Veranstaltungsprogramm

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Die momentane Konferenzzeit ist: 14. Sept. 2025 20:45:40 MESZ

 
 
SitzungsĂŒbersicht
Sitzung
AK7.02: Invited Symposium: Sportwissenschaft gemeinsam neu denken – eine Zukunftswerkstatt
Zeit:
Freitag, 19.09.2025:
10:00 - 11:30

Chair der Sitzung: Peter Leonhard Kuhn, Denkfabrik sportainable
Ort: Raum Bochum (S2)

Schloss 186 PlÀtze

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PrÀsentationen

Sportwissenschaft gemeinsam neu denken – eine Zukunftswerkstatt

Chair(s): Kuhn, Peter Leonhard (Denkfabrik sportainable)

RAHMENABSTRACT

1997 schreibt Kuhn in seinem Beitrag „Natur als Herausforderung der SportpĂ€dagogik“ fĂŒr das Schwerpunktheft „Sport und Ökologie“ der dvs-Informationen: „Allerdings kann es nicht eigentlich Aufgabe einer ökologisch orientierten Diskussion in der SportpĂ€dagogik sein, ökologische Ziele zu verfolgen. Bislang lassen sich umweltpĂ€dagogische AnsĂ€tze im Sport jedoch in weiten Teilen von der Möglichkeit einer Kompensation gesellschaftlicher MissstĂ€nde durch pĂ€dagogische Steuerungsversuche leiten – und insofern lĂ€sst sich Bewegungserziehung instrumentalisieren.“

Öffnet man den Blick von der SportpĂ€dagogik auf die Sportwissenschaft als Ganzes und von Umweltschutz im engeren auf Nachhaltigkeit im weiteren Sinne, so könnte man analog argumentieren, dass sich Sportwissenschaft(en) nicht fĂŒr Zwecke der nachhaltigen Entwicklung instrumentalisieren lassen sollte(n). Doch ist diese ZurĂŒckhaltung heute noch akzeptabel? Ja – ist sie ĂŒberhaupt sachgerecht? Ist nicht vielmehr Bildung fĂŒr nachhaltige Entwicklung im Sport die eigentliche SportpĂ€dagogik? Und Sportökologie der Kern der Sportwissenschaft? Wie auch immer – Nachhaltigkeit ist, um es analog zu Kuhn zu formulieren, eine Herausforderung der Sportwissenschaft. Angesichts des Ressourcenverbrauchs, der CO2-Ă€quivalenten Emissionen und des MĂŒllaufkommens im Sport (expl.: Collins & Roberts, 2017; Wicker, 2019; McLoughlin, 2021), angesichts der Arbeitsbedingungen in den Lieferketten (expl.: Hale & Wills, 2011; Antonini et al., 2020) ist das Überbietungsparadigma „citius, altius, fortius“ fragwĂŒrdig geworden. Was bedeutet das fĂŒr die Sportwissenschaft und ihre Teildisziplinen? Nicht weniger als: die Bereitschaft zum Paradigmenwechsel.

Im invited Symposium „Sportwissenschaft gemeinsam neu denken“ wollen wir diesen Paradigmenwechsel einleiten. ZunĂ€chst wird in Impulsreferaten der Problemhorizont aufgespannt. Anschließend sollen in einer „Zukunftswerkstatt“ konkrete Grundlagen fĂŒr ein neues SelbstverstĂ€ndnis der Sportwissenschaft und ihrer Teildisziplinen entwickelt werden. Diese sollen in ein Positionspapier ĂŒberfĂŒhrt werden.

LITERATUR

Antonini, C., Beck, C., & Larrinaga, C. (2020). Subpolitics and sustainability reporting boundaries. The case of working conditions in global supply chains. Accounting, Auditing & Accountability Journal, 33(7), 1535−1567.

Collins, A., & Roberts, A. (2017). Assessing the environmental impact of economic activity surrounding major sport events. In B. P. McCullough & T. B. Kellison, Routledge Handbook of Sport and the Environment (pp. 207–219). Routledge.

Hale, A., & Wills, J. (2011). Threads of labour: garment industry supply chains from the workers’ perspective. John Wiley & Sons.

Kuhn, P. (1997). Natur als Herausforderung der SportpĂ€dagogik. dvs Informationen, 12(2), 14−18.

McLoughlin, D. (2021). All Eco Sneakers Do Is Kill The Planet a Little Bit Slower. https://runrepeat.com/eco-sneakers-research.

Wicker, P. (2019). The carbon footprint of active sport participants. Sport management review, 22(4), 513–526. https://doi.org/10.1016/j.smr.2018.07.001

 

BeitrÀge des Symposiums

 

Impuls: Soziale Nachhaltigkeit als Herausforderung der Sportwissenschaft

Muth, Lavinia
Denkfabrik sportainable

WĂ€hrend der Diskurs ĂŒber ökologische Nachhaltigkeit im Sport langsam Fahrt aufnimmt, bleibt die Auseinandersetzung mit sozialer Nachhaltigkeit – insbesondere Geschlechtergerechtigkeit – in der Praxis oft oberflĂ€chlich oder gar scheinheilig. Zwar beschĂ€ftigt sich die Sportwissenschaft durchaus differenziert mit diesen Themen (etwa in Gender Studies, SportpĂ€dagogik oder Inklusionsforschung, wie Arbeiten von Hartmann-Tews, Rulofs oder Gieß-StĂŒber zeigen). Doch trotz wertvoller Erkenntnisse gelingt es bisher kaum, diese Forschung in die Sportpraxis zu ĂŒbersetzen oder strukturelle Probleme wirksam zu adressieren. So wird etwa Frauengesundheit im Leistungssport noch immer marginalisiert – mit wenigen, hochgehypten Ausnahmen, die vor allem eines sind: Marketing. WĂ€hrend Unternehmen wie Nike und SKIMS mit feministischen Kampagnen protzen (‟If you have a body, you are an athlete”, Nike 2025), bleibt die RealitĂ€t fĂŒr Frauen eine der strukturellen Benachteiligung. Menstruation, Schwangerschaft oder Menopause gelten weiterhin als Tabus – selbst in der Sportwissenschaft, wobei sich da langsam etwas tut. Leistungssportlerinnen kĂ€mpfen mit hormonellen Dysbalancen, Essstörungen und medizinischer Unterversorgung (z. B. Relative Energy Deficiency in Sport, RED-S). Doch statt Systeme zu verĂ€ndern, wird Individualisierung betrieben: Frauen sollen sich „anpassen“, wĂ€hrend Konzerne Profite mit leeren Empowerment-Botschaften machen. Hier braucht es stĂ€rkere transdisziplinĂ€re Zusammenarbeit – damit wissenschaftliche Erkenntnisse endlich in Lösungen mĂŒnden, statt ungenutzt zu bleiben.

Die jĂŒngste Kooperation von Nike und SKIMS ist ein Paradebeispiel fĂŒr diese Heuchelei. WĂ€hrend sie sich als „Innovatoren fĂŒr Frauen im Sport“ inszenieren, zeigt die RealitĂ€t: Nike, das sich „Net-Zero bis 2050“ auf die Fahnen schreibt, feuerte 30 % seines Nachhaltigkeitsteams. SKIMS erhielt im 2024 Fashion Accountability Report von Remake die schlechtestmögliche Bewertung (0/150) – neben Fast-Fashion-Konzernen wie SHEIN. Kim Kardashians Statement („Wir glauben an die Kraft der Frauen“) ist dabei eine dreiste Verhöhnung sozialer Gerechtigkeit. Denn: Die „empowernden“ Produkte basieren auf Plastik, Überproduktion und Ausbeutung – hergestellt von Frauen in globalen Lieferketten, die kaum Löhne, geschweige denn faire Arbeitsbedingungen erhalten. Das GeschĂ€ftsmodell perpetuiert Wachstumswahn, wĂ€hrend es ökologische und soziale Ressourcen zerstört.

WĂ€hrend die Industrie mit feministischem Branding Milliarden scheffelt, fehlt es an:

‱ Transparenz: Wie viele Frauen in der Lieferkette verdienen existenzsichernde Löhne?

‱ Medizinischer Forschung: Warum gibt es kaum Studien zu Langzeitfolgen von RED-S oder hormoneller VerhĂŒtung im Leistungssport?

‱ Systemkritik: Warum werden Trainingsnormen noch immer von mĂ€nnlichen Körpern definiert?

Die Sportwissenschaft muss sich entscheiden: Dient sie als Sprachrohr der Industrie – oder dekonstruiert sie patriarchale und kapitalistische Strukturen?

Fazit: „Empowerment“-Marketing Ă€ndert nichts – solange es nur Profitinteressen bedient. Echte Gleichberechtigung erfordert:

‱ Konsequente AufklĂ€rung ĂŒber Frauengesundheit im Sport,

‱ Boykott von Schein-Innovationen wie NikeSKIMS,

‱ SolidaritĂ€t mit den Arbeiterinnen, die die Sportmode nĂ€hen – statt mit den Konzernen, die sie

ausbeuten.

LITERATUR

Nike (2025). https://about.nike.com/en/newsroom/releases/nikeskims-official-announcement.

 

Impuls: Nachhaltige SportstÀtten als Herausforderung der Sportwissenschaft

Essig, Natalie
Hochschule MĂŒnchen

Sportbauten bilden einen wichtigen Bestandteil der sozialen und gesundheitlichen Infrastruktur. Neben der Förderung des Breitensports dienen Sportbauten als Orte der Begegnung oder der Inklusion zur Gesundheitsförderung. Vor allem fĂŒr Kinder und Jugendliche sind diese Orte wichtig, um Bewegung zu fördern und den Teamgeist und die Bildung sozialer Kompetenzen zu stĂ€rken. In Deutschland herrscht aktuell in vielen Regionen ein erheblicher Sanierungs- und Neubaubedarf fĂŒr den SportstĂ€ttenbau. Viele SportstĂ€tten sind in die Jahre gekommen, was die Nutzung einschrĂ€nkt oder teilweise sogar unmöglich macht. Auf der anderen Seite beeinflusst der Bausektor maßgeblich unsere Umwelt, unsere Gesellschaft und den Klimawandel. Denn der Bausektor ist weltweit verantwortlich fĂŒr etwa 40 % des Energieverbrauchs, 50 % des Ressourcenverbrauchs und verursacht 60 % des Abfallaufkommens (BMWK, 2022). Hierzu trĂ€gt auch der SportstĂ€ttenbau maßgeblich bei. Ein klima- bzw. treibhausgasneutraler GebĂ€udebestand bis 2045 ist nur möglich, wenn die klimaschutzpolitischen GrundsĂ€tze umgesetzt werden.

Um die Ziele des von der Bundesregierung beschlossenen Klimaschutzplan zu erreichen, bedarf es eines (Um)Denkens und (Um)Handelns in der Baubranche. Ein Rahmenwerkzeug hierfĂŒr sind Bewertungssysteme fĂŒr nachhaltige GebĂ€ude mit klar definierten Benchmarks. HierfĂŒr sind ganzheitliche AnsĂ€tze erforderlich, bei denen ökologische, ökonomische und soziale Aspekte gleichermaßen betrachtet werden. Diese sollten in die ProzessablĂ€ufe und die Planung integriert werden. Ebenso wichtig ist die Betrachtung des Lebenszyklus, um ZirkularitĂ€t zu fördern und somit auch die CO2 Emissionen zu reduzieren.

Im Rahmen des Vortrags wird zum einen der vom BISp geförderte „Leitfaden Nachhaltiger SportstĂ€ttenbau“ (Eßig et al., 2015, 2017) vorgestellt und zum anderen die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Entwicklung von Kriteriensteckbriefen und das Nachhaltigkeitsbewertungssystem BNS“. Dieses wurde im Zeitraum von 2022 bis 2024 fĂŒr den Neubau von SportstĂ€tten, SchwimmbĂ€der und Sportleistungszentren entwickelt.

Die Ziele des Forschungsprojekts waren:

‱ Förderung der Nachhaltigkeit im SportstĂ€ttenbau, um die Klimaschutzziele zu erreichen und CO2 Emissionen zu reduzieren;

‱ Entwicklung eines Mustersystems fĂŒr die Nachhaltigkeitsbewertung fĂŒr den Neubau von SportstĂ€tten in Bezug auf die Anforderungen des QualitĂ€tssiegels Nachhaltiges GebĂ€ude (QNG);

‱ Abbau von Hemmschwellen fĂŒr die Praxisanwendung;

‱ Integration digitaler Hilfsmittel, um die Anwenderfreundlichkeit zu verbessern;

‱ Entwicklung von praxisnahen Maßnahmen entwickeln, um NachhaltigkeitsansĂ€tze einfacher in den Planungs- und Bauprozess zu integrieren.

Die Forschungsergebnisse stellen zudem die Grundlagen fĂŒr ein Bewertungssystem fĂŒr SportstĂ€tten dar, das die Anforderungen des QualitĂ€tssiegel Nachhaltiges Bauen (QNG) des Bundes abdeckt und zudem eine Basis fĂŒr eine eigene Förderkategorie darstellt (QNG, 2024).

Die daraus abzuleitende Herausforderung fĂŒr die Sportwissenschaft besteht darin, die SelbstverstĂ€ndlichkeit zu hinterfragen, mit der sie von der FunktionalitĂ€t von SportstĂ€tten ausgeht, ohne an die Neben- und Fernfolgen — von Ressourcenverbrauch bis RĂŒckbau — zu denken.

LITERATUR

Eßig, N., Lindner, S., Magdolen, S., & Siegmund, L. (2015). Leitfaden Nachhaltiger SportstĂ€ttenbau. Sportverlag Strauß.

Essig, N., Lindner S. Magdolen, S. (2017). Leitfaden Nachhaltiger SportstĂ€ttenbau – Kriterien fĂŒr den Neubau von SportstĂ€tten [Kurzfassung]. Bundesinstitut fĂŒr Sportwissenschaft. Sportverlag Strauß.https://www.bisp.de/DE/WissenVermitteln/Aktuelles/Nachrichten/2017/Leitfaden_Nachhaltiger%20Sportst%C3%A4ttenbau.html

Bundeministerium fĂŒr Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) (2022). GebĂ€udestrategie KlimaneutralitĂ€t 2024. https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Klimaschutz/gebaeudestrategie-klimaneutralitaet2045.pdf?__blob=publicationFile&v=6 (aufgerufen am: 31.01.2025)

QualitĂ€tssiegel Nachhaltiges Bauen (QNG) (2024). Handbuch QualitĂ€tssiegel Nachhaltiges GebĂ€ude – Anlage 3. https://www.qng.info/app/uploads/2024/07/QNG_Handbuch_Anlage-3_AnforderungenBund_v1-4_GR-1.pdf (aufgerufen am: 31.01.2025)

 

Impuls: Hitze- und UV-Risiken durch den Klimawandel: Wissens- und PrÀventionsdefizite im deutschen Sport

Schneider, Sven
UniversitÀt Heidelberg

Im Zuge des Klimawandels wird eine deutliche Zunahme von Hitze- und UV-Belastungen erwartet. Beim Schutz der in Deutschland mehr als 15 Millionen Outdoor-Sportler nehmen Trainer eine SchlĂŒsselrolle ein. Im Rahmen der jĂŒngst abgeschlossenen Climate Change, Coaches and Outdoor Sports (C3O) Study wurden Trainer zu PrĂ€ventionswissen, -praxis und Handlungsoptionen befragt.

Bundesweit wurden 1200 Trainer aus den zehn grĂ¶ĂŸten Outdoor-SportverbĂ€nden mit einem durch Expert-Review und Pretest validierten standardisierten asynchronen Online-Fragebogen zwischen Mai 2022 und Juni 2023 reprĂ€sentativ befragt. Das PrĂ€ventionswissen bezĂŒglich Hitze- respektive UV-spezifischer Risiken und Erkrankungen wurde mittels international etablierter Scores operationalisiert (Knowledge of Heat Related Illness Symptoms Index; Range: 0-14; Skin Cancer and Sun Knowledge Scale; Range: 0-25). Die Erfassung realisierter sowie grundsĂ€tzlich umsetzbarer Maßnahmen stĂŒtzte sich auf offizielle Empfehlungen und Leitlinien. Als Vignette wurde ein „wolkenloser, sonniger Sommertag mit einer Außentemperatur von > 30 °C“ vorgegeben. Auf einer 100-Punkte-Likertskala wurde der aktuelle sowie der grundsĂ€tzlich im Training realisierbare Umsetzungsgrad von PrĂ€ventionsmaßnahmen angegeben.

Über alle Sportarten hinweg zeigten sich sowohl bezĂŒglich Hitzerisiken (MIndex = 10.31, SD = 1.81) als auch UV-Risiken (MSkalen = 17.76, SD = 2.98) erhebliche Defizite. Besonders ausgeprĂ€gt waren diese bei Thema Hitze u.a. bei Trainern im Fußball (M = 10.07, SD = 1.33) und im Golf (M = 10.09, SD = 1.75; pANOVA  .05). Bei UV-Risiken zeigten Fußball- und Tennistrainer, mit Werten von M = 16.90 (SD = 3.39) respektive M = 17.20 (SD = 3.15; pANOVA  .05), die grĂ¶ĂŸten Wissensdefizite. Auch bei den tatsĂ€chlich im Training umgesetzten Maßnahmen zum Schutz vor Hitze- und UV-Erkrankungen zeigten sich signifikante, sportartspezifische Umsetzungsdefizite. So wurde lediglich in etwa zwei Drittel aller Trainings unter Hitze gemĂ€ĂŸ den Empfehlungen getrunken (M = 67.38, SD = 27.76). Leitlinienkonforme UV-PrĂ€vention wurde im Durchschnitt nur in der HĂ€lfte der FĂ€lle realisiert (M = 53.43, SD = 16.37). Im Übrigen bestand kein Zusammenhang zwischen Gesundheitswissen und praktischer Umsetzung (r2 = .05; p = .858).

Hierzulande scheinen Trainer noch nicht ausreichend auf klimawandelspezifische Gesundheitsrisiken vorbereitet zu sein. KĂŒnftige Traineraus- und -weiterbildung sollte Wissensvermittlung mit sportartspezifischen PrĂ€ventionsmaßnahmen kombinieren.

 

Impuls: Nachhaltige MobilitÀt als Herausforderung der Sportwissenschaft

Schmidt, Christian
FAU Erlangen-NĂŒrnberg

Nachhaltige MobilitĂ€t stellt einen zentralen Ansatz zur BewĂ€ltigung aktueller und zukĂŒnftiger Herausforderungen wie Klimawandel, Umweltbelastung sowie der physischen und psychischen Gesundheit dar. Ihr Nutzen zeigt sich sowohl im Kontext von Public Health und körperlicher AktivitĂ€t als auch in ökologischer und ökonomischer Hinsicht (Abu-Omar et al., 2020; Brand et al., 2021). Die Notwendigkeit einer MobilitĂ€tswende ist unstrittig, wobei dem Fahrrad eine zentrale Rolle zukommt. Bestehende Fördermaßnahmen – etwa Safe Routes to School, der schulische FahrradfĂŒhrerschein oder evaluierte Interventionen – bleiben jedoch zunehmend hinter den Erwartungen zurĂŒck (Vasey, 2022; Aranda-Balboa, 2022). Trotz verfĂŒgbarer Evaluationsmodelle wie RE-AIM und klar definierter ZielgrĂ¶ĂŸen zeigt sich eine Diskrepanz zwischen theoretischem Anspruch und praktischer Wirkung. Eine Ursache könnte in der unzureichenden empirischen Fundierung zentraler Annahmen liegen (Dadaczynski, 2022).

Praxisnahe Erkenntnisse aus dem schulischen Alltag, insbesondere von LehrkrĂ€ften und Mitarbeitenden der Verkehrspolizei, deuten auf bestehende Defizite hin. So weist die Verkehrspolizei Hamburg darauf hin, dass die Durchfallquote bei der FahrradprĂŒfung von 17.8 % im Jahr 2019 auf 28.05 % im Jahr 2023 angestiegen ist. Bereits 2019 lag die Quote bei Kindern aus innerstĂ€dtischen Bezirken bei nahezu 50 %. Diese Entwicklung korrespondiert mit Beobachtungen aus dem Schulsport, wonach motorische GrundfĂ€higkeiten bei Kindern und Jugendlichen zunehmend weniger ausgeprĂ€gt sind.

In der Konsequenz verlieren etablierte sportpĂ€dagogische Interventionen an Wirksamkeit, da grundlegende Bewegungsfertigkeiten – wie das sichere Radfahren – nicht mehr vorausgesetzt werden können. Vor diesem Hintergrund wurde im Jahr 2020 die Initiative bikepool Hessen e. V. gegrĂŒndet, die als Grassroot-Initiative aus dem schulischen Umfeld heraus entstanden ist. Ziel dieser Initiative ist es, die fĂŒr die MobilitĂ€tswende notwendige Basiskompetenz – das sichere Beherrschen des Fahrrads – zu vermitteln und zu fördern.

Die Sportwissenschaft steht hierbei vor der Herausforderung, die Neben- und Fernfolgen des als selbstverstĂ€ndlich angenommenen motorisierten Individualverkehrs in sportlichen Kontexten in Frage zu stellen und Entscheidungsgrundlagen fĂŒr nachhaltigere MobilitĂ€t im Sport zu liefern. Sie kann die Relevanz, EffektivitĂ€t und Wirksamkeit praxisorientierter Maßnahmen – insbesondere durch Initiativen wie bikepool sowie durch das Engagement von LehrkrĂ€ften und pĂ€dagogischen FachkrĂ€ften – durch empirisch fundierte Modelle stĂ€rken und nachhaltig unterstĂŒtzen.

LITERATUR

Abu-Omar K., Gelius P. & Messing S. (2020). Physical activity promotion in the age of climate change [version: 2; peer review: 2 approved]. F1000Research, 9, 349 https://doi.org/10.12688/f1000research.23764.2

Aranda-Balboa, M. J., Huertas-Delgado, F. J., Gálvez-Fernández, P., Saucedo-Araujo, R., Molina-Soberanes, D., Campos-Garzón, P., Herrador-Colmenero, M., Lara-Sánchez, A. J., Molina-García, J., Queralt, A., Crone, D., & Chillón, P. (2022). The Effect of a School-Based Intervention on Children’s Cycling Knowledge, Mode of Commuting and Perceived Barriers: A Randomized Controlled Trial. International Journal of Environmental Research and Public Health, 19, 9626. https://doi.org/10.3390/ijerph19159626

Brand, C., Götschi, T., Dons, E., Gerike, R., Anaya-Boig, E., Avila-Palencia, I., de Nazelle, A., Gascon, M., Gaupp-Berghausen, M., Iacorossi, F., Kahlmeier, S., Int Panis, L., Racioppi, F., Rojas-Rueda, D., Standaert, A., Stigell, E., Sulikova, S., Wegener, S., & Nieuwenhuijsen, M. J (2021). The climate change mitigation impacts of active travel: Evidence from a longitudinal panel study in seven European cities. Global Environmental Change, 67, 102224

Dadaczynski, K., Okan, O., De Bock, F., & Koch-Gromus, U. (2020). Schulische Gesundheitsförderung und PrĂ€vention in Deutschland. Aktuelle Themen, Umsetzung und Herausforderungen. Bundesgesundheitsblatt, 65, 737–740. https://doi.org/10.1007/s00103-022-03558-3

Vasey, T. V., Carroll, S. J., Daniel, M., & Cargo, M. (2020). Changing Primary School Children’s Engagement in Active School Travel Using Safe Routes to School Interventions: A Rapid Realist Review. International Journal of Environmental Research and Public Health, 19, 9976. https://doi.org/10.3390/ijerph19169976

 

Impuls: Bildung fĂŒr nachhaltige Entwicklung (BNE) im Sport als Herausforderung der Sportwissenschaft

Lohmann, Julia
Denkfabrik sportainable

Bewegung und Sport(unterricht) bieten wertvolle BildungsanlĂ€sse im Sinne einer Bildung fĂŒr nachhaltige Entwicklung. Inhaltlich gibt es zahlreiche AnknĂŒpfungspunkte z. B. in Bezug auf nachhaltige Sportkleidung, sportbezogene MobilitĂ€t oder klimawandelbedingte Gesundheitsrisiken. Durch die VerknĂŒpfung körperlicher, kognitiver, emotionaler und sozialer AktivitĂ€ten können Bewegung und Sport(unterricht) Nachhaltigkeits-Kompetenzen wie interpersonelle und normative Kompetenzen, systemisches und antizipatorisches Denken (Redman & Wiek, 2021) ganzheitlich gefördert werden.

Wie kann, wie sollte Bildung in Sport- und Bewegungskontexten gestaltet werden, um Lernende auf die vielfĂ€ltigen und oft komplexen Anforderungen in Bezug auf eine nachhaltige Entwicklung vorzubereiten? In Bezug auf diese Frage werden instrumentelle und emanzipatorische BildungsansĂ€tze, d. h. verhaltensbezogene bzw. kompetenzorientierte AnsĂ€tze sowie das transformative Lernen diskutiert (Lohmann & Goller, 2022). Dabei geht es auch um die Gefahr einer möglichen Verzweckung der Bildung fĂŒr gesellschaftspolitische Zwecke (Barth, 2021). Auch in der SportpĂ€dagogik hat man sich schon frĂŒh die Frage gestellt, inwiefern Bewegung und Sport zum Mittel fĂŒr pĂ€dagogische Zwecke gemacht werden darf (Scherler, 2008).

WĂ€hrend die SportpĂ€dagogik Themen der sozialen Nachhaltigkeit wie Inklusion, DiversitĂ€t, Geschlechtergerechtigkeit seit langem als Kernthemen bearbeitet, findet eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit ökologischen Aspekten nur punktuell statt. Das Bildungskonzept BNE, das auf konstruktive Auseinandersetzung mit Zielkonflikten zwischen sozialen BedĂŒrfnissen und ökologischen Konsequenzen ausgerichtet ist und dabei Unsicherheiten und KomplexitĂ€t in Bezug auf die Wissensbasis einbezieht, wird erst seit kĂŒrzerem auch sportpĂ€dagogisch bearbeitet.

In der Zukunftswerkstatt des Symposiums könnten dementsprechend folgende Fragen diskutiert werden: Wie kann BNE in Bewegungs- und Sportkontexten gelingen, ohne „den Sport“ und „die Bildung“ fĂŒr gesellschaftspolitische Zwecke zu instrumentalisieren? Welche Rolle können bzw. sollen Bewegung und Sport fĂŒr eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsbildung spielen? Inwiefern wird BNE nicht bereits durch eine grundlegend kompetenzorientierte Bildung in Bewegungs- und (Schul-)Sportkontexten realisiert, ohne dass wir dies als BNE erkennen?

LITERATUR

Barth, M. (2021). Bildung fĂŒr nachhaltige Entwicklung. In T. Schmohl & T. Philipp (Hrsg.), Handbuch TransdisziplinĂ€re Didaktik (S. 35−44). transcript.

Lohmann, J., & Goller, A. (2022). Physical education teacher educators’ subjective theories about sustainability and education for sustainable development. Journal of Sustainability in Higher Education, 24(4), 877–894. https://doi.org/10.1108/IJSHE-06-2022-0186

Scherler, K. (2008). Die Instrumentalisierungsdebatte in der SportpĂ€dagogik. In E. Balz & P. Wolters (Hrsg.), Schulsport. Didaktik und Methodik. (S. 28−33). Friedrich.

Redman, A., & Wiek, A. (2021). Competencies for Advancing Transformations Towards Sustainability. Frontiers in Education, 6, Article 785163. https://doi.org/10.3389/feduc.2021.785163

 

Impuls: BiodiversitÀt als Herausforderung in der Sportwissenschaft

Sommer, Fabian
UniversitÀt Bayreuth

Sport und BiodiversitĂ€t bilden im Kontext der Planetary Health zentrale Eckpfeiler. WĂ€hrend Bewegung essenziell fĂŒr die menschliche Gesundheit ist, sorgt BiodiversitĂ€t fĂŒr resiliente Umweltbedingungen und funktionsfĂ€hige Ökosysteme. Damit Sport auch kĂŒnftig im Naturraum stattfinden und Erholung ermöglichen kann, muss sich die Sportwissenschaft mit der globalen Herausforderung des BiodiversitĂ€tsverlusts auseinandersetzen.

Artenreiche Ökosysteme sind widerstandsfĂ€higer gegenĂŒber klimatischen Extremereignissen. Sie erholen sich schneller von DĂŒrren und anderen Stressoren (Isbell et al., 2015). Dieses PhĂ€nomen wird durch die „Versicherungshypothese“ erklĂ€rt: Verschiedene Arten reagieren unterschiedlich auf Störungen und stabilisieren so das Gesamtsystem.

BiodiversitĂ€t bildet somit die Grundlage fĂŒr Ökosystemdienstleistungen, von denen Sport unmittelbar profitiert. Besonders bedeutsam ist die Bereitstellung geeigneter ErholungsrĂ€ume, die durch intakte Natur- und Kulturlandschaften ermöglicht wird. Dazu zĂ€hlen die Regulation von LuftqualitĂ€t und Mikroklima ebenso wie attraktive Landschaftsbilder und stabile ökologische Rahmenbedingungen (DĂ­az et al., 2019; IBES, 2019). Geht BiodiversitĂ€t verloren, verlieren WĂ€lder, GewĂ€sser und urbane GrĂŒnrĂ€ume ihre Funktion als Sport- und BewegungsrĂ€ume – mit direkten Folgen fĂŒr den (Outdoor-) Sport.

Im Lichte des Planetary Health-Ansatzes (Whitmee et al., 2015) wird deutlich, dass BiodiversitĂ€t nicht nur ökologisch, sondern auch gesundheitlich zentral ist: Sie sichert sauberes Wasser, gesunde Böden, stabiles Klima und lebenswerte RĂ€ume fĂŒr Erholung. BiodiversitĂ€t ist damit Voraussetzung sowohl fĂŒr sportliche AktivitĂ€t im Freien als auch fĂŒr körperliche und psychische Gesundheit. Sportwissenschaft muss BiodiversitĂ€t deshalb als SchlĂŒsselressource begreifen und integrativ in Forschung, Lehre und Praxis verankern.

Bisher hat sich die Sportwissenschaft jedoch kaum systematisch mit BiodiversitĂ€t befasst. In der Nachhaltigkeitsdebatte dominieren Themen wie Klima, MobilitĂ€t oder Materialfragen, wĂ€hrend die AbhĂ€ngigkeit des Sports und seiner Industrie von intakten Ökosystemen oft ausgeblendet bleibt. Outdoor-Sportarten wie Wandern, Klettern, Skifahren oder Kanufahren sind hier besonders, aber nicht ausschließlich auf funktionierende und vielfĂ€ltige Ökosysteme angewiesen. BiodiversitĂ€tsverlust bedroht somit unmittelbar die Grundlagen von Bewegung und Erholung im Freien. Auch bildet BiodiversitĂ€t einen wichtigen Faktor zur Bereitstellung von natĂŒrlichen Ressourcen fĂŒr die Sportartikelindustrie.

Ein Paradigmenwechsel ist erforderlich: Sport darf BiodiversitĂ€t nicht nur als Ă€ußere Rahmenbedingung betrachten, sondern muss sie als zentrale Ressource schĂŒtzen. Das bedeutet, BiodiversitĂ€t in Sportökologie, Bildung fĂŒr nachhaltige Entwicklung und sportpolitische Strategien einzubinden (Wang et al., 2023). So kann die Sportwissenschaft zu einem aktiven Mitgestalter von BiodiversitĂ€tsschutz und nachhaltiger Raumnutzung werden – und damit zugleich zur Förderung von Planetary Health beitragen.

LITERATUR

DĂ­az, S., Settele, J., BrondĂ­zio, E. S., et al. (2019). Pervasive human-driven decline of life on Earth points to the need for transformative change. Science, 366(6471), eaax3100. https://doi.org/10.1126/science.aax3100

Isbell, F., Craven, D., Connolly, J., et al. (2015). Biodiversity increases the resistance of ecosystem productivity to climate extremes. Nature, 526, 574–577. https://doi.org/10.1038/nature15374

Wang, C., Pan, Y., Chen, Z., & He, Y. (2023). Recreational Ecosystem Services: A Review of Concepts, Methods and Applications. Land, 12(2), 509. https://doi.org/10.3390/land12020509

IPBES (2019): Summary for policymakers of the global assessment report on biodiversity and ecosystem services of the IntergovernmentalvScience-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services. S. DĂ­az, J. Settele, E. S. BrondĂ­zio E.S., H. T. Ngo, M. GuĂšze, J. Agard, A. Arneth, P. Balvanera, K. A. Brauman, S. H. M. Butchart, K. M. A. Chan, L. A. Garibaldi, K. Ichii, J. Liu, S. M. Subramanian, G. F. Midgley, P. Miloslavich, Z. MolnĂĄr, D. Obura, A. Pfaff, S. Polasky, A. Purvis, J. Razzaque, B. Reyers, R. Roy Chowdhury, Y. J. Shin, I. J. Visseren-Hamakers, K. J. Willis, and C. N. Zayas (eds.). IPBES secretariat, Bonn, Germany. 56 pages.

Whitmee, S., Haines, A., Beyrer, C., et al. (2015). Safeguarding human health in the Anthropocene epoch: report of The Rockefeller Foundation–Lancet Commission on Planetary Health. The Lancet, 386(10007), 1973–2028. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(15)60901-1

 

Workshop: Nachhaltige Sportwissenschaft konkret

Sand, Manuel
Denkfabrik sportainable

VORGEHEN

Nachdem die ImpulsvortrĂ€ge verschiedene Aspekte der Thematik aufgezeigt, zum Nachdenken angeregt und evtl. auch Dinge aufgewĂŒhlt haben, steht anschließend der Austausch der Anwesenden im Mittelpunkt. Gemeinsam wollen wir Sportwissenschaft neu denken, neue AnsĂ€tze diskutieren und einen Weg in die Zukunft suchen. Dazu werden wir die Impulse in einem World CafĂ© aufgreifen und gemeinsam diskutieren. Anschließend geht es darum, konkrete Handlungsfelder zu eruieren und Wege in die Zukunft zu ebnen, die wir gemeinsam beschreiten. Aus den Ergebnissen des Workshops solle nicht nur (eine) Arbeitsgruppe(n) entstehen, sondern auch ein Positionspapier.