Veranstaltungsprogramm
Sitzung | ||
AK4.08: AK: Genetik und biologische Prozesse im Leistungssport
| ||
Präsentationen | ||
Gen-Umwelt-Interaktionen im Leistungssport am Beispiel der Vitamin-D-Versorgung – Ergebnisse des in:prove Projektes 1Leistungsphysiologie und Sporttherapie, Institut für Sportwissenschaft, Justus-Liebig Universität Gießen; 2Bewegungs- und Trainingswissenschaft, Institut für Sportwissenschaften, Goethe-Universität Frankfurt; 3Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Bonn EINLEITUNG Eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D ist bedeutsam für die Muskelfunktion, den Knochenstoffwechsel und das Immunsystem. Die Serumkonzentration von Vitamin D wird sowohl durch exogene Faktoren wie Sonnenexposition oder Supplementation als auch durch endogene bzw. genetische Faktoren bestimmt (Revez et al., 2020). Um diese Gen-Umwelt-Interaktion in einem leistungssportlichen Kollektiv besser zu verstehen, wurde der Einfluss eines polygenen Scores (PRS) unter Berücksichtigung exogener Faktoren analysiert. METHODE Im Rahmen des in:prove Projektes wurde bei N = 473 Bundeskaderathlet:innen der Serum-25-Hydroxyvitamin-D-Status bestimmt. Zusätzlich erfolgte die Genotypisierung relevanter Einzelnukleotid-Polymorphismen mit dem Illumina Global Screening Array (Illumina Inc., San Diego, CA, USA). Zur Berechnung des PRS kam die Software PRSice-2 (Choi & O’Reilly, 2019) zum Einsatz. Die Vorhersagekraft des PRS wurde mittels linearer Regressionen untersucht. Hierzu wurden ein Gesamtmodell (PRS + Kovariaten) und ein Nullmodell (nur Kovariaten) verglichen. Als Kovariaten wurden Alter, Geschlecht, Wettkampfumgebung (indoor/outdoor), Monat der Messung sowie Supplementation inkludiert. Die Modellgüte wurde nach fünffacher Kreuzvalidierung anhand der erklärten Varianz (R2, adj. R2) und dem mittleren absoluten Fehler (MAE) bewertet. ERGEBNISSE Der PRS (b = 1.75), das Alter (b = 0.85), der Monat April (b = -8.23) sowie eine Supplementation (b = 7.81) erwiesen sich als signifikante Prädiktoren (p < .05) des Vitamin-D-Spiegels. Das Gesamtmodell erklärte 35.3 ± 4.5 % der Varianz (adj. R2 = 19.7 ± 6 %). Der PRS trug M = 1.9 % (SD = 2.2) zur Varianzaufklärung bei. Der MAE lag bei M = 7.43 (SD = 0.82) ng/mL. DISKUSSION Die Ergebnisse zeigen, dass genetische Faktoren einen geringen Anteil der Gesamtvarianz des Vitamin-D-Status erklären. Stärkere Prädiktoren sind exogene Faktoren wie Alter, saisonale Schwankungen und Supplementation. Dies unterstreicht die hohe Bedeutung umweltbedingter Faktoren. Während genetische Prädispositionen für niedrige Vitamin-D-Werte eine gezielte Individualisierung von Supplementationsstrategien ermöglichen könnten, sollten in der sportpraktischen Betreuung vorrangig modifizierbare Faktoren wie Sonnenexposition und Supplementation berücksichtigt werden. LITERATUR Choi, S. W., & O’Reilly, P. F. (2019). PRSice-2: Polygenic Risk Score software for biobank-scale data. Giga-Science, 8(7), giz082. Revez, J. A., Lin, T., Qiao, Z., Xue, A., Holtz, Y., Zhu, Z., … & McGrath, J. J. (2020). Genome-wide association study identifies 143 loci associated with 25 hydroxyvitamin D concentration. Nature Communications, 11(1), 1647. Genomweite Assoziationsstudie zur Griffkraft bei Elite-Athlet:innen – Ergebnisse des in:prove Projekts 1Bewegungs- und Trainingswissenschaft, Institut für Sportwissenschaften, Goethe-Universität Frankfurt; 2Leistungsphysiologie und Sporttherapie, Institut für Sportwissenschaft, Justus-Liebig Universität Gießen; 3Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Bonn EINLEITUNG Die Griffkraftleistung (GK) ist eine Proxy-Variable für die Maximalkraft, wobei höhere Werte mit einer größeren sportlichen Leistungsfähigkeit und einem geringeren Verletzungsrisiko assoziiert sind (Suchomel et al., 2016). Studien weisen auf einen Zusammenhang zwischen der GK und genetischen Polymorphismen hin (Willems et al., 2017). Da die Evidenz bei Elite-Athlet:innen noch begrenzt ist, ist das Ziel dieser Studie, in dieser Population eine genomweite Assoziationsstudie (GWAS) durchzuführen. METHODE Eine GWAS der GK wurde mit N = 419 Elite-Athlet:innen (weiblich: 187) durchgeführt. Die DNA-Extraktion erfolgte mit dem Chemagic Magnetic Separation Module I (Perkin Elmer Chemagen Technology Inc., Baesweiler, Deutschland), die Genotypisierung mit dem Illumina GSAv3.0+MD+Psych-Array (Illumina Inc, San Diego, CA, USA). Diese genetischen Daten wurden einer Qualitätskontrolle unterzogen (z. B. Überprüfung der Abstammung und des Hardy-Weinberg-Gleichgewichts). Die Erfassung der GK erfolgte mittels Dynamometer [N]. Alter, Geschlecht, Gewicht, Größe und drei genetische Hauptkomponenten wurden als Kovariaten einbezogen und übliche genomweite (p ≤ 5 × 10-8) und suggestive (p ≤ 1 × 10-5) Signifikanzschwellen festgelegt. ERGEBNISSE Die GWAS identifiziert 57 Polymorphismen, die mit GK-Werten unterhalb der suggestiven Signifikanzschwelle (p ≤ 1 × 10-5) assoziiert sind, darunter z. B. SNPs auf den Genen DIO2 (rs225010, auf Chromosom 14), FOSL2 (rs9309662, auf Chromosom 2) oder PEPD (rs153701 und rs4239576, auf Chromosom 19). Keiner der Polymorphismen erreicht ein genomweites Signifikanzniveau (p ≤ 5 × 10-8). DISKUSSION Unsere Ergebnisse weisen auf Polymorphismen in Genen (z. B. DIO2, FOSL2 oder PEPD) hin, die mit der GK von Elite-Athlet:innen relatiert sein könnten. Zur Validierung wären noch größere Athlet:innen-Stichproben und der Vergleich mit ähnlichen Studien notwendig (Willems et al., 2017). Zusätzlich könnten polygene Scores berechnet werden, um den polygenen Einfluss abzuschätzen (Choi et al., 2020). LITERATUR Choi, S. W., Mak, T. S., & O’Reilly, P. F. (2020). Tutorial: A guide to performing polygenic risk score analyses. Nature Protocols, 15(9), 2759–2772. https://doi.org/10.1038/s41596-020-0353-1. Suchomel, T. J., Nimphius, S., & Stone, M. H. (2016). The importance of muscular strength in athletic performance. Sports Medicine, 46(10), 1419–1449. https://doi.org/10.1007/s40279-016-0486-0. Willems, S. M., Wright, D. J., Day, F. R., Trajanoska, K., Joshi, P. K., Morris, J. A., … Scott, R. A. (2017). Large-scale GWAS identifies multiple loci for hand grip strength providing biological insights into muscular fitness. Nature Communications, 8, 16015. https://doi.org/10.1038/ncomms16015 Adaptive Muster im Darmmikrobiom deutscher Leistungssportler:innen - eine vergleichende Analyse 1Justus-Liebig Universität Gießen; 2Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn; 3Friedrich-Schiller-Universität Jena; 4Goethe-Universität Frankfurt EINLEITUNG Leistungssportler:innen sind starker körperlicher Belastung und physiologischem Stress ausgesetzt – Faktoren, die das Darmmikrobiom beeinflussen können (Nolte et al., 2023). Es scheint, dass sich das Mikrobiom an die besonderen Anforderungen des Leistungssports anpasst und so möglicherweise Stoffwechseleffizienz sowie Stressresistenz verbessert (Mohr et al., 2020). Ziel dieser Studie ist es, das Mikrobiom deutscher (Nachwuchs-) Leistungssportler:innen mit dem von gesunden Erwachsenen zu vergleichen, um strukturelle und funktionelle Anpassungen zu identifizieren. METHODE Analysiert wurden Daten des Darmmikrobioms aus dem in:prove-Projekt (Athlet:innen (ATH) aus sieben Spitzenverbänden des deutschen Bundeskaders (Nachwuchs- bis Olympiakader), n = 148, 90 Frauen) und der NuEva-Studie (gesunde Erwachsene (HA), n = 108, 78 Frauen). Zur weiteren Analyse wurden zwei Subgruppen (ATHsub, n = 20; HAsub n = 21) hinsichtlich Alter, Geschlecht, BMI und Ernährungsweise gematcht. Die Mikrobiomanalyse erfolgte standardisiert über Stuhlproben mittels 16S-rRNA-Sequenzierung. Zudem wurden Daten aus Ernährungsprotokollen ergänzt und funktionelle Prädiktionen mittels PICRUSt2 und der MetaCyc-Datenbank analysiert. ERGEBNISSE Es zeigen sich signifikante Unterschiede in der mikrobiellen Zusammensetzung zwischen gesunden Erwachsenen (HA) und Athlet:innen (ATH): HA weisen eine höhere Gleichverteilung („Evenness“) (p < .001) auf, während ATH eine höhere bakterielle Artenvielfalt aufweisen (p = .007). Die Gruppenzugehörigkeit beeinflusst die mikrobiellen Profile (Bray-Curtis: R² = .014; UniFrac: R² = .035; p < .001). Den stärksten Einfluss hat das Alter (R² = .018; p <.001), gefolgt von der Ballaststoffaufnahme (R² = .010; p < .001). In der Subgruppenanalyse zeigt sich, dass Escherichia-Shigella, Proteobacteria und Actinobactriota bei ATHsub vermehrt vertreten sind. Funktionell zeigen sich bei ATHsub erhöhte Kapazitäten für die Aminosäurebiosynthese, Glykolyse, β-Oxidation sowie die Synthese von Vitamin K2 (Menachinon) und Ubichinon (p<.001). DISKUSSION Das Darmmikrobiom von Leistungssportler:innen unterscheidet sich sowohl strukturell als auch funktionell von dem von gesunden Erwachsenen. Diese Unterschiede könnten bei der physiologischen Anpassung an den Hochleistungssport eine Rolle spielen. LITERATUR Mohr, A. E., Jäger, R., Carpenter, K. C., Kerksick, C. M., Purpura, M., Townsend, J. R., West, N. P., Black, K., Gleeson, M., Pyne, D. B., Wells, S. D., Arent, S. M., Kreider, R. B., Campbell, B. I., Bannock, L., Scheiman, J., Wissent, C. J., Pane, M., Kalman, D. S.,Pugh, J. N. … Antonio, J. (2020). The athletic gut microbiota. Journal of the International Society of Sports Nutrition, 17(1). Nolte, S., Krüger, K., Lenz, C., & Zentgraf, K. (2023). Optimizing the Gut Microbiota for Individualized Performance Development in Elite Athletes. Biology, 12(12), 1491. https://doi.org/10.3390/biology12121491 |