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AK4.10: AK: Verletzungen, Prävention & Rehabilitation
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Vergleich zweier Messverfahren zur Identifizierung eines potentiellen Verletzungsrisikos der unteren Extremitäten Carl von Ossietzky Universität Oldenburg EINLEITUNG Der Landing-Error-Scoring-System-Test (LESS-T; De Blaiser et al., 2022) und Lateral-Step-Down-Test (LSD-T; De Blaiser et al., 2019) werden in der Diagnostik eingesetzt, um bei einbeinigen Lande- bzw. Absteigebewegungen biomechanische Bewegungsmuster zu identifizieren, die mit einem potenziellen Verletzungsrisiko der unteren Extremitäten assoziiert sind. Beide Tests verwenden für die Bewertung der Ausführungsqualität spezifische Items mit identischen Kinematiken. Ziel dieser Studie war es, die relevanten Parameter dieser Kinematiken zwischen dem LSD-T und dem LESS-T zu vergleichen. METHODE An der Studie nahmen N = 41 gesunde Sportstudierende (MAlter = 24.0, SD = 2.9 Jahre, MGröße = 178.9, SD = 9.8 cm, MGewicht = 75.2, SD = 12.8 kg) teil. An zwei Testtagen absolvierten sie den LESS-T (3 Versuche) und LSD-T (2 Versuche) jeweils mit dem Sprung- (SB) und Nicht-Sprungbein (NSB). Die Testausführungen wurden aus der Frontalperspektive videografisch aufgezeichnet. Die mit einem potenziellen Verletzungsrisiko assoziierten Parameter des Becken- (BW), Knie- (KW) und Rumpfneigungswinkels (LNW) wurden zum Zeitpunkt der maximalen Kniebeugung im LESS-T und zum Zeitpunkt der Bodenberührung der Ferse beim Absteigen im LSD-T mittels Kinovea bestimmt. Die Unterschiede sowie der Zusammenhang zwischen den identischen Parametern beider Messverfahren wurden mit einem t-Test für abhängige Stichproben geprüft. ERGEBNISSE Für den BW (SB: d = -1.63; NSB: d = -1.40), KW (SB: d = -1.17; NSB: d = -0.93) und LNW (SB: d = 2.16; NSB: d = 1.94) ergeben sich praktisch bedeutsame und statistisch signifikante Unterschiede (p < .001), wobei die Proband:innen im LESS-T geringere KW und BW, jedoch größere LNW aufweisen als im LSD-T. Die Unterschiede sind mit mittleren Zusammenhängen des KW (r = .41-.58) und LNW (r = .31-.37) zwischen dem LESS-T und LSD-T und geringen Zusammenhängen für den BW verbunden. DISKUSSION Die praktisch bedeutsamen Unterschiede in Verbindung mit den maximal moderaten Zusammenhängen deuten darauf hin, dass der LESS-T und LSD-T sich gegenseitig nicht substituieren können. Weitere Untersuchungen zur Identifizierung eines potenziellen Verletzungsrisikos mit unterschiedlichen oder vergleichbaren Verfahren unter Validitätsgesichtspunkten erscheinen daher notwendig. LITERATUR De Blaiser, C., De Ridder, R., Willems, T., Danneels, L., & Roosen, P. (2019). Reliability of two functional clinical tests to evaluate trunk and lumbopelvic neuromuscular control and proprioception in a healthy population. Brazilian Journal of Physical Therapy, 23(6), 541–548. De Blaiser, C., Roosen, P., Vermeulen, S., De Bleecker, C., & De Ridder, R. (2022). The development of a clinical screening tool to evaluate unilateral landing performance in a healthy population. Physical Therapy in Sport, 55, 309–315. Belastungssteuerung beim Krafttraining für Kreuzschmerzpatient*innen in der Physiotherapie: Eine Vignettenstudie 1Ruhr-Universität Bochum; 2Hochschule Bochum, Standort Gesundheitscampus; 3Universität Tübingen EINLEITUNG Physiotherapeut:innen führen mit Patient:innen mit Kreuzschmerzen (LBP) häufig Krafttraining durch (Bahns et al., 2021). Bezüglich der Belastungssteuerung zeigen Studienergebnisse, dass Physiotherapeut:innen ihren Patient:innen nicht immer ausreichend spezifische Dosierungsempfehlungen geben (Wingood et al., 2023). Die vorliegende Studie untersucht die physiotherapeutische Belastungssteuerung und deren Determinanten beim Krafttraining für Patient:innen mit LBP. METHODE In einer explorativen Querschnittstudie beantworteten Physiotherapeut:innen online Fragen zur Durchführung von Krafttraining anhand zweier fiktiver Kreuzschmerzpatient:innenbeispiele (Fallvignetten): Einer Informatikerin (IT: geringere körperliche Anforderungen im Beruf, hohes Chronifizierungsrisiko, Angstvermeidungsverhalten) und einem Bauarbeiter (BA: hohe körperliche Belastung im Beruf, mittleres Chronifizierungsrisiko, Aufgabenpersistenzverhalten). Die Daten wurden quantitativ-deskriptiv betrachtet. ERGEBNISSE Die meisten Therapeut:innen stimmten der Aussage zu, dass der BA und die IT eine gut trainierte Bauch- und Rückenmuskulatur benötigen (je 50 von 64 Befragten). Es wurden im Mittel 2.7 (SD = 0.8, IT) bzw. 2.9 (SD= 1.1) Sätze (BA) mit M = 11.5 (SD = 3.6) bzw. M = 11.7 (SD = 3.7) Wiederholungen erwartet (IT; BA). Für die IT wurde dabei häufiger (43 von 64) eine geringe (und nicht moderate oder hohe) Anstrengung antizipiert als für den BA (24 von 64 Befragten) (p < .001). Die Belastungssteuerung orientierte sich insbesondere an Response/Feedback der Patient:innen (IT: 39, BA: 43) und der Schmerzintensität (IT: 30, BA: 35 Befragte). Erfahrene Therapeut:innen tolerierten für den BA eine geringere Schmerzintensität als Berufseinsteiger:innen (Md = 3.5 zu 5.0 von 10 Punkten, p = .013). DISKUSSION Die Antworten der Teilnehmer:innen sind überwiegend adäquat. Sie verdeutlichen die Komplexität des Themas und legen nahe, dass Entscheidungen zur Belastungssteuerung nicht ausreichend stak individualisiert getroffen werden. Auf Basis weiterer Untersuchungen zum besseren Verständnis der Thematik könnten Ansätze zur gezielteren Förderung der Belastungssteuerungs-Kompetenz in der Physiotherapie entwickelt werden. LITERATUR Bahns, C., Happe, L., Thiel, C., & Kopkow, C. (2021). Physical therapy for patients with low back pain in Germany: a survey of current practice. BMC Musculoskeletal Disorders, 22(1), 563. Wingood, M., Bruch, K. C., Franssen, N., Mulpeter, K., Scott, L., Henry, S., & Gell, N. (2023). Physical activity for patients with chronic low back pain: What are physical therapists prescribing?. Journal of Back and Musculoskeletal Rehabilitation, 36(6), 1335–1343. Mechanismen und Bewegungsmuster von Knöchelverstauchungen im Männerhandball: eine videobasierte Analyse Universität Bayreuth EINLEITUNG Verstauchungen des Sprunggelenks zählen zu den häufigsten Verletzungen im Handball (Popovich et al., 2020). Bisher liegen jedoch nur wenige Erkenntnisse über risikoreiche Bewegungen und Verletzungsumstände vor. In der vorliegenden Videoanalyse-Studie wurden situativen Merkmale von Sportlern untersucht, die sich eine Knöchelverstauchung zugezogen haben. METHODE Eine systematische Websuche (YouTube, Google News) wurde durchgeführt, um Videoaufnahmen von Knöchelverletzungen bei männlichen Handballspielern zu identifizieren. Zwei unabhängige Prüfer extrahierten Informationen über die Stichprobe (z. B. Alter, Größe, Gewicht, Position), den Verletzungsmechanismus (direkt, indirekt, kontaktlos), das Bewegungsmuster (Landung, Richtungswechsel/CoD, Laufen, Shuffle, Schritt/Ausfallschritt, Andere), die Bewegungsgeschwindigkeit, der visuelle Fokus und den Zeitpunkt der Verletzung. Zusätzlich zur deskriptiven Statistik wurden Chi-2-Tests verwendet, um die Zusammenhänge zwischen den Variablen zu untersuchen. ERGEBNISSE Insgesamt wurden 112 videodokumentierte Verletzungen analysiert. Die Mehrheit der Verstauchungen resultieren aus direkten Kontaktverletzungen (n = 69, 61.6 %). die häufigsten Bewegungsmuster waren Landungen (n = 43), Laufen (n = 14), Schritt/Ausfallschritt (n = 14) und CoD (n = 12). Während direkte Verletzungen vor allem bei der Landung (42 %) auftraten, waren CoD (83 %) die mit Abstand häufigste Spieleraktion bei kontaktlosen Verletzungen (p < .001). In den meisten Fällen erfolgten die Verletzungen bei einer moderaten Bewegungsgeschwindigkeit (n = 59) und mit einem auf den Ball gerichteten visuellen Fokus (n = 53). DISKUSSION Landungen sind die häufigste Ursache für Knöchelverstauchungen bei männlichen Handballspielern. Obwohl der größte Teil der Verletzungen, insbesondere bei Landungen, auf direkten Kontakt zurückzuführen ist, treten Verstauchungen ohne Kontakt ausschließlich beim CoD auf. Trainer und Gesundheitspersonal sollten diese Diskrepanz bei der Entwicklung von Präventionsmaßnahmen berücksichtigen. LITERATUR Popovich, A., Bezukladnova, L., Bezukladnov, A., & Goncharova, E. (2020). Competitive activity indicators in handball. Statistics, analysis, forecast. BIO Web of Conferences, 26, 00057. https://doi.org/10.1051/bioconf/20202600057. Über die Wirksamkeit von Verletzungspräventionsprogrammen im Schulsport: Eine systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse Europa-Universität Flensburg EINLEITUNG Strukturierte Präventionsprogramme zur Reduzierung von Sportverletzungen zeigen eine hohe Effektivität bei Kindern und Jugendlichen im Breiten- und Vereinssport (Rössler et al., 2014). Generelle Sportverletzungen ereignen sich jedoch auch häufig im Kontext Schule. Das primäre Ziel der systematischen Übersichtsarbeit war die Analyse der Wirksamkeit von Verletzungspräventionsprogrammen im Schulsport zur Verringerung des Verletzungsrisikos. Etwa 40 % der Sportverletzungen bei Kindern treten im Sportunterricht auf (Woller & Ellsäßer, 2014). Da strukturierte Präventionsprogramme im Breiten- und Vereinssport das Verletzungsrisiko signifikant reduzieren (Rössler et al., 2014), ist das Ziel dieser Studie, die Evidenz zu ihrer Wirksamkeit im Schulsport zu untersuchen. METHODE Eine systematische computergestützte Suche von vier Datenbanken (PubMed, Web of Science, SPORTDiscus, PEDro) wurde mit den Suchbegriffen Schulsport, Verletzungspräventionsprogrammen und Sportverletzungen durchgeführt. Es wurden nur Studien eingeschlossen, die 1. Kinder oder Jugendliche einbezogen, 2. ein Präventionsprogramm untersuchten, 3. mind. eine Vergleichsgruppe beinhalteten, 4. Sportverletzungen erfassten und 5. ein analytisches Design verwendeten. Die Datenextraktion und die Bewertung der Studienqualität erfolgte durch zwei Wissenschaftler:innen. Zur Analyse wurden die Verletzungsraten (IRRs) der unteren Extremitäten meta-analytisch gepoolt. Darüber hinaus erfolgte eine Moderatorenanalyse zur Wirkung von spezifischen Schulsportprogrammen vs. des allgemeinen Schulsportunterrichts sowie uni- und multimodalen Trainingsprogrammen. ERGEBNISSE Insgesamt wurden zehn Studien mit 1,119,247 Athlete-Exposures sowie 1,461 Sportverletzungen analysiert. Die gesamte Verletzungsrate aller eingeschlossenen Studien lag bei 36% (IRR = 0,64, 95 % CI [0.50, 0.81], p = .01). Sowohl Studien im Feld der spezifischen Schulsportprogramme (IRR = 0.67 [0.50, 0.89], p = .01) als auch des allgemeinen Schulsportunterrichtes (IRR = 0.57 [0.33, 0.97], p = .04), durchgeführt als unimodale (IRR = 0.62 [0.49, 0.78], p = .01) oder auch multimodale (IRR = 0.63 [0.46, 0.86], p = .01) Programme zeigten signifikante verletzungspräventive Effekte. DISKUSSION Die Meta-Analyse ergab, dass Verletzungspräventionsprogramme im schulischen Kontext signifikant das Verletzungsrisiko um 36 % senken. Sowohl Schüler:innen in spezifischen Schulsportprogrammen als auch in allgemeinen Schulsportklassen profitierten davon, wobei der Effekt in heterogenen Schulsportklassen etwas höher war. Ein Vergleich zwischen unimodalen und multimodalen Programmen zeigte keine signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit. LITERATUR Rössler, R., Donath, L., Verhagen, E., Junge, A., Schweizer, T., & Faude, O. (2014). Exercise-based injury prevention in child and adolescent sport: A systematic review and meta-analysis. Sports Medicine, 44(12), 1733–1748. Woller, T., & Ellsäßer, G. (2014). Sportverletzungen im Kindes- und Jugendalter. Daten der europäischen Injury Database (iDB) für die Unfallprävention. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 65(09), 242–247. |