Promovieren und Promotionen in der deutschen Sportwissenschaft
Fehr, Uli1,2
1Universität Bayreuth; 2Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs)
EINLEITUNG
Promotionen und deren Verfahrensregelungen sind wichtige Aspekte einer Wissenschaftsdisziplin. Der Beitrag gibt primär einen Überblick über die durch Promotionsordnungen festgelegten Rahmenbedingungen kumulative Dissertationen in der deutschen Sportwissenschaft. Die Zusammenstellung soll es den Standorten und Promovierenden ermöglichen, die eigenen Promotionsordnungen besser einordnen zu können. Mit den dvs-Empfehlungen zu kumulativen Dissertationen bietet der Beitrag eine potentielle Argumentationshilfe bei Revisionen.
METHODE
Zur Darstellung der Entwicklung sportwissenschaftlicher Promotionen wurden Daten des Statistischen Bundesamtes (Statistisches Bundesamt, 2024) aggregiert. Auf eine Darstellung der Resultate wird im Rahmen des Abstracts verzichtet. Die formalen Rahmenbedingungen wurden über die Analyse von a priori als relevant angesehener Aspekte in Promotionsordnungen erhoben. Einbezogen wurden 59 zum Stichtag 15.03.2025 gültige Ordnungen von staatlichen Hochschulen mit Promotionsmöglichkeit im Fach Sportwissenschaft.
ERGEBNISSE
Kumulative Dissertationen ermöglichen alle Ordnungen – 2018 war dies nur bei 81.7 % der Standorte vorgesehen (dvs, 2018). Bei 14 Ordnungen ist die Anzahl von Einzelbeiträgen nicht geregelt. Analog zu den dvs-Empfehlungen (dvs, 2019) überwiegt die Forderung nach drei Publikationen (n = 33), an sechs Standorten sind zwei Beiträge ausreichend. Drei Ordnungen lassen nur Beiträge in Zeitschriften mit Impactfactor zu – 14 Ordnungen erlauben dagegen auch Zeitschriften ohne Peer-Review Verfahren. Bezüglich Erstautorenschaft bleibt die größte Gruppe (n = 16) ohne Regelung. Fünfzehn Ordnungen verlangen keine Erstautorenschaft, an neun Standorten sind drei erforderlich. An einem Standort sind jeweils zwei Erst- und zwei Alleinautorenschaften für eine kumulative Dissertation erforderlich.
DISKUSSION
Die hohe Heterogenität bei kumulativen Dissertationen ist kritisch zu betrachten. Viele Ordnungen regeln zentrale Aspekte nicht. Mindestanforderungen zur Anzahl von Publikationen und deren Status oder Co-Autorenschaft von Gutachtenden sollten im Interesse eines Qualitätsstandards fachspezifisch einheitlich und nicht standortbedingt heterogen geregelt sein.
LITERATUR
Deutsche Vereinigung fĂĽr Sportwissenschaft (dvs). (2018). Promotionsordnungen. https://www.sportwissenschaft.de/service/promotion/promotion-formales/promotion-promo/Deutsche Vereinigung fĂĽr Sportwissenschaft (dvs). (2019). Empfehlungen zu kumulativen Dissertationen in der Sportwissenschaft. Abgerufen von https://www.sportwissenschaft.de/fileadmin/pdf/download/Empfehlungen_kumDissertationen_Stand_26_11_2019.pdf
Statistisches Bundesamt (Destatis) (2024). PrĂĽfungen an Hochschulen. https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bildung-Forschung-Kultur/Hochschulen/_inhalt.html#sprg233706
„The Analyst“ – Sportwissenschaftliche Diagnostik in einem Serious Game anwendungsbasiert und innovativ vermitteln
Langer, Kaja; Brabänder, Wolfgang; Casermann, Polona; Scharrer, Lisa; Wiemeyer, Josef
TU Darmstadt
EINLEITUNG
Die Lernforschung hat gezeigt: Lernerfolg in der Hochschullehre steigt mit klarer Anwendungstransparenz. Darüber hinaus bieten Serious Games als Kombination von Spiel- und Lernelementen in der Ausbildung signifikante Mehrwerte gegenüber konventionellen Ansätzen, v. a. im Hinblick auf kognitive und emotionale Effekte (Lamb et al., 2018). Im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojektes wird auf dieser Basis ein Serious Game zur humanwissenschaftlichen Diagnostik („The Analyst“) entwickelt. In diesem Simulationsspiel haben die Spieler:innen (B.Sc. und LaG) unter anderem die Möglichkeit, diagnostische Anwendungsfälle aus der Sportwissenschaft zu erkunden und differenziertes Feedback zu ihren Leistungen zu erhalten. Auf der Basis des Player-Centered Designs werden die Studierenden systematisch an der Spielentwicklung beteiligt. Dieser Beitrag gewährt Einblicke in ausgewählte Spielausschnitte, präsentiert aktuelle Evaluationsergebnisse und beleuchtet die sportwissenschaftliche Lehre an der Universität somit aus einer innovativen Perspektive.
SPIELGESTALTUNG
Kernelemente des Spiels sind Diagnoseprozesse aus der Trainings- und Bewegungswissenschaft, die sowohl theoretische Grundlagen als auch konkrete Anwendungen umfassen. Neben Verknüpfungen zu Wissenselementen aus Vorlesung und Seminar, enthält das Spiel Quizaufgaben und verschiedene interaktive Formate. Diagnose-Anwendungen werden dabei als 3D-Animationen auf der Basis von Motion-Capture entwickelt und mit Spielelementen verknüpft. Das zugrundliegende Diagnostikkonzept basiert auf sechs Inhaltskategorien (Grundlagen, Prozesse, Gütekriterien, Auswertungs- und Analyseverfahren und Testtheorien), einem Kompetenzmodell (nach Anderson et al., 2001) und drei Schwierigkeitsgraden. Es kombiniert eine metrische Bewertungsskala (Spiel-Score) mit Kriterien bezogenem qualitativen Feedback. In diesem Beitrag werden Einblicke in einzelne Spiel-Episoden gewährt.
EVALUATION UND FEEDBACK
Die Evaluation des Spiels verläuft parallel zur Spielentwicklung. Durch Diskussionen, Umfragen und „Game-Jams“ werden die Studierenden in die Spielgestaltung involviert und ihr Feedback integriert. Zudem wurden erste Projektergebnisse (Tutorial und erste Episoden) systematisch, hinsichtlich der Doppelmission eines Serious Games (Sinclair, 2010), evaluiert. Bisherige Ergebnisse sind sehr positiv und werden in diesem Beitrag näher vorgestellt.
LITERATUR
Anderson, L. W., Kratwohl, D. R., Airasian, P. W., Cruikshank, K. A., Mayer, R. E., Pintrich, P. R., Raths, J., & Wittrock, M. C. (2001). A Taxonomy for Learning, Teaching and Assessing: A Revision of Bloom’s Taxonomy of Educational Objectives. Longman.
Lamb, R. L., Annetta, L., Firestone, J., & Etopio, E. (2018). A meta-analysis with examination of moderators of student cognition, affect, and learning outcomes while using serious educational games, serious games, and simulations. Computers in Human Behavior, 80, 158–167.
Sinclair, J., Hingston, P., Masek, M., & Nosaka, K. (2010). Testing an exergame for effectiveness and attractiveness. 2010 2nd International IEEE Consumer Electronics Society’s Games Innovations Conference, 1–8. https://doi.org/10.1109/ICEGIC.2010.5716909
Nachhaltigkeitsprojekte im Lehralltag
Borkenhagen, Frederik
Universität Heidelberg
EINLEITUNG
Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ist noch nicht ausreichend in Studiengängen implementiert (Lindau et al., 2023). Auch in sportwissenschaftlichen Studiengängen sind Nachhaltigkeitsthemen i. d. R. keine zentralen Lehrinhalte; oftmals werden diese nur in einzelnen Veranstaltungen oder Lehrformaten, die besonders geeignet erscheinen (z. B. Exkursionen), thematisiert. Für eine BNE im Hochschulkontext sind vielfältige Kompetenzen (education21, 2018) zu fördern, unter denen die Partizipation der Studierenden an der Inhaltsauswahl und die Vermittlung von Handlungskompetenzen eine besondere Bedeutung haben (Leal Filho, 2018). Hier wird ein Lehrformat vorgestellt, mit dem Nachhaltigkeitsthemen zur Förderung von BNE-Kompetenzen in die Lehre eingebracht wurden.
METHODE
In einem zweisemestrigen Projektseminar lernen Masterstudierende Grundlagen des Projektmanagements und wenden diese Instrumente und Methoden bei der Durchführung von Projekten in verschiedenen anwendungsorientierten Kontexten an. Gleichzeitig lernen sie, Aufgaben und Rollen in Projekten kritisch zu reflektieren und in ihrer Wirkung zu evaluieren. Im aktuellen Seminar (Wintersemester 2024/25, Sommersemester 2025) wählten die Studierenden aus verschiedenen Vorschlägen ein Projekt aus, in dem sie sich mit der nachhaltigen Entwicklung des Instituts in verschiedenen Teilprojekten auseinandersetzten. Die Entwicklung und Bearbeitung der Arbeitspakete führten die Masterstudierenden selbstständig unter Supervision der Lehrkraft des Projektseminars durch.
ERGEBNISSE
Die Studierenden fokussierten sich auf vier Bereiche: 1. die Förderung der Biodiversität auf dem Institutsgelände durch die Anlage von Blühwiesen, 2. die Veränderung des Angebots hin zu nachhaltigen Produkten in den Snack- und Getränkeautomaten am Institut, 3. die Ergänzung des Curriculums mit Transfer-Lehrveranstaltungen (Themenfelder „Ballschule“, „Inklusion“) sowie 4. die Optimierung der Angebote für Fahrradmobilität am Institut (u. a. Einrichtung einer Leihfahrradstation und einer Werkstatt, Erweiterung der Stellplätze).
DISKUSSION
In der eigenständigen Ausgestaltung der Projektarbeit konnte eine Förderung von fachlichen, methodischen, sozialen und personalen Kompetenzen (education21, 2018) im Sinne einer BNE erreicht werden. Es bedarf einer begleitenden Moderation der Lehrkraft, um bspw. inneruniversitäre Ansprechpartner:innen einzubinden. Die Ergebnisse der Projektarbeit und der Evaluation der Veranstaltung werden im Vortrag berichtet.
LITERATUR
education21 (2018). BNE-Kompetenzen. https://www.education21.ch/de/bne-kompetenzen
Leal Filho, W. (2018). Nachhaltigkeit in der Lehre. Eine Herausforderung fĂĽr Hochschulen. Springer.
Lindau, A. K., Hemmer, I., Reinke, V., Baumann, S., Eggert, S., Hellberg-Rode, G., & Koch, C. (2023). BNE Lehre Konkret-ein Portal für Hochschullehre; research-based report of practice. Progress in science education: PriSE, 6(3), 81–93.
Ausbildungslehrkräfte im Dazwischen
Kuhrs, Miriam Jordis; Czyrnick-Leber, Uta
Universität Bielefeld
EINLEITUNG
Der Beitrag verfolgt eine Aufklärung dahingehend, inwiefern Ausbildungslehrkräfte (AL) im Fach Sport in ihrer systembedingten Doppelrolle zwischen Beraten einerseits sowie Beurteilen andererseits agieren (Gergen, 2023). In diesem Zusammenhang wird ihre soziale Rolle (Dahrendorf, 2006) als AL vor dem Hintergrund ihrer eigenen Sport- und Berufsbiografie thematisiert. Konkret wird folgende Fragestellung adressiert: Wie gestalten AL ihre Doppelrolle als Berater:innen und Beurteiler:innen im Fach Sport?
METHODE
Die Datenbasis liefern 16 leitfadengestützte Interviews, die zwischen Dezember 2024 und Juni 2025 mit acht weiblichen und acht männlichen AL an Realschulen und Gymnasien in NRW geführt werden, deren Berufserfahrung zwischen fünf und 35 Jahren liegt. Der Leitfaden enthält Fragen nach der Sportbiografie, dem Umgang mit der Doppelrolle, ihrem Blick auf Referendar:innen sowie dem eigenen Sportverständnis. Die Interviews werden entlang dieser deduktiven Kategorien qualitativ inhaltsanalytisch ausgewertet (Mayring, 2016).
ERGEBNISSE
Erste Ergebnisse legen offen, dass nur wenige geschlechtsbezogene, aber einige generationsbedingte Unterschiede hinsichtlich der Rollengestaltung sowie der damit verbundenen Erfahrungsweitergabe vorliegen. AL mit kurzer Berufsbiografie beschreiben ihre Beziehung zu den Referendar:innen als nah und lassen eigenen Erfahrungen im Referendariat zum Ausbildungsgegenstand werden, während jene mit langer Berufsbiografie Wert auf eine professionelle Distanz legen und stärker die Bewältigung des Schulalltags in den Mittelpunkt stellen. An den Ausbildungsschulen liegt mehrheitlich kein Konzept für AL vor. AL zeigen eine geringe Transparenz seitens des Studienseminars hinsichtlich der Anforderungen an die Referendar:innen sowie ihres zu erwerbenden Kompetenzstands.
DISKUSSION
Eine Übersicht über Kriterien, welche bei angehenden Sportlehrkräften zu welchem Zeitpunkt im Ausbildungsunterricht speziell durch AL fokussiert werden könnten, würde dazu beitragen, dass Rückmeldungen weniger willkürlich stattfinden. Zudem kann daraus eine Transparenz innerhalb der Rollenambivalenz hinsichtlich Beraten und Beurteilen resultieren. Weiterhin wäre eine (bessere) Kommunikation zwischen Fachleitungen als Vertreter:innen der Ausbildungsinstanz (ZfsL) und den AL als Vertreter:innen der Schule sinnvoll. So könnte eine Abstimmung über die zu erwerbenden Kompetenzen während des Referendariats zu verbesserten (Ausbildungs)Bedingungen für alle beteiligten Akteur:innen führen.
LITERATUR
Dahrendorf, R. (2006). Homo Sociologicus. Ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rolle (16 Auflage). VS Verlag.
Gergen, A. (2023). Mentoring im Referendariat - eine Black Box?: Organisationspädagogisch-rekonstruktive Analysen des Vorbereitungsdienstes zum Lehramt an Gymnasien. Springer VS.
Mayring, P. (2016). EinfĂĽhrung in die qualitative Sozialforschung. Beltz.
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