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AK6.11: AK: Perspektiven von Sport und Medien
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Eine Analyse ausgewählter Social-Media-Aktivitäten der MedaillengewinnerInnen des Team Deutschland für Olympia (Rio 2016, Pyeongchang 2018, Tokio 2021, Peking 2022, Paris 2024) ESAB Fachhochschule für Sport und Management Potsdam EINLEITUNG Social-Media-Aktivitäten vertiefen Kommunikation im Öffentlichen Raum. Auch für Sportler:innen eine Möglichkeit, sich zu präsentieren und in einen persönlichen Austausch mit Interessierten zu treten. Wie konkret dies stattfindet, wird mittels einer Analyse der Social-Media-Aktivitäten der Olympioniken für Deutschland über den Zeitraum der Olympischen Spiele in Rio 2016, Pyeongchang 2018, Tokio 2021, Peking 2022 und Paris 2024 eruiert. METHODE Dafür werden die Social-Media-Aktivitäten mittels der im SCHIEMA-Modell (Haupt, 2014) definierten Kriterien Multi-Medialität, Interaktion, Cross-Medialität, Häufigkeit und Aktivierung analysiert, um die Auswirkung(en) des sportlichen Erfolgs explizit zu machen. Ein dafür entwickeltes Bewertungsraster greift Key Performance Indikatoren quantitativer (Anzahl Fans, Anzahl Beiträge, Anzahl Likes, Interaktionsrate etc.) und qualitativer Natur (manuelle Inhaltsanalyse z. B. hinsichtlich Posting-Thema, Geschlechterstereotype, Selbstinszenierung und Bildwelten) auf. Untersuchungszeiträume sind jeweils eine Woche vor und nach dem Zeitpunkt des Medaillengewinns. Betrachtet werden die Olympioniken des Team Rio (n = 20), Team Tokio (n = 21), Team Peking (n = 11), Team Pyeongchang (n = 19), Team Paris (n = 18) mit Medaillengewinn in einer Individualsportart sowie deren Social-Media-Aktivitäten auf den Plattformen Facebook bzw. Instagram. ERGEBNISSE Die Ergebnisse geben einen Eindruck in den Social Media Auftritt deutscher Olympioniken unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen (z. B. Veränderung der Rule 40 (Olympic Charta), Unterstützungsleistungen des DOSB, Corona-Pandemie). Die Profile der Medaillengewinner:innen werden im SocialBladeRank (Social Media Benutzerstatistiken) in den Kategorien B und C einsortiert. Durchschnittlich erzielen die Posts im Vergleich am Tag des Medaillengewinns mit dem Thema des Medaillengewinns die höchsten Interaktionen und sind Ausgangspunkt für den folgenden Anstieg der Followerzahlen. Zudem werden der Medaillengewinn und die Olympischen Spiele häufig auch in folgenden Posts aufgegriffen. Des Weiteren sind sie von wettkampfbezogenen, hoch emotionalisierten Bildern und Texten geprägt. DISKUSSION Aspekte wie die Darstellung der Athlet:innen auf Social Media werden vor dem Hintergrund von Stereotypen und inszenierten Bildwelten betrachtet und regen vor dem Hintergrund der Darstellung geschlechterspezifischer Rollen in den Medien zu einer Diskussion an. LITERATUR Haupt, T. (2014). Social Media Marketing und Kapitalisierungsmöglichkeiten im Spitzensport: Eine empirische Erfolgsfaktorenanalyse im Rahmen der 1. Fußball-Bundesliga. In C. Werner & F. Kainz (Hrsg.), Schriftenreihe des internationalen Hochschulverbunds IUNworld. Herbert Utz Verlag. Mediales Framing psychischer Erkrankungen von Spitzensportler:innen in deutschen Printmedien 1Institut für Sportwissenschaft, Universität Tübingen; 2Deutsche Sporthochschule Köln; 3Institut für Medienwissenschaften, Universität Tübingen; 4Institut für Gesundheitswissenschaften, Abteilung Sportwissenschaften, PH Schwäbisch Gmünd EINLEITUNG Obwohl psychische Erkrankungen im Spitzensport zunehmend thematisiert werden, bleibt ihre Darstellung in den Medien ambivalent. Da die Medien einen erheblichen Einfluss darauf haben können, wie sensible Themen in der Gesellschaft wahrgenommen werden (Hallin, 2024), stellt sich die Frage, welche Deutungsmuster in der Berichterstattung über psychische Erkrankungen im Spitzensport durch die Medien konstruiert und reproduziert werden. Die vorliegende Studie untersucht die mediale Darstellung psychischer Erkrankungen im Spitzensport und analysiert, welche kontextabhängigen Bedeutungen ihnen durch unterschiedliche mediale Perspektiven zugeschrieben werden können. METHODE Mit Hilfe einer systematischen Suchstrategie wurden 200 Zeitungsartikel in den drei auflagenstärksten Zeitungen in Deutschland (FAZ, SZ, Bild) identifiziert, die über psychische Erkrankungen von Spitzenathlet:innen im Untersuchungszeitraum (2013–2023) berichten. Als Analysemethode wurde die reflexive thematische Analyse (RTA) nach Braun und Clarke (2019) gewählt. Diese erlaubt eine interpretative Analyse impliziter Bedeutungen und zugrunde liegender Muster in der medialen Berichterstattung. ERGEBNISSE Mit Hilfe der RTA konnten vier mediale Deutungsmuster (Frames) von psychischen Erkrankungen im Spitzensport konstruiert werden: Psychische Erkrankungen (1) als Fehler im leistungsorientierten Sportsystem, (2) als Lupe für strukturelle Probleme im Spitzensport, (3) als notwendige Unterbrechung, und (4) als Startpunkt für Empowerment. DISKUSSION Unsere Analyse legt nahe, dass die medialen Darstellungen von psychischen Erkrankungen im Spitzensport entweder systemisch (Frames 1 & 2) oder individuell (Frames 3 & 4) ausgerichtet sind. Dabei sind die konstruierten Frames nicht klar voneinander abgegrenzt zu verstehen. Stattdessen beeinflussen und bedingen sie sich gegenseitig. Ein verbindendes Element aller vier Frames ist der Aspekt der Menschlichkeit von Athlet:innen, die zunehmend nicht mehr als Hindernis für Höchstleistungen, sondern als integraler Bestandteil derselben anerkannt wird. Die zunehmende Kritik an den traditionellen Werten der Sportkultur in den untersuchten Zeitungsartikeln verweist zudem auf einen kulturellen Wandel in der Berichterstattung. LITERATUR Braun, V., & Clarke, V. (2019). Reflecting on reflexive thematic analysis. Qualitative Research in Sport, Exercise and Health, 11(4), 589–597. https://doi.org/10.1080/2159676X.2019.1628806 Hallin, D. (2024). Todd Gitlin and the origins of the sociology of news: Framing, routines, and hegemony. The Communication Review, 27(2), 119–122. https://doi.org/10.1080/10714421.2024.2344351 Öffentliche Unterstützung für die Politisierung des internationalen Sports: Die deutsche Fußballnationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Katar Institut für Sportwissenschaft, Universität Münster EINLEITUNG Mega-Sportereignisse wie die FIFA-Weltmeisterschaft 2022 in Katar werden zunehmend zum Schauplatz gesellschaftspolitischer Kontroversen. In Deutschland stieß insbesondere die Vergabe an Katar aufgrund menschenrechtlicher Bedenken auf Kritik. Die mediale Berichterstattung wandelte sich von Boykottaufrufen hin zur Kritik am politischen Engagement der Nationalmannschaft als Ursache für den sportlichen Misserfolg – ein Zielkonflikt, der die öffentliche Zustimmung zur Politisierung schwächte. Die vorliegende Studie untersucht auf Basis moralpsychologischer Ansätze (Tetlock et al., 2000), wie Salienz, Framing und soziale Identifikation politische Einstellungen zur Politisierung des Sports beeinflussen. METHODE Die empirische Grundlage bildet eine täglich durchgeführte Straßenbefragung (N = 2,657) mit zufällig ausgewählten Passanten (52.3 % Frauen) im Alter von 14 bis 91 Jahren (M = 38.7, SD = 18.01) in einer mittelgroßen deutschen Universitätsstadt während der WM 2022 in Katar (17.11.-21.12.2022). Erfasst wurden neben der Identifikation mit der Nationalmannschaft u. a. Einstellungen zur Eignung Katars als Gastgeber, zur Trennung von Sport und Politik, zu persönlichen Konsumstrategien sowie zur Unterstützung politischer Stellungnahmen durch die Nationalmannschaft. Die Daten wurden mittels ordinal-logistischer Regressionsanalysen ausgewertet. ERGEBNISSE Die Ergebnisse zeigen erstens eine deutliche Ablehnung Katars als Austragungsort, zweitens eine initial hohe Zustimmung zur Politisierung des Sports sowie drittens zum politischen Engagement für progressive Werte im Sport. Nach dem frühen WM-Aus der deutschen Mannschaft nahm diese Unterstützung deutlich ab – insbesondere bei stark identifizierten Fans. Mediales Framing und wahrgenommene Zielkonflikte zwischen sportlichem Erfolg und politischem Engagement können zu einem Rückgang der Unterstützung führen. DISKUSSION Die Befunde verweisen auf die Ambivalenz öffentlicher Einstellungen zur politischen Dimension des Sports: Während ein grundsätzliches Bedürfnis nach wertebezogener Positionierung im Sport besteht, kann diese Zustimmung unter bestimmten Bedingungen – etwa bei sportlichem Misserfolg oder konfliktivem Framing – erodieren. In einem geopolitisch fragmentierten Umfeld stellt dies eine erhebliche Herausforderung für internationale Sportorganisationen dar. LITERATUR Tetlock, P. E., Kristel, O. V., Elson, S. B., Green, M. C., & Lerner, J. S. (2000). The psychology of the unthinkable: Taboo trade-offs, forbidden base rates, and heretical counterfactuals. Journal of Personality and Social Psychology, 78(5), 853–870. https://doi.org/10.1037/0022-3514.78.5.853. Don’t look back in anger: Befunde zu Medienberichten über Fangewalt im deutschen Fußball Universität Bayreuth EINLEITUNG Die vorliegende Studie hinterfragt die vielfach erhobene Behauptung einer hohen Prävalenz und Zunahme von Fangewalt im deutschen Fußball. Sie basiert auf einer quantitativen Inhaltsanalyse von Medienberichten über Vorfälle illegalen Fanverhaltens. Für Deutschland berechneten bereits Anthonj et al. (2013) registrierte Verstöße im Verhältnis zu den Zuschauerzahlen. Sie finden eine niedrige Prävalenz im Zeitverlauf sowie verglichen zu anderen Umfeldern. Andres et al. (2023) zeigen für detaillierte Kriminalitätsdaten (2011–15), dass die Gewaltdelikte an Spieltagen um 17 % ansteigen. Sie messen jedoch weder fußballspezifische Merkmale noch die Prävalenz oder den Trend der Vorfälle. Zudem weisen Manning et al. (2022) für einen australischen Großdatensatz nach, dass die wahrgenommene Kriminalität das Wohlbefinden der Bevölkerung stärker beeinträchtigt als die amtliche Kriminalstatistik. Vor dem Hintergrund der oft sensationsgeleiteten Medienberichte folgt unser Studiendesign dieser Einsicht zu Fehlwahrnehmungen der tatsächlichen Kriminalität. METHODE Die Stichprobe umfasst Medienberichte zu illegalem Fanverhalten bei deutschen Proficlubs der drei höchsten Spielklassen über die Saisons 2014/15 bis 2017/18 (Spielzeit 2018/19 noch zu ergänzen), wobei N = 714 Vorfälle identifiziert wurden. Die Webrecherche setzte bei verfügbaren Listen über Vorfälle an, zu denen dann Berichte in unterschiedlichen Medien zusammengetragen wurden. Erfasst wurden u. a. Datum, Saison, Wettbewerb, Spieltag, betroffene Clubs und Fangruppen, Ort und Art des Vorfalls sowie die Ausprägung der beobachteten Gewalt. Die Kategorien wurden gezählt, teilweise bewertet, u. a. hinsichtlich der Gewaltintensität, und inferenzstatistisch ausgewertet. ERGEBNISSE Die Anzahl der Vorfälle und Gewaltintensität zeigen ein uneinheitliches Muster mit einem Rückgang an Gewalt in der Saison 2015/16 und einem niedrigen Niveau bzw. Rückgang an Vorfällen in den Saisons 2014/15 sowie 2017/18. Zwei Drittel der Vorfälle betreffen Pyrotechnik, was die hohe Beteiligung von Ultras erklärt. Die Gewalt steigt allerdings bei Beteiligung von Hooligans. Beunruhigend ist überdies die Häufung von Vorfällen bei Clubs aus Ostdeutschland sowie in der 3. Liga. DISKUSSION Zwar stehen weitere Datenanalysen noch aus. Es zeigt sich jedoch, dass die Anti-Gewaltpolitik besser an Unterschiede im Fanverhalten angepasst werden sollte. Eindeutig ist, dass Fangewalt im deutschen Fußball kein dominantes Problem darstellt und in den Medien mitunter übertrieben wird. LITERATUR Andres, L., Fabel, M., & Rainer, H. (2023). How much violence does football hooliganism cause? Journal of Public Economics, 225, Article 104970. Anthonj, P., Emrich, E., & Pierdzioch, C. (2013). Gewalt und Gewaltbekämpfung im deutschen Fußball. Working Papers of the European Institute for Socioeconomics, 1, 2013. Manning, M., Fleming, C.M., Pham, H-T., & Wong, G.T.W. (2022). What matters more, perceived or real crime? Social Indicators Research, 163(3), 1221–1248. |