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AK4.02: AK: Nachhaltigkeit, Gesundheit und Verhalten im Sport
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Wie kann sich der Sport vor Gesundheitsrisiken durch den Klimawandel schützen? – Eine transdisziplinäre Experten-Studie 1Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg; 2Zentrum für Präventivmedizin und Digitale Gesundheit (COPD); 3Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd EINLEITUNG Gegen den Klimawandel haben die Vereinten Nationen mit dem UNFCCC Sports for Climate Action Framework einen ersten Vorschlag einer sportspezifischen Mitigationsstrategie veröffentlicht. Die hier vorgestellte transdisziplinäre Delphi-Studie hat das Ziel, diese durch eine sportspezifische Adaptationsstrategie zu ergänzen. METHODE Im Rahmen eines klassischen asynchronen Delphi-Verfahrens wurden einerseits 24 Ärzt:innen mit Expertise im Bereich Dermatologie, Innere Medizin, Allergologie, Sportmedizin, Infektiologie oder Toxikologie eingeladen. Befragt wurden außerdem 24 Expert:innen aus den acht mitgliederstärksten im Deutschen Olympischen Sportbund organisierten Outdoorsportverbänden (Deutscher Fußball-Bund, Deutscher Tennis-Bund, Deutscher Alpenverein, Deutscher Leichtathletik-Verband, Deutsche Reiterliche Vereinigung, Deutscher Golf Verband, Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft, Deutscher Skiverband). Die drei Befragungsrunden wurden online im Abstand von jeweils vier Wochen durchgeführt. Dabei wurde sowohl nach persönlichen als auch nach verbandsinternen Adaptationsstrategien gefragt. ERGEBNISSE Die von den Expert:innen empfohlenen verhältnispräventiven Maßnahmen lassen sich vertikal in technisch-bauliche, organisatorische und personenbezogene Maßnahmen gruppieren. Gleichzeitig lassen sich die Vorschläge horizontal entlang der Gesundheitsrisiken „temperaturbedingte Risiken“, „Unfall- und Verletzungsrisiken“, „UV-bedingte Risiken“, „inhalative Risiken“, „Infektions- und Intoxikationsrisiken“ und „mentale Risiken“ differenzieren. Die befragten Expert:innen benannten auch unterstützende Querschnittsmaßnahmen (Aus-, Fort- und Weiterbildung, Handlungs-, Warn- und Finanzierungskonzepte, Kooperation und Koordination, Kampagnen und Evaluation). DISKUSSION Die empirisch und im Expert:innen-Konsens ermittelten und anschließend systematisierten Adaptationsmaßnahmen können als Ausgangsbasis eines sportspezifischen Modells zur Anpassung an die mannigfaltigen Folgen des Klimawandels dienen. Die Ergebnisse flossen mittlerweile u. a. in den „Musterhitzeschutzplan für den organisierten Sport“ des Bundesgesundheitsministeriums ein. LITERATUR Schneider, S. (Hrsg.). (2024). Gesundheitsrisiko Klimawandel: Neue Herausforderungen für Sport, Beruf und Alltag. Hogrefe AG. https://doi.org/10.1024/86286-000 Schneider, S., Niederberger, M., Kurowski, L., & Bade, L. (2024). How can outdoor sports protect themselves against climate change-related health risks? – A prevention model based on an expert Delphi study. Journal of Science and Medicine in Sport, 27(1), 37–44. Hitzebezogene Gesundheitskompetenz: Validierung einer Skala und Zusammenhänge mit hitzebedingtem Wissen, Bewusstsein und Verhalten School of Medicine and Health, Department Health and Sport Sciences, TU München Einleitung Der Klimawandel und seine Folgen, insbesondere eine erhöhte Belastung durch Hitze, werden sich in Zukunft zunehmend auf die Gesundheit von Millionen von Menschen auswirken. Der Fokus verlagert sich auf die Entwicklung von Maßnahmen, die auf einen angemessenen und gesundheitsorientierten Umgang mit Hitze zielen. Die Förderung einer umfassenden Kompetenz im Umgang mit hitzebedingten Gesundheitsrisiken erscheint dabei besonders sinnvoll. Eine validierte Skala zur Erfassung der hitzebezogenen Gesundheitskompetenz als Grundlage der Maßnahmenentwicklung liegt aktuell jedoch noch nicht vor. METHODE Anhand der Theorie zu allgemeiner Gesundheitskompetenz (Sørensen et al., 2012) wurde eine hitzespezifische Skala entwickelt und in einer Querschnittserhebung mit n = 407 Erwachsenen in Deutschland (51 % weiblich, MAlter = 58, SD = 12 Jahre) eingesetzt. Die Skala, bestehend aus 20 Items mit den 5-stufigen Antwortalternativen („sehr einfach“ bis „sehr schwierig“), wurde auf ihre Faktorstruktur geprüft und mit der übersetzten „heat wave knowledge, awareness, practice and behavior scale“ (Sayili et al., 2022) in Bezug gesetzt. ERGEBNISSE Mittels explorativer Strukturgleichungsmodelle wurde die Skala geprüft und auf 16 Items reduziert (Cronbach’s α = .96). Es zeigte sich eine Vierfaktorstruktur (Finden, Verstehen, Beurteilen und Anwenden von hitzebezogenen Gesundheitsinformationen) mit einem übergeordneten Faktor erster Ordnung mit guten Fit-Indizes (CFI = 0.97, TLI = 0.96, RMSEA = 0.06, SRMR = 0.03). Ihre hitzebezogene Gesundheitskompetenz schätzten 36 % der Befragten als inadäquat oder problematisch ein. In einer konfirmatorischen Faktorenanalyse wurde die neu entwickelte Skala von den Faktoren zu hitzebezogenem Wissen (Cov = 0.12, p = .07), Bewusstsein (Cov = 0.07, p = .24) und Verhalten (Cov = 0.37, p < .01) abgegrenzt. DISKUSSION Durch die adäquate Erfassung domänenspezifischer Gesundheitskompetenz können Zusammenhänge mit hitzebezogenem Verhalten als Zielvariable von Maßnahmen hergestellt werden. Längsschnittdesigns unter Einbezug sozioökonomischer und umweltbezogener Faktoren könnten zukünftig helfen, vulnerable Gruppen zu identifizieren. Adressatenorientierte Informationen und Interventionen helfen den Betroffenen, sich gesundheitsförderlich in der Klimakrise zu verhalten und die Gesundheit nachhaltig zu erhalten und verbessern. LITERATUR Sayili, U., Siddikoglu, E., Pirdal, B. Z., Uygur, A., Toplu, F. S., & Can, G. (2022). The heat wave knowledge, awareness, practice and behavior scale: Scale development, validation and reliability. PLoS One, 17(12), e0279259. Sørensen, K., Van den Broucke, S., Fullam, J., Doyle, G., Pelikan, J., Slonska, Z., Brand, H., & (HLS-EU) Consortium Health Literacy Project European. (2012). Health literacy and public health: A systematic review and integration of definitions and models. BMC Public Health, 12, 1–13. Energieeffizienz und Aufenthaltsqualität in Sporthallen Universität Stuttgart EINLEITUNG Die Zukunft der Sportinfrastruktur erfordert funktionale, sichere und behagliche Räumlichkeiten, die nachhaltig gestaltet sind. Für deren Planung und Ausführung bedarf es fundierter Forschungsergebnisse zur Aufenthaltsqualität und energetischen Bilanz von Sporträumen. Im Rahmen von Forschungsprojekten wurde erstens untersucht, wie sich gesunde und attraktive Bedingungen, z. B. für Raumklima und Luftqualität, in Sporthallen schaffen und gleichzeitig energie- und ressourcenschonende Lösungen erreichen lassen. Zweitens widmete sich eine geschlechterspezifische Untersuchung den Zusammenhängen zwischen der Raumbehaglichkeit und Leistung von Sporttreibenden, um gezielte Maßnahmen zur Verbesserung des Trainingsumfelds zu entwickeln, die den Bedürfnissen sowohl von Frauen als auch von Männern gerecht werden. METHODE Die methodische Vorgehensweise beruht auf hygrothermischen Raum- und Menschmodellen, die z. B. für Wohn- und Arbeitsräume bereits zum Planungs- und Bewertungsrepertoire gehören. Allerdings fehlen für diese Modelle valide Daten zu Sporträumen (typische Abmessungen und Ausstattungen) und sportlicher Aktivität (erhöhte Wärmeabgabe usw.). Zusätzlich wurden bislang kaum nutzungs- und geschlechterspezifische Untersuchungen in Sporthallen durchgeführt, obwohl ein Einfluss als naheliegend angesehen wird. Zu dessen Erfassung dient ein kombiniertes bzw. synchronisiertes Versuchsdesign aus Messung und Befragung von weiblichen und männlichen Versuchspersonen, z. B. zur Wahrnehmung und zu Präferenzen bezüglich bauphysikalischer Parameter während sportlicher Aktivität. Zu den Messgrößen zählen Lufttemperatur, Luftfeuchte, Luftgeschwindigkeit, Strahlungstemperatur, CO2-Konzentration und dergleichen, die an raumgeometrisch und -physikalisch sinnvollen Punkten im variabel konditionierbaren Laborraum gemessen werden. ERGEBNISSE Die bislang im Projekt erfassten, umfangreichen Messdaten (Raum, Versuchspersonen) und Nutzer:innenurteile (Raumbewertung, Konditionierungspräferenzen) lassen sowohl Schlüsse auf die gewählte Methodik (Validität, Reproduzierbarkeit, Handhabung) als auch auf einzelne Gestaltungshinweise insbesondere zum Raumklima zu. Für die baulich-technische Umsetzung in Sporthallen lassen sich daraus konkrete Kriterien und auch Technologien ableiten, die ansatzweise bereits in entsprechende Normen einfließen. DISKUSSION Die Projektergebnisse werden erste Antworten auf nutzungs- und geschlechterspezifische Ansprüche an die bauphysikalischen Sportraumeigenschaften liefern. Allerdings münden sie auch in vertiefende Fragen, die weitere wissenschaftliche Untersuchungen erfordern, wie z. B. die Verknüpfung mit sportfunktionalen und sportartspezifischen Anforderungen. Der Einfluss der Temperatur auf aggressives Verhalten im Fußball Universität Heidelberg EINLEITUNG Studien konnten Auswirkungen des Wetters auf die Stimmung und das menschliche Verhalten nachweisen (Bell & Baron, 1976, Kuttanda, et al., 2018). Eine Theorie zum Einfluss des Wetters auf Verhalten ist die Heat- Aggression Theory, die besagt, dass mit steigenden Temperaturen auch die Wahrscheinlichkeit für aggressives Verhalten ansteigt (Anderson & Anderson 1984). Bisherige Forschung konnte positive Zusammenhänge zwischen Temperatur und aggressivem Verhalten im Sport, insbesondere im Baseball und American Football, nachweisen (Craig et al., 2016; Krenzer & Splan, 2017). Es zeigte sich, dass an heißen Tagen signifikant mehr aggressive Verhaltensweisen wie Fouls auftreten. METHODE Die Studie untersucht den Zusammenhang zwischen Temperatur und aggressivem Verhalten in der deutschen Fußball-Bundesliga, der französischen Ligue 1, der portugiesischen Primeira Liga, der spanischen La Liga und der italienischen Serie A. Basierend auf mehr als 3000 Spielen der Saison 2009/10 bis 2018/19 pro Liga, wurde aggressives Verhalten durch die Anzahl der Foulspiele, Karten und Platzverweise erfasst. Die Wetterdaten wurden bei den nationalen Wetterinstituten bezogen. ERGEBNISSE Korrelationsanalysen ergeben keinen allgemeinen, signifikanten Zusammenhang zwischen der Temperatur und der Anzahl der gepfiffenen Fouls – weder insgesamt noch innerhalb der einzelnen Ligen. Dies widerspricht der Hypothese, dass höhere Temperaturen mit aggressiverem Verhalten korrelieren. Der Effekt tritt lediglich in einzelnen Spielzeiten auf. DISKUSSION Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Auswirkungen der Temperatur auf aggressives Verhalten im Fußball komplex sind und von mehreren Faktoren abhängen könnten, darunter das Temperaturniveau innerhalb einer Saison und die spezifische Natur des Spiels. Zukünftige Untersuchungen sollten auch zwischen taktischen und aggressiven Fouls differenzieren, da diese möglicherweise unterschiedlich auf Temperaturveränderungen reagieren. LITERATUR Anderson, C. A., & Anderson, D. C. (1984). Ambient temperature and violent crime: tests of the linear and curvilinear hypotheses. Journal of Personality and Social Psychology, 46(1), 91–917. Bell, P. A., & Baron, R. A. (1976). Aggression and heat: The mediating role of negative affect. Journal of Applied Social Psychology, 6(1), 18–30. Craig, C., Overbeek, R. W., Condon, M. V., & Rinaldo, S. B. (2016). A relationship between temperature and aggression in NFL football penalties. Journal of Sport and Health Science, 5(2), 205–210. Krenzer, W. L. D., & Splan, E. D. (2017). Evaluating the heat-aggression hypothesis: The role of temporal and social factors in predicting baseball related aggression. Aggressive Behavior, 44(1), 83–88. Kuttanda, V., Dovina, D. T., & Philip, J. N. (2018). Weather, mood and helping behavior: A comparative study between two indian cities (Chennai and Mysore). Journal of Psychological Research, 13(2), 453–467. |