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AK6.08: AK: Talententwicklung und -förderung
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Prognose herausragender sportlicher Leistungen anhand multidimensionaler Daten in der Kindheit und frühen Adoleszenz 1Karlsruher Institut für Technologie; 2Leibniz Institut für Bildungsverläufe Bamberg; 3Universität Trier EINLEITUNG Die Vorhersage außergewöhnlicher sportlicher Leistungen auf Grundlage von Daten aus der Kindheit und frühen Adoleszenz kann wertvolle Erkenntnisse für Talent-Scouting und domänenspezifische Theorien der Talententwicklung liefern (Preckel et al., 2020). Diese Studie untersucht, inwiefern herausragende sportliche Leistungen bereits in der Kindheit und frühen Adoleszenz anhand anthropometrischer, motorischer, sportpsychologischer und trainingsbezogener Variablen vorhergesagt werden können. METHODE Diese retrospektive Beobachtungsstudie untersucht 3.336 ehemalige Sportschüler:innen aus Nordrhein-Westfalen (nm = 2.045, 61.3 %; nw = 1.291, 38.7 %; Alter: 19-28 Jahre). Das jemals höchste Leistungsniveau sowie das Leistungsniveau im Seniorenbereich determinieren binär die Einordnung in Talente und Nicht-Talente. Talentstatus gilt ab sportlichen Leistungen auf Bundes- und/oder internationaler Ebene. Als Prädiktoren dienen anthropometrische und motorische Daten aus Klasse vier und sieben sowie sportpsychologische und trainingsbezogene Daten aus Klasse sieben (Roth et al., 2017). Diskriminanzanalysen und logistische Regressionen werden zur Vorhersage eines „allgemeinen“ (sportlicher Erfolg unabhängig der Karrierephase, d.h. jemals höchstes Leistungsniveau im Junioren- oder Seniorenbereich) und eines „hochklassigen“ (jemals höchstes Leistungsniveau im Seniorenbereich) Talentstatus für die Gesamt- und Geschlechtsstichproben vorgenommen. Jede Analyse erfolgt separat für die Daten aus Klasse vier und sieben. ERGEBNISSE Allgemeiner Talentstatus zeigte sich bei 16.4 % (n = 546; nm = 313, 57.3 %; nw = 233, 42.7 %) der Stichprobe. Davon wurde bei 10.6 % (n = 353; nm = 207, 58.6 %; nw = 146, 41.4 %) das jemals höchste Leistungsniveau im Juniorenbereich identifiziert. Hochklassiger Talentstatus ergab sich bei 5.8 % (n = 193; nm = 106, 54.9 %; nw = 87, 45.1 %). Die Analysen der Prädiktoren werden derzeit vorgenommen und am dvs-Hochschultag berichtet. DISKUSSION Die Faktoren, die letztendlich zur Differenzierung von Talenten und Nicht-Talenten beitragen und somit eine prädiktive Aussage herausragender sportlicher Leistungen in der Praxis ermöglichen könnten, sind nach den Analysen zu identifizieren. LITERATUR Preckel, F., Golle, J., Grabner, R., Jarvin, L., Kozbelt, A., Müllensiefen, D., Olszewski-Kubilius, P., Schneider, W., Subotnik, R., Vock, M., & Worrell, F. C. (2020). Talent Development in Achievement Domains: A Psychological Framework for Within- and Cross-Domain Research. PPS, 15(3), 691–722. Roth, A., Moll, C., Seidel, I., & Bös, K. (2017). Nachwuchsleistungssport an den NRW-Sportschulen – Talentsichtung unter Berücksichtigung sportartübergreifender, sportartspezifischer und sportpsychologischer Testverfahren. Leipziger sportwissenschaftliche Beiträge, 58(1), 132–157. Einfluss des biologischen Entwicklungsstandes auf die spielbezogene Leistung und Selektion von Talenten im Nachwuchsbasketball 1Eberhard Karls Universität Tübingen; 2Deutscher Basketball Bund e.V. EINLEITUNG Im Basketball werden Spieler:innen ähnlichen chronologischen Alters während der Pubertät gesichtet, deren biologischer Entwicklungsstand (BES) sich um bis zu sechs Jahre unterscheiden kann. Dies kann zu besseren Leistungen oder bevorzugter Auswahl biologisch reiferer Spieler:innen führen. Ziel dieser Studie war es, den Einfluss des BES auf (i) individuelle spielbezogene Leistungen und (ii) die Selektion für die erweiterten Kader der weiblichen U16- und männlichen U15-Nationalmannschaften beim Sichtungsturnier (Bundesjugendlager, BJL) des Deutschen Basketball Bundes (DBB) im Oktober 2024 zu untersuchen. METHODE Vor Turnierbeginn wurden bei N = 71 U16-Spielerinnen (MCA = 15.32, SD = 0.28 Jahre) und N = 88 U15-Spielern (MCA = 14.39, SD = 0.27) anthropometrische Maße und der BES über das Skelettalter (SA) per Ultraschall (BAUSport™, SonicBone; z. B. Leyhr et al., 2020) bestimmt. Vom DBB erfasste Leistungsindikatoren (Scoutingdaten; z. B. Rösch et al., 2021) wurden auf die Einsatzzeiten der Spieler:innen relativiert. Zudem wurden DBB-Selektionslisten ausgewertet (U16: n = 27; U15: n = 43). Rangkorrelationsanalysen untersuchten den Einfluss des BES auf die Scoutingdaten (i) und Mann-Whitney U-Tests selektionsbezogene Unterschiede (ii). ERGEBNISSE (i) Bei Mädchen zeigte sich ein mittlerer positiver Zusammenhang des BES (MSA = 16.82, SD = 0.86 Jahre) mit der Effektivität (rs = .32, p < .01) sowie schwache positive Zusammenhänge des BES mit Punkten, Rebounds, Blocks und Fouls (.24 ≤ rs ≤ .29, alle p < .05). Ein mittlerer negativer Zusammenhang bestand zwischen BES und Turnover (rs = -.31, p < .01). Bei Jungen zeigten sich mittlere bis starke positive Zusammenhänge des BES (MSA = 16.69, SD = 1.19) mit Rebounds (rs = .58, p < .001) und Blocks (rs = .32, p < .01), schwache bis mittlere negative Zusammenhänge des BES mit Assists, Turnover und Steals (-.25 ≤ rs ≤ -.31, alle p < .05). (ii) Selektionsbezogene Unterschiede bezüglich Körpergröße, Gewicht und BES fanden sich bei Mädchen (.28 ≤ Φ ≤ .34, alle p < .05), nicht aber bei Jungen (alle p ≥ .95). DISKUSSION Die Ergebnisse bestätigen den signifikanten Einfluss des BES auf spielbezogene Leistungen beim BJL, wobei ein signifikanter Einfluss auf die Selektion nur bei Mädchen nachgewiesen werden konnte. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, reifebezogene Merkmale und deren geschlechtsspezifischen Ausprägungen in Sichtungsprozessen zu berücksichtigen. LITERATUR Leyhr, D., Murr, D., Basten, L., Eichler, K., Hauser, T., Lüdin, D., Romann, M., Sardo, G. & Höner, O. (2020). Biological maturity status in elite youth soccer players: A comparison of pragmatic diagnostics with magnetic resonance imaging. Frontiers in Sports and Active Living, 2, 587861. Rösch, D., Deutsch, Q., & Höner, O. (2021). Scoutingdaten im Nachwuchs-Basketball. Zusammenhang mit dem Erfolg im Erwachsenenalter. Leistungssport, 51(1), 45–49. Talentselektion – Identifizierung sportmotorischer Muster im Handball Johannes Gutenberg Universität Mainz EINLEITUNG Sportmotorische Tests zur Messung der motorischen Leistungsfähigkeit sind ein fundamentaler Bestandteil der Talentidentifikation im Leistungssport und häufig Gegenstand der Talentforschung. Dabei werden die einzelnen Testergebnisse überwiegend mit einem variablenorientierten Ansatz betrachtet, indem für die gesamte Stichprobe der Beitrag einzelner Fähigkeiten (Variablen) für die zukünftige sportliche Leistungsentwicklung bzw. die Beurteilung des Talentpotentials analysiert werden. Demgegenüber lassen sich mit einem personenorientierten Ansatz (vgl. Saqr et al., 2024) ähnliche „Personentypen“ (Profile) identifizieren, die sich in der Struktur der sportlichen Leistungsfähigkeit voneinander unterscheiden. Erste Studien mit diesem Ansatz untersuchen motorische und psychologische Faktoren, um anschließend die prädiktive Güte der „Typen“ für die Talentselektion zu prüfen. (vgl. Zuber et al., 2016). Geschlechtsspezifische Unterschiede hinsichtlich der motorischen Entwicklung und der sportartspezifischen Leistungsstruktur führen zur Annahme, dass diese Unterschiede in der Talentselektion berücksichtigt werden müssen. Ziel der Studie ist die geschlechtsspezifische Gegenüberstellung von Profilen der sportlichen Leistungsfähigkeit. METHODE Von 2017 bis 2022 nahmen 888 Athlet:innen im Alter von 12 Jahren an einer sportmotorischen Testung des Hessischen Handballverbandes teil. Die Testbatterie besteht aus sechs Tests (Technik- und Fitnesstests). Zur Auswertung der Daten wurde differenziert nach Geschlecht eine Clusteranalyse (Ward-Methode, Quadrierte euklidische Distanz) durchgeführt. Der Zusammenhang zwischen den Clustern und der Kadernominierung wurde untersucht. ERGEBNISSE Identifiziert wurden fünf Cluster pro Geschlecht. Geschlechtsunabhängig waren die beiden konträren Cluster überdurchschnittliche (Good Performer) bzw. unterdurchschnittliche (Low Performer) Leistungen in allen Tests. Die drei weiteren Cluster waren geschlechtsspezifisch (z. B. w = Speed & Power, m = Speed & Endurance). Bei den Jungs wurden Good Performer mit der höchsten Wahrscheinlichkeit im Vergleich zu den anderen Clustern nominiert (Odds Ratio (OR) = 4.3). Bei den Mädchen war dies das Cluster Speed & Power (OR = 2.5). DISKUSSION Die Ergebnisse zeigen, dass bei der Talentsichtung im Handball je nach Geschlecht unterschiedliche sportmotorische Typen bevorzugt ausgewählt werden. LITERATUR Saqr, M., Vogelsmeier, L. V.D.E., López-Pernas, S. (2024). Capturing where the learning process takes place: A person-specific and person-centered primer. Learning and Individual Differences, 113, 1–8. https://doi.org/10.1016/j.lindif.2024.102492. Zuber, C., Zibung, M. & Conzelmann, A. (2016). Holistic Patterns as an Instrument for Predicting the Performance of Promising Young Soccer Players – A 3-Years Longitudinal Study. Frontiers in Psychology, 7(1088), 1–10. doi: 10.3389/fpsyg.2016.01088. Umsetzung von Talentförderung in der Schule im Sinne des Long-Term Athlete Development: Systematische Übersicht und narrative Synthese 1Europa-Universität Flensburg; 2Friedrich-Schiller-Universität Jena; 3Universität Heidelberg EINLEITUNG Die sportliche Talentförderung in Schulen gewinnt zunehmend an Bedeutung für die Entwicklung von Nachwuchssportler:innen (Faber et al., 2022; Ferriz-Valero et al., 2023). Doch inwieweit die Schulen eine Talentförderung im Sinne der langfristigen Entwicklung von Athlet:innen (Long-Term Athlete Development, LTAD) verfolgen, bleibt unklar. Das Ziel der systematischen Übersichtsarbeit ist eine narrative Synthese über die Talententwicklungsprogramme in Schulen im Vergleich zu den Long-Term Athlete Development-Prinzipien. METHODE Eine systematische Suche in drei Datenbanken (PubMed, Web of Science, SportDiscus) wurde gemäß den PRISMA-Richtlinien unter Anwendung der PICO-Strategie durchgeführt. Die Beurteilung der Studienqualität sowie die Datenextraktion wurden unabhängig voneinander von Gutachter:innen durchgeführt. Aufgrund der hohen methodischen Heterogenität der einbezogenen Studien erfolgte eine narrative Synthese zur Analyse der Ergebnisse. Die Ergebnisse wurden hinsichtlich wichtiger Faktoren der LTAD-Modelle dokumentiert. ERGEBNISSE N = 20 Studien wurden in die finale Datenanalyse einbezogen. Die Ergebnisse der Studien zeigten, dass Talentförderungsprogramme in Schulen positive Auswirkungen auf physiologische und soziale Faktoren haben. Athlet:innen aus Schulen mit Talentförderung berichten z. B. von einer stärkeren sozialen Unterstützung und engeren Beziehungen zu Trainer:innen und Mitschüler:innen. Auch negative Konsequenzen werden deutlich. Beispielsweise erleben Athletinnen einen erhöhten psychischen Stress sowie eine geringere langfristige akademische Leistung im Vergleich zu Athleten. Darüber hinaus zeigt sich kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Talentprogrammen in Schulen und langfristigem sportlichen Erfolgen. DISKUSSION Talentförderprogramme in Schulen unterstützen die physische Leistungsfähigkeit, soziale Netzwerke und den kurzfristigen akademischen Erfolg, stellen jedoch eine Herausforderung für das mentale Wohlbefinden sowie den langfristigen akademischen und sportlichen Erfolg dar. Eine bessere Anpassung an die LTAD-Prinzipien, einschließlich der Berücksichtigung der psychischen Gesundheit, ist erforderlich. Zukünftige Forschung sollte sich verstärkt mit langfristigen Ergebnissen befassen und methodische Lücken schließen. LITERATUR Faber, I. R., Sloot, L., Hoogeveen, L., Elferink-Gemser, M. T., & Schorer, J. (2022). Western Approaches for the identification and development of talent in schools and sports contexts from 2009 to 2019 – a literature review. High Ability Studies, 33(2), 135–168. Ferriz-Valero, A., González-Villora, S., García-Martínez, S., & Baena-Morales, S. (2023). Understand well to develop better: gifted students in physical education and sport. Journal of Physical Education and Sport, 23(9), 2336–2345. https://doi.org/10.7752/jpes.2023.09269 |