Veranstaltungsprogramm

Sitzung
Vielfalt in Fertilität und Familie in Deutschland
Zeit:
Donnerstag, 20.03.2025:
16:00 - 17:30

Chair der Sitzung: Dr. Sabine Diabaté, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung BiB
Chair der Sitzung: Prof. Dr. Anne-Kristin Kuhnt, Universität Rostock
Ort: Seminarraum A

E03.112

Zusammenfassung der Sitzung

Familienleben hat viele Facetten und wird durch zahlreiche Kriterien wie Haushaltsform, Kinderzahl, Verwandtschaftsverhältnisse oder Wohnsituation geprägt. Bereits die Darstellung mit nur zwei Strukturmerkmalen wie dem Familienstand und der Partnerschaft zeigt Veränderungen in der Zusammensetzung der Familien in Deutschland. Grundsätzlich gilt in diesem Zusammenhang, dass man nur so viel Diversität messen kann, wie auch Merkmale betrachtet werden (können). Die amtliche Statistik erfasst bereits viele für die Familiendemographie relevante Merkmale, stößt aber auch an Grenzen, wenn es z. B. um die Darstellung der Fertilität von Männern, der Multilokalität von Trennungsfamilien oder gleichgeschlechtlicher Elternpaare und Alleinerziehenden geht. In der Session sollen die Möglichkeiten und Grenzen der derzeit verfügbaren Daten für die Fertilitäts- und Familienforschung ausgelotet werden. Willkommen sind Beiträge, die mit Hilfe repräsentativer Paneldaten wie z. B. FReDA, pairfam oder der amtlichen Statistik das Fertilitäts- und Familiengeschehen thematisieren oder sich mit methodischen Herausforderungen beschäftigen.


Insbesondere – aber nicht ausschließlich – stehen die folgenden Themen im Mittelpunkt:


•aktuelle Trends in der Fertilitätsmessung bei Frauen und Männern

•Fertilitätsunterschiede zwischen verschiedenen Regionen/Bundesländern, Stadt/Land oder nach sozialen Gruppen wie z. B. Bildungsabschluss, Migrationsstatus etc.

•Analysen zu Kinderlosigkeit und Kinderreichtum

•demografische Perspektiven auf die Nutzung von Reproduktionsmedizin

•Vielfalt von Familien (z. B. multilokale Trennungsfamilien, gleichgeschlechtliche Zweielternfamilien, Einelternfamilien)


AK Fertilität und Familie

Dr. Sabine Diabaté und Dr. Anne-Kristin Kuhnt


Präsentationen

Das Lebensformenkonzept im Spiegel aktueller Anforderungen

Hochgürtel, Tim

Statistisches Bundesamt, Deutschland

Seit dem Jahr 2005 verwendet die amtliche Statistik das Lebensformenkonzept zur Darstellung familiärer und nicht-familiärer Formen des Zusammenlebens. Eine Person bildet hierbei mit anderen Haushaltsmitgliedern eine Lebensform, sofern sie mit diesen eine Partnerschaft führt oder in einer Eltern/Kind-Beziehung steht. Das Lebensformenkonzept unterscheidet damit Alleinerziehende, Alleinstehende sowie Paare mit und ohne Kinder. Als empirische Grundlage dient hierbei die jährliche Haushaltsbefragung des Mikrozensus.

Aktuell stößt die Berichterstattung zu Lebensformen auf Basis des Mikrozensus wegen der zunehmenden Bedeutung haushaltsübergreifender Formen des Zusammenlebens an Grenzen und kann die empirischen Formen familiären Lebens nur noch bedingt erfassen. Dies wird von den Nutzenden im zunehmenden Maße bemängelt. So kann auf Basis des Mikrozensus keine Erkenntnis darüber gewonnen werden, in welchem Maße eine gemeinsame Sorge von Kindern auch nach einer Trennung und einem Auflösen des gemeinsamen Haushaltes von Eltern praktiziert wird. Mit Alleinerziehenden bildet das Lebensformenkonzept das Zusammenleben eines Elternteils mit Kindern im Haushalt ab. Es bleibt aber unbekannt, ob ein weiteres Elternteil existiert, welches sich an der Betreuung der Kinder beteiligt. Ebenso kann auf Basis des Mikrozensus nicht über Stieffamilien berichtet werden. Hierzu fehlt es an einer entsprechend differenzierten Erfassung der Eltern/Kind-Beziehung. Auch können Elternteile, welche nicht mit ihrem betreuungspflichtigen Kind in einem Haushalt leben, nicht als solche identifiziert werden.

Der Beitrag skizziert, wie das Erfassungsprogramm des Mikrozensus und das Lebensformenkonzept erweitert werden müsste, um die oben genannten Lücken zu füllen und damit eine zeitgemäße Berichterstattung zu Familien zu gewährleisten.



What Difference Does It Make? Parental Relationship Quality and Child Wellbeing in Step- and Nuclear Families

Wagner, Lena1,2; Molina, Stefania1,2; Alonso Perez, Enrique3,4; Kreyenfeld, Michaela2,4

1Humboldt Universität zu Berlin, Berlin, Deutschland; 2Hertie School, Berlin, Deutschland; 3Charité Universitätmedizin, Berlin, Deutschland; 4Einstein Center for Population Diversity, Berlin, Deutschland

Die Studie untersucht den Einfluss der Qualität der elterlichen Partnerschaft auf das Wohlbefinden von Kindern in verschiedenen Familienkonstellationen. Dabei wird ein dyadischer Ansatz verfolgt, der sowohl Kern- als auch Stieffamilien berücksichtigt. Mithilfe von Daten aus dem deutschen Panel „Pairfam“ analysieren wir, wie Konflikt und Wertschätzung in der elterlichen Beziehung das Verhalten von Kindern in Kernfamilien im Vergleich zu Stieffamilien beeinflussen. Die Daten umfassen Kinder im Alter von 7 bis 16 Jahren, die in heterosexuellen Paarhaushalten leben (n=1.781). Das Wohlbefinden der Kinder wird anhand des Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ) basierend auf der Selbstauskunft der Kinder bewertet. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Kinder in Stieffamilien höhere SDQ-Werte aufweisen, was auf größere Verhaltensprobleme und emotionale Herausforderungen hinweist. Interessanterweise sind Konflikte zwischen Eltern in Stieffamilien seltener, während Wertschätzung häufiger vorkommt als in Kernfamilien, wobei die Partnerschaftsqualität insgesamt heterogener verteilt ist als zwischen Eltern in Kernfamilien. Eine Mediationsanalyse verdeutlicht, dass die Qualität der Partnerschaft teilweise den Zusammenhang zwischen Familienstruktur und kindlichem Wohlbefinden erklärt. Insbesondere scheint die höhere Wertschätzung in Stieffamilien negative Effekte auf das kindliche Verhalten abzumildern. Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der elterlichen Partnerschaftsqualität für das Wohlbefinden von Kindern und heben hervor, dass Stieffamilien trotz Herausforderungen auch durch eigene Stärken charakterisiert sind. Gleichzeitig ist zu beachten, dass die Heterogenität in Stieffamilien und ihre größere Instabilität langfristige Risiken für das kindliche Wohlbefinden bergen können. Zukünftige Forschung sollte weitere Mechanismen untersuchen, etwa die Rolle externer Elternteile, um ein umfassenderes Verständnis familiärer Einflüsse auf Kinder zu gewinnen.



Zusammen weniger allein? Einsamkeit im Familienkontext in Deutschland

Kleinschlömer, Pauline; Diabaté, Sabine

Federal Institute for Population Research, Deutschland

Akutelle Forschung zeigt, dass 36% aller Menschen im Alter von 18 - 53 Jahren in Deutschland sich einsam oder teilweise einsam fühlen. Dies hat entscheidende Konsequenzen für unsere Gesellschaft, da Einsamkeit erhebliche Auswirkungen für die physische und psychische Gesundheit hat. Aus diesem Grund ist es notwendig, Determinanten zu identifizieren, die das Einsamkeitsrisiko steigern, um effektiv mit Interventionen gegenzusteuern. Wir analysieren in diesem Zusammenhang den Familienkontext als eine Determinante für Einsamkeit.

Mit Hilfe von FreDA Daten analysieren wir das Einsamkeitsrisiko von Paaren mit biologischen Kindern, Paaren ohne Kindern, Paaren, deren Kinder bereits den Haushalt verlassen haben (empty nest), Stiefeltern mit Kindern, sowie Singles mit und ohne Kindern. Unsere differenzierten Familienformen erlauben es, nicht nur traditionelle Familienformen zu analysieren, sondern auch Trennungsfamilien und „empty nest“-Paare in den Blick zu nehmen. Dies ist besonders relevant, da die Diversität an Familien- und Partnerschaftsformen steigt und es wichtig ist, frühzeitig vulnerable Gruppen zu identifizieren und ihnen Unterstützung bereitzustellen. Eine Differenzierung nach Geschlecht erlaubt es zusätzlich, Geschlechterunterschiede herauszufiltern und vulnerable Gruppen detaillierter zu spezifizieren. Die Befragten in unserem Sample (n= 15,610) sind 18 bis 54 Jahre alt.

Insgesamt zeigen unsere ersten Ergebnisse, dass das Zusammenleben mit einem Partner oder
einer Partnerin ein Schutzfaktor gegen Einsamkeitsgefühle sein kann. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Partner/die Partnerin der leibliche Elternteil der Kinder ist oder nicht. Kinder stellen wider Erwarten weder einen Schutz- noch einen Risikofaktor für Einsamkeit dar. Von Einsamkeit besonders betroffen sind Singles mit und ohne Kinder, insbesondere Männer. Dies ist besonders interessant, da in der allgemeinen Betrachtung Frauen stärker von Einsamkeit betroffen sind als Männer. Somit stellen alleinstehende Männer, besonders alleinerziehende Väter, eine bisher nicht identifizierte Gruppe dar, die besonders anfällig für Einsamkeitsgefühle ist. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, die Heterogenität der Einsamkeit zu untersuchen, um die Determinanten besser zu verstehen und gefährdete Gruppen frühzeitig zu unterstützen.



Declining but not uniformly: Cohort trends in menarchal age across European countries

Backhaus, Andreas; Milewski, Nadja; Passet-Wittig, Jasmin

Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Deutschland

The beginning of the female reproductive life is indicated by the first menstrual period, the menarche. While evidence exists that the average age of menarche in female populations changes over time, data limitations have prevented comparable cross-country investigations over an extended observation period. We use representative data from the second round of the Generations and Gender Survey (GGS-II) to study trends in menarchal age for cohorts born between 1971 and 1999 in 11 European countries. In our regression analyses, we find that menarchal age has significantly declined in 10 out of the 11 sample countries, with an average decline of 0.3 years over the entire observation period. Declines tend to be smaller within countries which already had the lowest age of menarche at the beginning of our study period, implying a convergence of menarchal age between our sample of high-income countries.