Wie unterscheiden sich die Multimorbiditätsmuster von Menschen mit Migrationshintergrund und der einheimischen Bevölkerung: Erste Ergebnisse aus der Basis- und Folgeuntersuchung der NAKO Gesundheitsstudie
Westerman, Ronny
Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Deutschland
Hintergrund: Die Bevölkerung mit Migrationshintergrund unterscheidet sich in der Regel von der einheimischen Bevölkerung in Bezug auf Morbidität, Mortalität und Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung. Es gibt auch erhebliche gesundheitliche Unterschiede zwischen Migranten der ersten und zweiten Generation sowie zwischen den Herkunftsregionen. Ziel der Studie ist, die Häufigkeit von chronischen Erkrankungen bei im Ausland geborenen und Personen mit Migrationshintergrund der ersten und zweite Generation zu untersuchen. Dabei werden Sprachkompetenz und sozialer Status berücksichtigt.
Daten: Die Nationale Kohorte (NAKO) ist eine bevölkerungsbasierte Kohortenstudie an Erwachsenen im Alter von 19 bis 74 Jahren, die seit 2014 beobachtet werden (n=204.862). In der NAKO Gesundheitsstudie haben ca. 17,1 % der NAKO-Teilnehmer Menschen einen Migrationshintergrund (12,0 % erste Generation, 5,1 % zweite Generation). Die Datenerhebung zur Morbidität umfasst selbst ausgefüllte Gesundheitsfragebögen aber auch körperliche Untersuchungen und Bioproben. Ziel dieser Studie ist es, die Daten aus den selbst ausgefüllten Gesundheitsfragebögen aus der Baseline mit der ersten und zweiten Folgebefragung (U1-U3) zu kombinieren. Der Begriff "Multimorbidität" bezeichnet in diesem Kontext das Vorliegen mehrerer diagnostizierter bzw. selbstberichteter Erkrankungen. Dazu zählen Herzerkrankungen (einschließlich Myokardinfarkt, koronare Herzkrankheit, Angina pectoris, Herzinsuffizienz oder andere Herzprobleme), Bluthochdruck, zerebrovaskuläre Erkrankungen (Schlaganfall ohne transitorische ischämische Attacke), Diabetes mellitus, Arthritis, Lungenerkrankungen (einschließlich chronischer Bronchitis oder Emphysem und ohne Asthma) sowie Krebserkrankungen (einschließlich aller bösartigen Tumoren außer Hautkrebs).
Ergebnisse: Die Daten aus den beiden Folgeuntersuchungen werden aktuell noch qualitätsgeprüft. Daher sind die Ergebnisse erst einmal nur vorläufig. Tendenziell scheinen Migranten der ersten Generation häufiger von Multimorbidität betroffen zu sein als Migranten der zweiten Generation. Auch das Herkunftsland und das Geschlecht sind wichtige Indikatoren für eine höheres Maß von Multimorbidität.
Diskussion: Migranten der ersten Generation scheinen häufiger von Multimorbidität betroffen zu sein als Migranten der zweiten Generation, jedoch erst im höheren Alter. Diese Muster könnten auf eine bessere Integration und Gesundheitskompetenz der zweiten Generation hinweisen.
Determinanten der Gesundheit von Menschen mit ausgewählten Staatsangehörigkeiten in Deutschland: Ergebnisse der Studie GEDA Fokus
Bartig, Susanne1,2; Bug, Marleen1; Koschollek, Carmen1; Blume, Miriam1; Kajikhina, Katja1; Hövener, Claudia1
1Robert Koch-Institut, Deutschland; 2Freie Universität Berlin
Einleitung:
Die gesundheitlichen Chancen und Risiken von Menschen mit Migrationsgeschichte variieren nach einer Vielzahl von Faktoren. Dieser Beitrag zielt darauf ab, die gesundheitliche Lage von Menschen mit ausgewählten Staatsangehörigkeiten in Deutschland anhand verschiedener Indikatoren zu beschreiben und relevante Determinanten der Gesundheit zu identifizieren.
Methoden:
Die Auswertungen basieren auf Daten der multimodalen, mehrsprachigen Befragungsstudie GEDA Fokus (11/21-5/22), die unter 18- bis 79-jährigen Menschen mit italienischer, kroatischer, polnischer, syrischer oder türkischer Staatsangehörigkeit durchgeführt wurde. Neben dem selbsteingeschätzten allgemeinen Gesundheitszustand (mittelmäßig bis sehr schlecht vs. gut/sehr gut) und dem Vorliegen chronischer Erkrankungen im Allgemeinen wurde die depressive Symptomatik (PHQ-9) als Indikator für die psychische Gesundheit ausgewählt. Es wurden Prevalence Ratios mittels Poisson-Regressionen berechnet, um Zusammenhänge zwischen den Gesundheitsoutcomes und verschiedenen soziodemografischen sowie migrationsbezogenen Charakteristika zu identifizieren.
Ergebnisse:
Insgesamt 6.038 Personen haben an GEDA Fokus teilgenommen, was einer Responsequote von 18,4% entspricht. Männliches Geschlecht, hohes Bildungs- und Einkommensniveau, soziale Unterstützung sowie eine kürzere Aufenthaltsdauer in Deutschland sind bei Adjustierung für Alter und Staatsangehörigkeit nach Einwohnermeldeamt mit niedrigeren Prävalenzen der Gesundheitsoutcomes assoziiert. Demgegenüber sind insbesondere ein geringes Zugehörigkeitsgefühl zur Gesellschaft in Deutschland sowie selbstberichtete Diskriminierungserfahrungen im Alltag mit einer schlechteren körperlichen und psychischen Gesundheit assoziiert.
Schlussfolgerung:
Die vorliegende Analyse ermöglicht eine differenzierte Beschreibung gesundheitsrelevanter Faktoren für Menschen mit Migrationsgeschichte, wie Geschlecht, sozioökonomische Lage, soziale Unterstützung, Aufenthaltsdauer, Zugehörigkeitsgefühl zur Gesellschaft und insbesondere Alltagsdiskriminierung. Die Ergebnisse verdeutlichen, wie heterogen diese Bevölkerung im Hinblick auf gesundheitliche Chancen und Bedarfe ist. Nur anhand solch differenzierter Analysen können Maßnahmen zur Adressierung gesundheitlicher Ungleichheit gezielt und effektiv geplant werden.
Differences in Late-Life Depression between Intra-European Migrants and Non-Migrants: A Prospective Cohort Study
Frentz-Göllnitz, Maximilian1,2; Aretz, Benjamin3; Janssen, Fanny4,2; Doblhammer, Gabriele1,5
1University of Rostock, Germany; 2University of Groningen, the Netherlands; 3University of Bonn, Germany; 4Netherlands Interdisciplinary Demographic Institute, the Netherlands; 5German Center for Neurodegenerative Diseases, Germany
Whereas migrants generally suffer more from mental health problems than non-migrants in destination countries, it is less clear whether this also applies when comparing migrants to non-migrants in origin countries. This study investigates inequalities in late-life depression between intra-European migrants and non-migrants from both a destination and origin perspective. We used SHARE panel data (2004-2022, ages 65+) from 27 countries and estimated multilevel mixed logistic regression models to assess the risk of late-life depression. We compared migrants from the former Eastern Bloc (FEB) (North / Central), FEB (Balkan) and Southern Europe (SE) with (1) non-migrants from Western Europe (WE), Northern Europe (NE) and SE (destination perspective: 77,141 cases) as well as (2) non-migrants from FEB (North / Central), FEB (Balkan) and SE (origin perspective: 56,347 cases). The results showed that compared to non-migrants from NE, the risk of late-life depression was increased for migrants from FEB (North / Central) (OR=2.69, p=0.001), FEB (Balkan) (OR=3.82, p=0.004) and SE (OR=3.04, p<0.001). Similarly, compared to non-migrants from WE, the risk of late-life depression was increased for migrants from SE (OR=1.89, p<0.001) and FEB (North/Central) (OR=1.43, p=0.049). However, compared to non-migrants from FEB (North / Central), the risk of late-life depression was reduced for migrants from FEB (North / Central) (OR=0.68, p=0.022). Our study provides evidence that the mental health disadvantage experienced by migrants compared to non-migrants in later life across Europe is driven by negative causal effects (destination perspective). In contrast, the origin perspective suggests positive selection effects. Policies to support migrants from the FEB and SE may help to reduce mental health inequalities among older people in Europe.
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