage wurde untersucht, wie das Thema Menstruation im Sport verhandelt wird, was zentrale Themen und Aussagen sind und welches Formen von Geschlechterwissen (Wetterer, 2008) hierbei aufgerufen werden. Dies wird im Vortrag dargestellt und geschlechter- und sportsoziologisch eingeordnet. ERGEBNISSE UND DISKUSSION Die Enttabuisierung der Menstruation kann als Überwindung eines tradierten Androzentrismus in Sport und Sportwissenschaft gewertet werden. Allerdings zeigt sich eine nicht unwesentliche Diskrepanz zwischen der populären Darstellung und der tatsächlichen sportmedizinischen und trainingswissenschaftlichen Evidenz (McNulty et al., 2020) und der generellen Komplexität von Geschlecht und seinen körperlichen Auswirkungen (Krieger, 2003). Der weibliche Körper wird als defizitäres ‚Anderes‘ konstruiert. Dadurch schließen diese Diskurse an (historische) naturalistische/biologistische Legitimierungen des Ausschlusses von Frauen aus dem Sport aufgrund einer essentialisierten weiblichen Vulnerabilität an, die intensives Sporttreiben für Frauen als gesundheitliche Gefahr darstell(t)en. (Pfister, 2010; Günter, 2018) Der Beitrag schließt mit einem Plädoyer für eine selbstreflexive Sportwissenschaft, die gerade von der interdisziplinären Zusammenarbeit natur- wie sozialwissenschaftlicher Ansätze profitiert, was am konkreten Beispiel des ambivalenten Phänomens ‚zyklusbasiertes Training‘ deutlich wird. LITERATUR Günter, S. (2018). „Männlicher Widerwille gegen weibische Weichlichkeit“ (GutsMuths (1793) 1893, 26): Historische und aktuelle Perspektiven auf hegemoniale Männlichkeitskonstruktionen im Feld des Sports. In M. K. Schweer (Hrsg.), Sexismus und Homophobie im Sport: Interdisziplinäre Perspektiven auf ein vernachlässigtes Forschungsfeld, 21−37. Springer. Krieger, N. (2003). Genders, Sexes, and Health: What are the Connections--and why does it matter? International Journal of Epidemiology, 32(4), 652−657. McNulty, K. L., Elliott-Sale, K. J., Dolan, E., Swinton, P. A., Ansdell, P., Goodall, S., Thomas, K., & Hicks, K. M. (2020). The Effects of Menstrual Cycle Phase on Exercise Performance in Eumenorrheic Women: A Systematic Review and Meta-Analysis. Sports Medicine, 50(10), 1813−1827. Pfister, G. (2010). Women in Sport – Gender Relations and Future Perspectives. Sport in Society, 13(2), 234−248. Wetterer, A. (2008). Geschlechterwissen & soziale Praxis: Grundzüge einer Typologie des Geschlechterwissens. In A. Wetterer (Hrsg.), Geschlechterwissen und soziale Praxis. Theoretische Zugänge – empirische Erträge (S. 39−63). Helmer. |