Veranstaltungsprogramm

Sitzung
AK6.01: AK: Integration, Inklusion und Vielfalt im Sport
Zeit:
Freitag, 19.09.2025:
8:30 - 9:30

Chair der Sitzung: Helga Leineweber, Universität Münster
Ort: Raum Freiburg (S9)

Schloss 151 Plätze

Präsentationen

Inklusion im Sport: Befunde einer bundesweiten Befragung

Böhme, Marc

Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport

EINLEITUNG

Menschen mit Behinderungen (MmB) sind nach wie vor benachteiligt, wenn sie Sport ausüben möchten, insbesondere in Einrichtungen der Eingliederungshilfe, wie etwa Werkstätten und Wohnheimen (E-EGH) (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2021; Steinwede & Harand, 2022). Die Studienlage ließ bisher keine gesicherten Aussagen zum Sportverhalten von MmB zu, da umfangreiche Daten fehlten. Daher wurde eine bundesweite Befragung von MmB, Fach- und Assistenzkräften (FAK) und Leitungskräften (LK) der E-EGH durchgeführt. Damit können erstmals belastbare Aussagen zum aktuellen Stand der Inklusion und Barrierefreiheit im Sport, sowie förderliche und hinderliche Faktoren der Teilhabe getätigt werden.

METHODE

Es wurden spezifische (barrierearme) Fragebögen für Erwachsene (18-65 Jahre) MmB, LK und FAK entwickelt. Die Datenanalyse erfolgte deskriptiv sowie inferenzstatistisch mittels t-Test, χ²-Test und Korrelationsberechnungen zur Untersuchung von Gruppenunterschieden und Zusammenhängen.

ERGEBNISSE

Es nahmen insgesamt 1.185 MmB, 503 FAK sowie 395 LK an der Befragung teil. Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass 62.5 % der MmB sportlich aktiv sind und davon würden 75 % gerne noch mehr Sport machen. Sport wird meist von MmB selbst organisiert und dient vor allem der Gesundheit, dem Spaß und Stressabbau. Hindernisse sind Gesundheitszustand, Zeitmangel, Kosten und keine passenden Angebote vor Ort. Die Befragung der FAK und LK ergab, dass in E-EGH zwar häufig Sportangebote bestehen, jedoch 43 % der Befragten diese als nicht ausreichend einschätzen. Ein Ausbau scheitert am fehlenden Gefühl der Zuständigkeit durch FAK und LK, hoher Arbeitsbelastung, fehlenden Räumen und geringer Priorisierung im Arbeitsalltag. Wenn FAK eine Aus- oder Weiterbildung im Bereich Sport haben, beeinflusst das die Anzahl der Sportangebote in E-EGH positiv (p < .001).

DISKUSSION

Viele MmB in E-EGH finden im organisierten Sport bislang keine geeignete Teilhabemöglichkeit. Sportanbietende sollten weiter beim Ausbau inklusiver, bedarfsorientierter Angebote unterstützt werden, um E-EGH als Kooperationspartner und MmB als Mitglieder gewinnen zu können. In E-EGH sollte neben den strukturellen Faktoren, ebenfalls die Qualifizierung und das persönliche Interesse an Sport von LK und FAK als Einflussfaktor für die Umsetzung von Sportangeboten mehr berücksichtigt werden.

LITERATUR

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2021). Dritter Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen (Gesamtbericht). Abruf von https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/a125-21-teilhabebericht.htm l

Steinwede, J., & Harand, J. (2022). Abschlussbericht Repräsentativbefragung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung.



Zugehörigkeitserfahrungen Geflüchteter in Wettkampfmannschaften und Breitensportgruppen im Sportverein

Fast, Natalia; Kastrup, Valerie

Universität Bielefeld

EINLEITUNG

Seit 2015 bemüht sich der organisierte Sport verstärkt darum, Geflüchteten einen Zugang zum Sportverein zu ermöglichen und diese aktiv in die Vereinsarbeit einzubinden (DOSB, 2015). Während verschiedene empirische Studien über sportbezogene Integrationsprojekte für Geflüchtete aufgezeigt haben, dass ein Sportengagement Zugehörigkeitserfahrungen vermitteln kann, liegen bislang keine Befunde mit Blick auf ein Sportengagement Geflüchteter in regulären Wettkampfmannschaften bzw. Breitensportgruppen eines Sportvereins vor. Im Fokus des Vortrags steht daher die Frage, ob und welche Zugehörigkeitserfahrungen Geflüchtete in solchen Gruppen machen.

METHODE

Um diese Frage zu beantworten, werden leitfadengestützte, problemzentrierte Interviews mit männlichen Geflüchteten, die in verschiedenen Sportvereinen und Sportarten aktiv sind, inhaltsanalytisch nach Mayring (2022) ausgewertet. Die Auswertung erfolgt entlang von Kategorien, die aus dem Belonging-Konzept von Pfaff-Czarnecka (2012) generiert wurden.

ERGEBNISSE

Die Befunde zeigen, dass ein Sporttreiben in regulären Mannschaften bzw. Gruppen im Verein Geflüchteten vielfältige Zugehörigkeitserfahrungen ermöglichen kann, v. a. in den Dimensionen „Gemeinsamkeit“, „Bindungen an Objekte“ und „Gegenseitigkeit“. Diese Erfahrungen können Geflüchteten helfen, die mit der Flucht und dem Neuanfang in Deutschland verbundenen Belastungen besser zu bewältigen, und erleichtern bestimmte integrative Prozesse. Allerdings entstehen auch „Kosten“, d. h. es gibt einen „Preis“ der Zugehörigkeit (Pfaff-Czarnecka, 2012, S. 32), der wiederum gegen den Nutzen abgewogen werden muss. Bedingt durch die verschiedenen Sportsettings und -arten unterscheiden sich die im Rahmen des Vereinsengagements entstandenen sozialen Beziehungen nach Art und Intensität, wodurch sich ein facettenreiches Bild der Zugehörigkeitserfahrungen ergibt.

DISKUSSION

Die auf dem Belonging-Konzept basierende Auswertung der Interviews ermöglicht es, Zugehörigkeitserfahrungen differenziert und aus der Perspektive der Geflüchteten selbst abzubilden. Die so gewonnenen Erkenntnisse können in Hinweise überführt werden, wie Integrationsmaßnahmen von Sportvereinen und -verbänden künftig gestaltet werden sollten, damit Geflüchtete längerfristig im Sport verbleiben und von den dort möglichen Zugehörigkeitserfahrungen profitieren können.

LITERATUR

Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB). (2015). Projekt „Willkommen im Sport“. https://integration.dosb.de/inhalte/projekte/wis-willkommen-im-sport-fuer-gefluechtete

Mayring, P. (2022). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. Beltz Juventa. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37985-8_43

Pfaff-Czarnecka, J. (2012). Zugehörigkeit in der mobilen Welt. Politiken der Verortung. Wallstein.



Inklusives Spielrecht? Eine quantitative Analyse zur Umsetzung inklusiver Partizipationsregeln für trans*, inter* und nichtbinäre Athlet*innen im Fußball

Dernbach, Maike; Hartmann-Tews, Ilse

Deutsche Sporthochschule Köln

EINLEITUNG

Unter dem Motto „Sport für alle“ wird dem Sport stets ein inklusiver Charakter zugeschrieben. Studien zeigen jedoch, dass trans*, inter* und nichtbinäre [tin*] Athlet*innen im organisierten Sport häufig Diskriminierung erfahren, u. a. strukturelle Benachteiligung, verbale Beleidigungen und körperliche Übergriffe (Braumüller et al., 2020). Insbesondere im Fußball verstärkt das binäre Geschlechtsverständnis als Strukturprinzip sowie die von hegemonialer Männlichkeit und Heteronormativität geprägte Organisationskultur diese Exklusion (Erikainen et al., 2022). Seit der Spielzeit 2022/2023 ermöglicht das „Inklusive Spielrecht“ des Deutschen Fußballbundes [DFB] tin* Athlet*innen selbst zu entscheiden, in welchem Team sie partizipieren wollen. Forschungsarbeiten weisen jedoch darauf hin, dass Änderungen zur Förderung von Diversität im Sport oftmals auf organisationale Widerstände stoßen und Veränderungsprozesse von Trägheit geprägt sind (Rulofs, 2012). Vor diesem Hintergrund untersucht diese Studie unter Einnahme einer akteurtheoretischen Perspektive (Schimank, 2010), inwieweit die inklusiven Regelungen des DFBs in der Sportpraxis tatsächlich umgesetzt werden und tin* Athlet*innen der Zugang zur Sportpartizipation gewährt wird.

METHODE

Zur Beantwortung der Fragestellungen wird im Rahmen eines Feldexperiments eine standardisierte Mailanfrage an Fußballvereine verschickt (n = 1169), in der eine fiktive Person Interesse an einem Probetraining äußert, wobei die Geschlechtsidentität variiert wird.

ERGEBNISSE

Basierend auf den Rückmeldungen der Vereine wird der Zusammenhang zwischen der Gewährung/Verwehrung der Sportpartizipation und der Geschlechtsidentität sowie die Umsetzung der inklusiven Bestimmungen des Spielbetriebs des DFBs quantitativ getestet.

DISKUSSION

Die Befunde zeigen, inwieweit die Inklusionsregeln in der Sportpraxis wirksam sind und geben erste Hinweise auf förderliche und hinderliche Rahmenbedingungen der Umsetzung.

LITERATUR

Braumüller, B., Menzel, T., & Hartmann-Tews, I. (2020). Gender identities in organized sports – athletes' experiences and organizational strategies of inclusion. Frontiers in Sociology, 5, 578213.

Erikainen, S., Vincent, B., & Hopkins, A. (2022). Specific detriment: Barriers and opportunities for non-binary inclusive sports in Scotland. Journal of Sport and Social Issues, 46(1), 75–102.

Rulofs, B. (2012). „We are a very, very homogenous group.” – Promoting and Managing Social Diversity in Sports? In B. Segaert, M. Theeboom, C. Timmermann, & B. Vanreusel (Hrsg.), Sports Governance, Development and Corporate Responsibility (S. 63–73). Routledge.

Schimank, U. (2010). Handeln und Strukturen. Einführung in die akteurtheoretische Soziologie (4., völlig überarb. Aufl.). Juventa.



Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt bei Sporteignungstests in Deutschland

Gabriel, Lena

Universität Paderborn

EINLEITUNG

Seit November 2024 wurde die geschlechtliche Selbstbestimmung durch das Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes weiter gestärkt. Mit dieser gesellschaftlichen Veränderung müssen sich auch Bildungsinstitutionen wie die Hochschulen in Deutschland auseinandersetzten. Mit Blick auf das Studienfach Sport sind an den meisten Hochschulstandorten vor Beginn des Sportstudiums Sporteignungsprüfungen relevant. Die sportmotorischen Anforderungen der Tests sind zum Großteil durch ein bipolares Geschlechterverständnis geprägt (Gabriel & Möhwald, 2023). Das Forschungsprojekt widmet sich der Geschlechterdiversität in deutschen Hochschulen und analysiert geschlechtliche Vielfalt in Sporteignungsprüfungen sowie im Sportstudium. Das Forschungsprojekt besteht aus mehreren Teilstudien. Diese Teilstudie umfasst eine qualitative Interviewstudie mit Mitarbeiter:innen von verschiedenen Sportinstituten und geht der Fragestellung nach, wie mit geschlechtlicher Vielfalt vor und während Sporteignungsprüfungen umgegangen wird.

METHODE

Zwei Teilstudien des Forschungsprojekts sind bereits abgeschlossen (Dokumentenanalyse aller Sporteignungsprüfungsordnungen in Deutschland N = 43 sowie eine Online-Fragenbogenstudie (Rücklauf 93.3 %)). Von Mai bis Juni 2025 sind qualitative Interviews an verschiedenen Sportinstituten geplant. Im Vortrag werden schwerpunktmäßig die Ergebnisse der qualitativen Interviewstudie vorgestellt.

ERGEBNISSE & DISKUSSION

In der Online-Befragung wird deutlich, dass zwar nur wenige Sportinstitute mit Fragen von Studieninteressierten zu geschlechtlicher Vielfalt konfrontiert wurden, der Austausch in den Arbeitsgruppen und auf Institutsebene jedoch stattfindet (Gabriel & Möhwald, 2023). Die qualitative Interviewstudie verfolgt das Interesse einen Einblick in diese Diskurse zu erhalten sowie mehr über den individuellen Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt in Sporteignungsprüfungen zu erfahren. Ein primäres Ziel sollte es sein, diskriminierende Strukturen zu identifizieren, um somit einen Blick für prozessuale Veränderungen zu schaffen, um der Chancengleichheit vor und während des Sportstudiums gerecht zu werden (Heckemeyer et. al., 2021).

LITERATUR

Gabriel, L., & Möhwald, A. (2023). Sporteignungsprüfungen für Alle!? Erfahrungen mit geschlechtlicher Vielfalt bei Hochschulzugang zum Fach Sport in Deutschland. In Schlesinger, T., Grimminger-Seidensticker, E., Ferrauti, A., Kellmann, M. Thiel, C. & Kullik. L. (Hrsg.), Leistung steuern. Gesundheit stärken. Entwicklung fördern. 26. dvs-Hochschultag, Bochum, 20.–22. September 2023. Czwalina.

Heckemeyer, K., Frohn, J., & Günter, S. (2021). Erklärung der dvs-Kommission Geschlechter- und Diversitätsforschung: Geschlechtliche Vielfalt im Sport – Konsequenzen für die Sportwissenschaft. Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft. Abgerufen von https://www.sportwissenschaft.de/fileadmin/pdf/download/2021_Erklaerung_Ge schlechtliche_Vielfalt_im_Sport_final.pdf