Veranstaltungsprogramm

Sitzung
Bevölkerungsstatistik heute und morgen – aktuelle Ergebnisse und Projekte mit Entwicklungspotenzial
Zeit:
Freitag, 21.03.2025:
9:00 - 10:30

Chair der Sitzung: Dr. Karin Tesching, Bayerisches Landesamt für Statistik
Chair der Sitzung: Olga Pötzsch, Statistisches Bundesamt
Chair der Sitzung: Dr. Elke Loichinger, Statistisches Bundesamt
Ort: Seminarraum B

F04.208

Zusammenfassung der Sitzung

Die Session soll über aktuelle Projekte und methodische Weiterentwicklungen in den amtlichen Bevölkerungs- und Haushaltsstatistiken sowie Statistiken mit Bevölkerungsbezug informieren. Sie können hier neue, für die Forschung interessante Datenangebote, Vorausberechnungen (gerne mit regionalem Bezug) und methodische Ansätze vorstellen, mit deren Hilfe existierende Datenlücken geschlossen und neue Analysemöglichkeiten eröffnet werden. Wir freuen uns aber auch über Einreichungen aus der Forschung mit Beispielen zur Verwendung demografischer und sozialer Daten der amtlichen Statistik.


Dr. Karin Tesching, Olga Pötzsch und Dr. Elke Loichinger


Präsentationen

Auswirkung des Zensus 2022 auf die Ergebnisse zur Lebenserwartung in Deutschland

zur Nieden, Felix

Statistisches Bundesamt, Deutschland

Seit der ersten amtlichen Sterbetafel für das Deutsche Reich für die Jahre von 1871 bis 1881 werden von der amtlichen Statistik jeweils im Anschluss an eine Volkszählung allgemeine Sterbetafeln erstellt. Im Gegensatz zu den laufend veröffentlichten Sterbetafeln werden die allgemeinen Sterbetafeln unter zusätzlichem methodischem Aufwand von Zufallsschwankungen befreit und im geglätteten Verlauf dargestellt. Aufgrund der Nutzung von zensusbasierten Bevölkerungsdaten und des zusätzlichen methodischen Aufwands bieten allgemeine Sterbetafeln eine hohe Verlässlichkeit. Zuletzt erfolgten derartige Berechnungen am Statistischen Bundesamt im Rahmen des Zensus 2011 und der entsprechenden Sterbetafel 2010/2012. Damals waren die Ergebnisse für die Lebenserwartung bei Geburt unter Berücksichtigung der neuen Zensuszahlen für Männer um 0,25 Jahre und für Frauen um 0,1 Jahre geringer als auf Basis der zuvor gültigen Bevölkerungsfortschreibung. Der gemessene Unterschied in der Lebenserwartung bei Geburt zwischen der ausländischen und der deutschen Bevölkerung fiel weiterhin zugunsten der ausländischen Bevölkerung aus ("Healthy-Migrant-Effekt"). Er reduzierte sich durch die Berücksichtigung der Zensusdaten jedoch von über 5 Jahre auf etwa 3 Jahre bei den Männern und auf etwa 2 Jahre bei den Frauen. Im Rahmen des Vortrags wird aufgezeigt, wie sich nun die Berücksichtigung der Ergebnisse des Zensus 2022 auf die Messung der Lebenserwartung in Deutschland ausgewirkt hat. Dabei wird auf die erwähnten Unterschiede zwischen der deutschen und der ausländischen Bevölkerung sowie auf regionale und altersspezifische Aspekte eingegangen.



Ausschöpfen des Potenzials von Meldedaten zugunsten aktuellerer Wanderungsergebnisse

Erdemsiz, Baran; Eberle, Jan

Statistisches Bundesamt, Deutschland

Aktuelle und genaue Wanderungsergebnisse sind für politische Entscheidungen, die Verteilung von Ressourcen und demografische Analysen von entscheidender Bedeutung. Das Statistische Bundesamt untersucht zwei innovative Ansätze, um die Aktualität der Wanderungsstatistik in Deutschland weiter zu verbessern. Beide Ansätze nutzen das Potenzial von Meldedaten der Einwohnermeldeämter und überspringen die traditionellen Plausibilitätsprüfungen, um die Datenverarbeitung zu beschleunigen.

Der erste Ansatz repliziert automatisierbare Prozesse der traditionellen Datenvorverarbeitung, nicht aber die übliche Plausibilisierungsphase, in welcher zeitaufwändige Einzelfallprüfungen und Abstimmungen mit den Einwohnermeldeämtern vorgenommen werden. Durch das Überspringen dieser umfangreichen Plausibilisierungsphase können die Ergebnisse der Wanderungsstatistik bis zu drei Monate früher zur Verfügung gestellt werden, was die Aktualität der Berichterstattung bei gleichzeitiger Wahrung der Datenqualität erheblich verbessert.

Der zweite Ansatz ermöglicht im Rahmen eines regressionsbasierten Nowcasting-Modells eine Schätzung der zu erwartenden Wanderungsströme nach nur einer Woche, obwohl zu diesem Zeitpunkt ein Großteil der Wanderungsfälle noch nicht registriert wurde. Die Schätzung kann mit zunehmender Anzahl an registrierten Wanderungsfällen optimiert werden.

Beide Ansätze verdeutlichen den Trade-Off zwischen Aktualität und Genauigkeit in der Wanderungsstatistik. Während umfassende Plausibilitätsprüfungen höchste Präzision gewährleisten, verzögern sie gleichzeitig die Verfügbarkeit der Ergebnisse deutlich. Obwohl sich beide Ansätze noch in der Entwicklung befinden und als Sonderauswertungen gelten, liefern sie bereits vielversprechende Ergebnisse.

Der Bericht zeigt, wie die beiden vorgestellten Ansätze es ermöglichen, den Trade-Off zwischen Aktualität und Genauigkeit zugunsten der Aktualität zu verbessern, ohne signifikante Verluste bei der Genauigkeit zu verzeichnen.



Pflegestrukturplanung in Bayern: Eine einheitliche Datengrundlage für die zukünftige Pflege

Purrucker, Rosanna

Bayerisches Landesamt für Statistik, Deutschland

Die Sicherstellung der Infrastruktur zur pflegerischen Versorgung ist angesichts der demographischen Entwicklung eine der großen aktuellen sowie zukünftigen gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen. Aus diesem Grund hat das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention (StMGP) im Jahr 2021 das Projekt Pflegestrukturplanung initiiert. Dieses ist ein Kooperationsprojekt des Landesamts für Pflege (LfP) und des Landesamts für Statistik (LfStat), welches die bayerischen Kommunen bei der Planung vor Ort unterstützen soll. Hierzu wird eine einheitliche Datengrundlage bereitgestellt, laufend aktualisiert und durch bedarfsgerechte Beratungsangebote und Schulungen ergänzt.

Das Ziel des Projektteams ist es, den Sozialplanenden in Bayern eine Handlungsleitlinie sowie verlässliche Daten zur Pflegebedarfsermittlung bereitzustellen, um eine einheitliche Pflegestrukturplanung zu ermöglichen. Die Bayerische Handlungsleitlinie, die in Zusammenarbeit mit einer Expertinnen- und Expertengruppe erarbeitet wurde, verfolgt mit dem entwickelten Basismodell das Ziel, den Kommunen den Einstieg in die eigenständige Durchführung der Pflegebedarfsermittlung zu erleichtern. Darüber hinaus soll ein methodisch vergleichbares Vorgehen mit einheitlichen Erhebungszeiträumen auf Landesebene etabliert werden. Im Rahmen der darin ausgesprochenen Empfehlungen wird das LfStat grundlegende, einheitliche Daten bereitstellen, um eine konsistente Grundstruktur der Pflegebedarfsplanung zu schaffen. Damit sollen ein fachlicher Austausch und Vergleich der regionalen Planungen ermöglicht werden. Das zukünftige Datenangebot des LfStat umfasst die Pflegestatistik, die Bevölkerungsfortschreibung sowie die Ergebnisse der Bevölkerungsvorausberechnung. Ab 2026 wird das LfStat zudem eine regionalisierte Vorausberechnung des Pflegebedarfs in Bezug auf die Anzahl der Pflegebedürftigen, der Pflegeplätze und des Pflegepersonals durchführen. Neben der Etablierung einer einheitlichen Datenbasis sollen bedarfsgerechte Unterstützungsangebote sicherstellen, dass die Kommunen in der Lage sind die Pflegestrukturplanung eigenständig durchzuführen.



Potenziale der amtlichen Statistik zur Messung sozioökonomischer Unterschiede in der Sterblichkeit: Matching von Sterbe- und Zensusdaten

Grigoriev, Olga

Statistisches Bundesamt, Deutschland

Seit vielen Jahrzehnten sind soziale Unterschiede bei Gesundheit und Sterblichkeit eines der wichtigsten Themen der internationalen Gesundheitsforschung und eine der größten Herausforderungen für die Gesundheitspolitik. Die zahlreichen internationalen Beweise deuten auf eine höhere Lebenserwartung, eine geringere Prävalenz physischer und psychischer Erkrankungen oder funktioneller Einschränkungen und eine niedrigere Mortalität für diejenigen mit höherem sozioökonomischem Status hin. Trotz vorhandener Forschungsergebnisse hinkt Deutschland bei der umfassenden Analyse von Mortalitätsdeterminanten aufgrund der eingeschränkten Datenlage im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hinterher. Die amtliche Sterbestatistik enthält keine Angaben zum sozioökonomischen Status. Die vorliegenden empirischen Befunde liefern nur eingeschränkte Ergebnisse, da sie in der Regel auf Daten aus Stichproben (Umfragen), Routinedaten der gesetzlichen Krankenkassen oder Rentendaten basieren. Die aktuelle Arbeit gibt einen ersten Überblick über die Möglichkeit der Verknüpfung von Sterbestatistiken mit Zensusdaten in Deutschland. Dabei werden methodische Herausforderungen sowie die praktische Umsetzung dargestellt und diskutiert.